Zusatzqualifikation Hellseherei: Ein Muss für jeden Makler

Der Bundesgerichtshof (BGH, Urteil vom 10.03.2016, Az. I ZR 147/14) schrieb den Versicherungsmaklern abermals ins Stammbuch, wie umfassend ihre Beratung zu sein hat. Die üblichen Fragebögen, einschließlich etwaiger Datenabfragen über das Internet sind unzureichend. Wenn im Schadensfall der Versicherer (VR) nicht oder zu wenig leistet, etwa wegen Deckungslücken, bestehen nun noch bessere Aussichten, dass der Vermittler (also Makler oder Agenten) und dessen Haftpflichtversicherer einzustehen haben.

 

FinTech´s im Versicherungsvertrieb erleben damit eine Niederlage – gestärkt wird die persönliche Beratung, eingeschlossen diverser Maklerpflichten vor und nach der Vertragsvermittlung. So auch die Entscheidung des OLG Stuttgart (Urteil vom 30.03.2011, Az. 3 U 192/10) im Fall der Unterversicherung. Der Makler wird somit zum Rückversicherer seiner Kunden.

 

Schweigen Maklerverbände zu den Maklerpflichten?

Der BGH hat auch 2016 den Versicherungsmaklern durch diverse Urteile ins Stammbuch geschrieben, welche Berufspflichten zu erfüllen sind. Gleichwohl werden im Internet Bastelanleitungen für „Beratungsprozesse“ über übliche Fragebögen, als das „Gelbe vom Ei“ bis heute beworben.

Nicht erst seit der Entscheidung des BGH vom 10.03.2016 erweisen sich solche, übliche Fragebögen nach dem Motto „was hätten Sie denn gerne versichert?“ als wertlose Makulatur, wenn der Kunde nicht eingehend beraten wurde, was er denn überhaupt versichern sollte. Dazu müsste der Makler aber erstmal die Kardinalpflichten der Risikountersuchung und Objektprüfung erfüllen, wie es der BGH seit Jahrzehnten geboten hat (BGH Sachwalter-Urteil, bereits aus 1985): „Von sich aus“, sagt der BGH.

Einige zur Vertrauenswerbung etwa als Beirat von „Pool- und Beratungsprozess-Portalen“ tätige Volljuristen, riskieren zudem eine regelmäßig in der VSH nicht gedeckte persönliche Haftung. Denn dadurch fehlgeleitete Makler könnten auf die Idee kommen, dort einen Regress zu erhalten. Der Makler als Experte für Haftung sollte wissen, dass Beiräte üblicherweise nicht versichert sind.

 

1ter Haftungshammer für den Makler

Der BGH schreibt im ersten Leitsatz:

„Die Pflichten des Versicherungsmaklers zur Aufklärung und Beratung umfassen vor allem die Fragen, welche Risiken der Versicherungsnehmer absichern sollte, wie die effektivste Deckung erreicht werden kann, bei welchem Risikoträger die Absicherung vorgenommen werden kann und zu welcher Prämienhöhe welche Risikoabdeckung erhältlich ist.

Ein Versicherungsmakler erfüllt diese Pflichten nicht allein dadurch, dass er ohne Prüfung und Erörterung im konkreten Fall den Versicherungsnehmer auf Lücken einer bestehenden Versicherung sowie die dadurch hervorgerufenen wirtschaftlichen Risiken hinweist und einen Versicherungsschutz gegen alle Risiken empfiehlt.“

Das Urteil ist Pflichtlektüre für jeden Versicherungsmakler, auch wenn seine Verbände dazu schweigen.

Versicherer bringt dies in einen Zielkonflikt: Eigene Fragebögen erweisen sich als Haftungsfalle für die Maklerschaft – deren Einsatz bedeutet im Zweifel volle Maklerhaftung für sie als Verwender. Entwickelt der Makler jedoch eigene Fragebögen, handelt es sich nicht um Fragen des Versicherers, sodass der Kunde den Versicherer ungestraft mit der Unwahrheit bedienen darf (OLG Hamm, Urteil vom 03.11.2010, Az. I-20 U 38/10).

Statt preiswertem Marketing über Portale für Beratungsprozesse, müssten Vertriebsvorstände für ordentliche Schulung der Makler sorgen. Der Makler hat in jedem Fall den „konkreten Bedarf“ selbst zu ermitteln – ein Fragebogen ist dabei oft lückenhaft oder hinderlich. Das Arbeitsergebnis des Maklers bedeutet die Erstellung einer bedarfsgerechten „Risikoanalyse“, wie im neueren Urteil des BGH nachzulesen.

 

2ter Haftungshammer für den Makler

Der BGH sagt:

„Hat der Versicherungsmakler seine Prüfungs- und Beratungspflichten umfassend erfüllt und entscheidet sich der Versicherungsnehmer gegen die ihm vorgeschlagene, sach- und interessengerechte Vorgehensweise, kann der Versicherungsmakler für einen unzureichenden Versicherungsschutz des Versicherungsnehmers nicht verantwortlich gemacht werden. Der Versicherungsmakler ist in diesem Fall nicht verpflichtet, seine Empfehlung zu wiederholen und den Versicherungsnehmer gegen dessen erklärten Willen erneut zu beraten.“

Der BGH schreibt dem Makler damit ins Stammbuch, dass er nicht nur zu beraten sondern auch selbst zu prüfen hat, welche Risiken zu versichern sind. Die Ideen von Schlaumeiern und einigen bislang hochgelobten Professoren, man könne dies durch Internet-Chats lösen, erweisen sich geradewegs als Beweis eigener Überforderung. Weder kann man als Makler durch Hellseherei, ohne Ausbildung mit Zertifikat und Glaskugel das Risiko des Kunden erahnen, noch kann man dazu beraten, geschweige denn dies später einem Gericht „als Beratung aus der Ferne“ glaubhaft darlegen. Eingeschlossen die Reaktion des Kunden auf Hinweise, was er „sach- und interessengerecht“ versichern sollte. Professoren mit solchen Ideen können leider nur überfordert sein.

Auf der Basis von Online-Chats und Fragebögen kann kaum eine zureichende Empfehlung gegeben werden, was zu versichern ist. Seine sekundäre Darlegungslast kann der Makler damit gar nicht erst erfüllen, nämlich die Antwort auf die Frage, ob er vollständig geprüft, beraten und etwas empfohlen haben kann. Und dann kommen noch zwei weitere Hürden hinzu: Wie will der Makler beweisen, dass der Kunde ihn auch richtig verstanden haben muss – und gibt es eine Dokumentation, damit sich am Ende die Beweislast nicht umkehrt, zu Lasten des Maklers? Die eigene VSH schreibt dem Makler dann im Schadenfall zu, dass er sich auf eigene Kosten wegen derart wissentlicher Fehler verteidigen soll.

Der BGH dazu:

„Ist dagegen der Versicherungsnehmer noch nicht oder nicht ausreichend beraten worden, darf der Versicherungsmakler keine sachwidrigen Weisungen akzeptieren und hat zunächst dafür zu sorgen, dass der Versicherungsnehmer eine für eine sach- und interessengerechte Entscheidung geeignete Entscheidungsgrundlage erhält.“

Irrtümer des Kunden aufgrund von Missverständnissen und unzureichender oder nicht zur Kenntnis genommener Information darf der Makler nicht wie dessen Entscheidung akzeptieren. Die Beweislast liegt beim Makler.

 

3ter Haftungshammer für den Makler

Der BGH schreibt:

„Ist der Versicherungsnehmer noch nicht oder nicht ausreichend beraten worden, darf der Versicherungsmakler keine sachwidrigen Weisungen akzeptieren und hat dafür zu sorgen, dass der Versicherungsnehmer eine für eine sach- und interessengerechte Entscheidung geeignete Entscheidungsgrundlage erhält. Der Versicherungsmakler darf von der Beratung eines nicht ausreichend informierten Versicherungsnehmers nur absehen, wenn der Versicherungsnehmer ihm unmissverständlich erklärt, dass er auf eine weitergehende Beratung verzichtet.“

Ein Verzicht des Kunden auf Leistungskomponenten darf nur akzeptiert werden, wenn der Kunde darüber informiert ist, was hier seine Risiken und sein objektiver Bedarf sind. Der weitere Beratungsverzicht bedeutet, dass der Makler die Beratung bis zum Verzicht auf weitere Beratung festzuhalten hat.

Ist der Grund die Prämienhöhe, muss der Makler Alternativen prüfen und beraten, mit Blick auch auf die wirtschaftliche Auswirkung. Etwa Leistungen einschließen bei maßvoller Erhöhung des Selbstbehaltes oder abwägen, welche Leistungen eher verzichtbar sind. Der bloße Beratungsverzicht führt keinesfalls zur Enthaftung des Maklers.

Eine Dokumentation der Art „Kunde will dies“ ist wertlos. Die Gerichte wollen nach Jahren noch nachvollziehen, weshalb der Kunde „die falsche, lückenhafte Deckung“ unbedingt wollte. Dass er sie wollte, reicht dem Gericht nicht, weil dies der Makler durch unzureichende Beratung verschuldet haben kann. Wie soll dies der Makler ohne Schulung über den Unterschied von Protokoll und Dokumentation jemals schaffen?

 

4ter Haftungshammer für den Makler

Der BGH konstatiert:

„Der Versicherungsmakler, der seiner sekundären Darlegungslast zur Erfüllung seiner Aufklärungs- und Beratungspflichten nicht genügt hat, ist für seine Behauptung einer sach- und interessenwidrigen Weisung des Versicherungsnehmers und dessen Verzicht auf eine weitergehende Beratung darlegungs- und beweisbelastet.“

Wenn der VN eine falsche Entscheidung zum Versicherungsschutz trifft, kommt es darauf an, ob der Makler seine „sekundäre Darlegungslast“ im Haftungsprozess erfüllen kann. Dafür genügt nicht mal die rechtzeitige Übergabe einer Dokumentation, wie sie das VVG fordert. Der Makler braucht noch dazu ein Protokoll über alle Gespräche – eingeschlossen den sicheren Nachweis „zur Überzeugung des Gerichts“ über eine verständliche und verstanden gewesene Beratung. Maklerverbände und Fachprofessoren sowie Beratungsprozess-Portale mit Sponsoring der VR schweigen sich dazu aus. Makler werden damit kostenlos und massenhaft ans Messer geliefert – warum eigentlich?

 

5ter Haftungshammer für den Makler

Der BGH stellt fest:

„Hat der Versicherungsnehmer auf einen umfassenderen Versicherungsschutz und eine weitergehende Beratung durch den Versicherungsmakler verzichtet, ist dieser nicht gehalten, bei unveränderter Sachlage auf die damit verbundenen Risiken erneut hinzuweisen.“

Hinweise des Maklers brauchen weder besonders intensiv, noch besonders nachdrücklich sein – dies gilt auch für Juristen und Steuerberater.

Aber: Da die Dokumentation eine Pflicht ist, um dem Kunden zu ermöglichen, vor dem Abschluss der Versicherung, alle Gründe und Empfehlungen vor seiner Entscheidung genau zu prüfen, kommt es auf den Inhalt der Dokumentation an, und die rechtzeitige Übergabe.

Ein etwaiger Beratungsverzicht muss auf einem zweifelsfreien Willen des Kunden beruhen, den es ebenfalls zu dokumentieren und zu protokollieren gilt – beides ist (zeitlich bis dahin) nötig!

Auch dann ist der Makler aber nicht frei, irgendetwas zu machen, etwa das Risiko nicht zu prüfen. Es ist dem Kunden womöglich nicht klar, dass der Makler den Beratungsverzicht so versteht, dass er nun jedwede sachfremde Entscheidung des Kunden schlicht als Vorgabe übernimmt. Etwa wenn man jemanden noch am Handgelenk am Abgrund erwischt, der meint „Drücken Sie mein Handgelenk nicht so fest, das tut weh“. Und man auf die Frage „Möchten Sie dazu eine Beratung?“ und dann nach der Antwort „Nein“ schlicht lockerlässt.

Wer etwa gesagt hatte „ich möchte keine lebensverlängernden Maßnahmen“, bei dem ist nicht etwa auf die lebensnotwendige Bluttransfusion zu verzichten, sondern die Willenserklärung schlicht als unwirksam zu betrachten. So wie der Vorstand eines Maklerverbandes auf einer Mitgliederversammlung eingangs fragte „Kennen Sie das Gemeinsame von Kukident für die dritten Zähne und einem Versicherungsmakler?“ – nach einer Pause dann die Antwort: „Beides haftet gleich gut !“

 

6ter Haftungshammer für den Makler

In der Urteilsbegründung verlautbart der BGH noch:

„Das Hauptgeschäft des Versicherungsmaklers besteht in der Vermittlung und dem Abschluss von Versicherungsverträgen. Mit deren Abschluss ist es zwar noch nicht beendet, da es auch die versicherungstechnische Betreuung der Verträge umfasst und daher als Dauerschuldverhältnis fortbesteht (BGH, Urteil vom 5. April 1967 – Ib ZR 56/65, VersR 1967, 686). So ist der Makler zur Erteilung von Hinweisen für die risikogerechte Anpassung des vermittelten Versicherungsvertrags verpflichtet (Reimer in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 3. Aufl., § 98 Rn. 34).

Im Rahmen der laufenden Betreuung des Versicherungsverhältnisses hat der Versicherungsmakler daher das versicherte Risiko zu überwachen, bei Risikoveränderungen den Versicherungsnehmer hierauf ungefragt hinzuweisen und auf eine Anpassung hinzuwirken. Insgesamt ist der Versicherungsmakler zur fortlaufenden und ständigen Betreuung des Versicherungsnehmers verpflichtet. Er muss umgehend und unaufgefordert prüfen, ob der bestehende Vertrag den Bedürfnissen des Kunden noch entspricht. Etwaigen Veränderungen des versicherten Risikos muss er durch entsprechende Beratung Rechnung tragen (OLG Düsseldorf, VersR 2000, 54).“

Benötigen Makler, die solche Pflichten erfüllen wollen, einer Zusatzqualifikation als Hellseher?

 

von Dr. Johannes Fiala und Dipl.-Math. Peter A. Schramm

 

mit freundlicher Genehmigung von

www.experten.de (veröffentlicht am 13.12.2016)

 

Link: https://www.experten.de/2016/12/13/zusatzqualifikation-hellseherei-ein-muss-fuer-jeden-makler/

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Über den Autor

Dr. Johannes Fiala Dr. Johannes Fiala
PhD, MBA, MM

Dr. Johannes Fiala ist seit mehr als 25 Jahren als Jurist und Rechts­anwalt mit eigener Kanzlei in München tätig. Er beschäftigt sich unter anderem intensiv mit den Themen Immobilien­wirtschaft, Finanz­recht sowie Steuer- und Versicherungs­recht. Die zahl­reichen Stationen seines beruf­lichen Werde­gangs ermöglichen es ihm, für seine Mandanten ganz­heitlich beratend und im Streit­fall juristisch tätig zu werden.
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