Einschränkung der GKV-Wahltarife nutzt niemandem

PKV bietet keine Gewähr für bessere Tarife

Die PKV wettert gegen die durch das Wettbewerbsstärkungsgesetz seit einigen Jahren eingeführte Möglichkeit der GKV, Wahltarife anzubieten. Sie seien mangels Alterungsrückstellung nicht demographischer, die Beiträge stiegen mit dem Alter ins Unbezahlbare, sie seien durch die GKV kündbar, es werde keine Risikoprüfung durchgeführt, die Wahltarife seien Feld der PKV und hätten in der GKV aus Wettbewerbsgründen nichts zu suchen und schließlich wüsste die GKV gar nicht , wie man richtig kalkuliert . Bei genauem Hinsehen ist keiner dieser Vorwürfe stichhaltig. Ob die Bundesregierung die Wahltarife dennoch einschränkt, wird sich demnächst entscheiden .

 

Zusatzversicherung wurde 1994 vollständig dereguliert

Mit der europäischen Deregulierung 1994 in der Schadenversicherung gibt es für die Zusatzversicherung in der PKV keine Kalkulationsvorschriften mehr. Auch eine Genehmigung durch die Aufsichtsbehörde ist damit hinfällig . Eine Kalkulation nach Art der Lebensversicherung mit Alterungsrückstellungen ist nicht mehr vorgeschrieben. Tarife ohne Alterungsrückstellungen – in denen die Prämien entsprechend dem altersabhängigen Risiko steigen – sind seitdem üblich und verbreiten sich zusehends. Sie sind deshalb nicht schlechter als mit Alterungsrückstellung – sondern für viele Versicherte das geeignetere Angebot. Denn eine Alterungsrückstellung kann einen Prämienanstieg im Alter auch nicht effektiv verhindern, so dass die in jungen Jahren günstigere Prämie ohne Alterungsrückstellung für viele als das geeignetere Angebot erscheint – es besteht im Markt Wahlfreiheit. Der Kunde kann aussuchen, und es gibt keinen Grund – und auch EU- rechtlich gar keine Rechtsgrundlage – diese Wahlfreiheit innerhalb der PKV zu beschränken. Seit der Subprime- Krise ist vielen Versicherten bekannt, dass Finanzvorstände bei Versicherern auch in der Lage sind, große Mengen an Geld buchstäblich zu verbrennen: Bei Tarifen ohne Altersrückstellungen hat es der Kunde in der Hand, entsprechende Reserven selbst anzulegen.

 

Auch Hausratversicherer dürfen Krankenzusatztarife anbieten

Die Spartentrennung in der Schadenversicherung – zu der die Krankenversicherung gehört – wurde 1994 aufgehoben. Seitdem darf auch jeder Sachversicherer Zusatztarife für Krankenversicherung anbieten, mit oder ohne Alterungsrückstellungen . Wer will, kann sich beim gleichen Versicherer wie sein Pferd versichern, wenn auch nicht im gleichen Tarif und unter Inanspruchnahme der gleichen Rosskur beim Veterinär. Die aktuariellen Kenntnisse zu ihrer Kalkulation sind kein Monopol der PKV – auch Sachversicherer , ebenso wie gesetzliche Krankenkassen können darüber verfügen. Wer dies der GKV absprechen will , muss auch erklären können, weshalb es einem KFZ- Versicherer erlaubt sein soll, Zusatzversicherungen anzubieten. Die Unterschiede konkurrierender Wahltarife transparent darzustellen ist eine Aufgabe für qualifizierte Versicherungsmakler : Dies setzt stets eine Analyse des Kleingedruckten voraus.

 

Fehlende Risikoprüfung spricht für GKV-Wahltarife

Eine Risikoprüfung ist in der PKV keinesfalls gesetzlich vorgeschrieben. Wo sie – meist – praktiziert wird, geschieht dies aus Wettbewerbsgründen, weil die Prämien ohne Risikoprüfung höher wären. Es gibt aber nicht nur in den GKV- Wahltarifen einen Verzicht auf Risikoprüfung, sondern auch in Tarifen einiger PKV-Unternehmen – dennoch können diese Tarife ebenso risikogerecht kalkuliert werden. Es ist indes zu befürchten, dass viele Versicherte , die heute die Möglichkeit zu GKV- Wahltarifen haben, bei deren Verbot aus Risikogründen gar keine geeigneten Zusatzversicherungen zur GKV mehr finden werden. Die Wahlfreiheit wäre dadurch eingeschränkt, ohne dass wirklich ein Vorteil gegenüber stünde. Denn die Wahl, sich in den Zusatztarifen der PKV zu versichern , haben Gesunde heute auch schon. Wenn die PKV hier die besseren Wettbewerbsargumente für betreffende Kunden hat, steht ihr dieser Markt offen. Wenn sie dagegen die Konkurrenz der GKV nicht aushält, wie soll sie dann gegenüber Konkurrenten aus der PKV, von Sachversicherern oder von ausländischen Versicherern bestehen, die ihre Tarife sogar nach den fast gleichen Prinzipien wie die GKV konzipieren dürfen , wenn sie es wollten?

 

Ordentliches Kündigungsrecht in der PKV nicht ausgeschlossen

In Zusatzversicherungen kann der PKV-Versicherer in den ersten drei Jahren ordentlich ohne Angabe von Gründen kündigen, sofern er dieses Recht nicht freiwillig vertraglich ausschließt . Wenn die Zusatzversicherung ohne Alterungsrückstellung kalkuliert ist, kann sie sogar von vornherein befristet werden, und zudem wie in GKV- Wahltarifen eine Kündigung des Versicherten drei Jahre lang ausschließen. Außerdem kann er eine Gruppenversicherung sogar im Ganzen kündigen, muss dann aber den Versicherten das Recht einräumen, den Vertrag in einem dann – eventuell – offenen Einzelversicherungstarif fortzusetzen. Vergleichbar ist dies auch in der GKV – hier hat jedoch ohnehin jedes Mitglied das Recht, einem dann offenen Wahltarif ohne jede Risikoprüfung beizutreten. Hierbei wird aber sogar nach der Wartezeit für bereits eingetretene Versicherungsfälle geleistet, die in der PKV doch auf Dauer ausgeschlossen wären.

 

GKV-Wahltarife unterliegen der aufsichtsrechtlichen Genehmigungspflicht

Alle Wahltarife der GKV müssen mit dem Nachweis ihrer ausreichenden Kalkulation und dauerhaften Tragfähigkeit der zuständigen Aufsichtsbehörde zur Genehmigung vorgelegt werden. Diese prüft vorher die Kalkulation und genehmigt erst dann den Tarif, wenn alle Voraussetzungen vorliegen. Die Kalkulation erfolgt aufgrund geeigneter Statistiken und mit Beratung durch qualifizierte Aktuare und andere Fachleute – die sich nicht nur unter den in der PKV abhängig Beschäftigten finden. Die Wahltarife werden anschließend jährlich auf ihre weitere Tragfähigkeit überwacht und bei Bedarf angepasst. Wie in der PKV auch, kann es in Einzelfällen zur Schließung solcher Tarife kommen – dann hat der Versicherte aber das Recht , in andere für ihn offene Wahltarife ( selbstverständlich ohne Risikoprüfung ) zu wechseln. Auch in der PKV können z. B. zulässige befristete Zusatztarife oder Gruppenversicherungen für bestehende Verträge einfach zur beabsichtigten Schließung durch Kündigung beendet werden. Und ein Sachversicherer muss z. B. seine Krankenzusatztarife ohne Alterungsrückstellung im Gegensatz zur GKV nicht einmal risikogerecht kalkulieren – Kampfprämien wie im KFZ- Geschäft wären zulässig.

 

Wahlfreiheit und Markt wird zum Nachteil der Kunden eingeschränkt

Mit den GKV- Wahltarifen gibt es ein zunehmend breiteres Angebot für jeden in der GKV Versicherten, zusätzlich zu den Möglichkeiten für Gesunde, sich in unterschiedlichsten Zusatztarifen in der PKV oder von Sachversicherern ergänzend zur GKV zu versichern . Dabei ist es der PKV oder Sachversicherern möglich, solche Tarife nach den nahezu gleichen Kriterien anzubieten, wie sie in der GKV verwendet werden. Eine Einschränkung für die PKV gibt es hier nicht . Die Behauptung, die PKV müsse bei ihren Zusatztarifen zwangsläufig andere Maßstäbe einhalten als die GKV, ist schlicht falsch. Wenn viele PKV-Unternehmen die Tarife unbefristet und mit Alterungsrückstellung sowie mit Risikoprüfung kalkulieren, ist dies ihr eigener Wunsch, um sich damit im Wettbewerb zu positionieren . Dies dann aber als systematischen Vorteil der PKV zu verkaufen, der durch Beseitigung der GKV- Konkurrenz zum Nutzen des Kunden gewahrt bleiben soll , ist bei genauem Hinsehen als pure Lobbyarbeit zu entlarven.

 

von Dr. Johannes Fiala und Dipl.-Math. Peter A. Schramm

mit freundlicher Genehmigung von

www.juraforum.de (veröffentlicht am 23.09.2010)

und

www.dzw-online.de (veröffentlicht in Die ZahnarztWoche 40/2010, Seite 23)

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Über den Autor

Dr. Johannes Fiala Dr. Johannes Fiala
PhD, MBA, MM

Dr. Johannes Fiala ist seit mehr als 25 Jahren als Jurist und Rechts­anwalt mit eigener Kanzlei in München tätig. Er beschäftigt sich unter anderem intensiv mit den Themen Immobilien­wirtschaft, Finanz­recht sowie Steuer- und Versicherungs­recht. Die zahl­reichen Stationen seines beruf­lichen Werde­gangs ermöglichen es ihm, für seine Mandanten ganz­heitlich beratend und im Streit­fall juristisch tätig zu werden.
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