Geschäftsführer und leitende Angestellte verschenken den Insolvenzschutz ihrer Altersversorgung

Wenn Geschäftsführer und leitende Angestellte ihre betriebliche Altersversorgung (bAV) als Pensionszusage bzw. Direktzusage versprochen bekamen, reicht in den allermeisten Fällen das vorhandene Rückdeckungsvermögen zur vollen Finanzierung der Altersleistungen nicht aus.

Soweit eine Rückdeckung – bspw. als Lebensversicherung oder Investmentfonds – vorhanden ist, denken Arbeitgeber, dass dieses Vermögen zunächst erstmal mindestens anteilig für die Pensionszahlung aufgebraucht werden könne. Indes sollten nicht nur Geschäftsführer und leitende Angestellte darauf achten, dass sie auf die Rückdeckung – als meist nur teilweise Sicherheit für die Finanzierung der Auszahlungen ihrer bAV – nicht zu früh verzichten. Käme es später zur Insolvenz des Arbeitgebers, so stünde der Mitarbeiter anderenfalls oft mit leeren Händen da.

 

Mitarbeiter können Hinterlegung der baV-Rückdeckung zu ihrer Versorgung verlangen

Vielen Mitarbeitern, auch normalen Arbeitnehmern, ist nicht bewusst, dass sie ein Wörtchen mitzureden haben, wenn das als Rückdeckung angesparte und sicherheitshalber an die verpfändete Vermögen als Kapitalanlage fällig wird. Denn dann kann das Finanzhaus (z.B. Bank oder Versicherer) nur an den Arbeitgeber und den (Ex-)Mitarbeiter gemeinsam leisten, § 1281 I BGB.

Der Mitarbeiter könnte selbst vom Insolvenzverwalter verlangen, dass die Finanzmittel hinterlegt werden (BGH, IX ZR 176/11), oft bestenfalls beim gleichen Finanzhaus zur zeitlich fortdauernden Kapitalanlage mit Aussicht auf eine Wertsteigerung. Tritt der Fall ein, dass die Kapitalanlage geändert wird, beispielsweise weil es zu einer Neuanlage des baV-Vermögens kommt, so bedarf es keiner neuen Verpfändung, weil sich das einmal eingeräumte Pfandrecht auch auf alle Surrogate bezieht – also sowohl auf den Auszahlungsbetrag als auch auf die davon neu eingekaufte Kapitalanlage, § 1247 BGB.

Gleichwohl muss auch die Umschichtung rechtlich weitgehend abgesichert sein, denn selbst die Auszahlung der vorhandenen Rückdeckung auf ein “Sonderkonto” des Arbeitgebers kann zum Totalverlust des Pfandrechts beim Mitarbeiter führen, gleichsam als Sanierungsbeitrag.

 

Arbeitsgeber schuldet volle Zahlung der baV – ohne Rückgriffsmöglichkeit auf Rückdeckungsmittel

Der Arbeitgeber ist stets in der Situation, dass er bei Rentenbeginn erst mal über Jahre die bAV-Leistungen in voller Höhe ganz alleine aufbringen muss, ohne Rückgriff auf das nur teilweise ausreichende verpfändete Rückdeckungsvermögen. Der Arbeitgeber kann nach Gesetz und Rechtsprechung keinesfalls vom (Ex-)Mitarbeiter oder Geschäftsführer verlangen, dass dieser die Rückdeckungsmittel auch nur teilweise oder sukzessive freigibt, bspw. durch Verzicht auf das Pfandrecht oder Abtretung, oder dadurch, dass er statt Zahlungen durch den Arbeitgeber solche durch den Rückdeckungsversicherer akzeptiert.

 

Erst wenn die Rückdeckungsmittel – ggf. nach langen Jahren der Rentenzahlung durch den Arbeitgeber – so hoch sind, dass es zu einer sogenannten Übersicherung kommt, wird der Arbeitgeber einen Rechtsanspruch auf vielfach nur teilweise bzw. ratierliche Freigabe haben (BGH, Beschluss vom 06.03.1997, Az.: IX ZR 74/95). Dies ist wirtschaftlich regelmäßig erst dann der Fall, wenn die Rückdeckungsmittel bis zu mehr als 110 % des notwendigen Vermögens zur vollständigen Ausfinanzierung der vom Arbeitgeber zugesagten bAV-Leistungen (Altersrente, ggf. zuzüglich Invaliditätsvorsorge, Hinterbliebenenversorgung) betragen. Der Arbeitgeber kann den Mitarbeiter nicht zwingen, dass zunächst auch selbst nur teilweise auf die sowieso regelmäßig unzureichend hohen Rückdeckungsmittel zugegriffen wird, denn damit sinkt der Vermögensschutz für den Fall der Insolvenz.

Das Pfandrecht des Mitarbeiters bezüglich der Rückdeckung erlischt erst dann, ganz automatisch – gesetzlich, wenn die Forderung vollständig erfüllt ist (§ 1252 BGB).

Gleichwohl versuchen natürlich Arbeitgeber, diese Verpflichtungen nachträglich für sich abzumildern. Dazu bieten dann Banken einen Auszahlplan an, und Versicherungen einen neuen Vertrag auf lebenslange Rente – und dies unter Einsatz der nur teilweise vorhandenen Rückdeckungsmittel. Der Arbeitgeber verspricht dann lediglich die monatliche Differenz draufzulegen, während der Mitarbeiter jeden Monat unnötigerweise einen Teil seiner bAV-Sicherheit einbüßt. Bei richtiger rechtlicher Aufklärung müssen ehemalige Arbeitnehmer und Geschäftsführer sich auf solch riskante verfrühte Sicherheitenfreigabe nicht einlassen.

 

Untersicherung ist der Regelfall bei Beginn der baV-Rentenzahlung bei Pensionszusagen

Beispielsfall zur Illustration: Es werden zur Ausfinanzierung eine bAV-Zusage zum Zeitpunkt des Rentenbeginns

200 TEUR benötigt. Sind jedoch dann lediglich 100 TEUR vorhanden, bei angenommenen jährlichen bAV-Rentenleistungen von durchschnittlich 10 TEUR, so liegt eine Untersicherung in Höhe der Hälfte des notwendigen Vermögens vor. Damit kommt es erst nachdem der Arbeitgeber mehr als zehn Jahre die bAV-Leistungen erbracht hat, zum Eintritt einer (teilweisen) Übersicherung. Dies belastet den Arbeitgeber, der nun die bAV-Leistungen erst mal komplett aus dem laufenden Ertrag finanzieren muss, mit seiner Arbeitgeberhaftung und Zahlungspflichten gemäß seinem bAV-Versprechen. An das Geld aus der verpfändeten Rückdeckungsversicherung kommt er einstweilen nicht heran.

 

Spiegelbildlich fehlt in nahezu allen bAV-Zusagen eine vollständige Vermögensabsicherung zur Ausfinanzierung der künftigen Pensionsansprüche. Leitende Angestellte und Geschäftsführer geben damit ihrem Arbeitgeber insoweit einen ‘Blanko-Kredit’ – schließlich haben sie auch für diese Arbeitgeberleistungen gearbeitet, also nur die Auszahlung dieses Teils der Vergütung durch Vereinbarung einer bAV in die Zukunft geschoben. Mitarbeiter und Betriebsräte haben es bisher regelmäßig versäumt, etwa wie bei Banken und Sparkassen in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen üblich, einen Rechtsanspruch auf Verstärkung der Sicherheiten durch wirtschaftlich vollständige Ausfinanzierung der künftigen Leistungen aufgrund von bAV-Zusagen vorzusehen.

 

Altersarmut bewusst in Kauf genommen

Der Pensionssicherungsverein tritt nicht ein, wenn Rückdeckungsmittel nicht rechtswirksam gesichert wurden, und der Arbeitgeber dieses Vermögen schlicht ähnlich dem Vorgehen einer Finanzheuschrecke ungehindert aus dem Unternehmen herausziehen konnte. Ein Abgeordneter des Bundestages kommentierte dies mit den Worten: “Diese Regelungslücke wurde offenkundig”, nachdem die ehemalige Metro-Unternehmensgruppe ‘Kaufhalle’ an einen Investor veräußert wurde, der die rund 30 Mio. € Betriebsrentenrücklagen des Unternehmens ins Ausland verbrachte und die Zahlungen an die Betriebsrentner einstellte.

Dass es dazu kommen konnte, verdanken die Mitarbeiter allzu großer Sorglosigkeit, vielleicht auch dem Vertrauen in einen überforderten Betriebsrat? Die Sicherung des bAV-Vermögens für den Zeitpunkt des Rentenbeginns kann nur dann gelingen, wenn dessen Aufbau in ausreichender Höhe vom Mitarbeiter kontrolliert wird, und die Sicherheiten wie etwa eine Verpfändung von Rückdeckungsmitteln rechtswirksam erfolgt war. Würden Betriebsrentenrücklagen gleichwohl geplündert oder verschwinden, so müsste – nur bei rechtswirksamen Vereinbarungen, bestenfalls mit jedem Mitarbeiter persönlich, aber eben nicht lediglich mit dem Arbeitgeber – das eingebundene Finanzhaus abermals bezahlen.

 

Liquiditätsfalle für Arbeitgeber – Rechtsirrtum für Mitarbeiter

 

Wenn die bAV-Rentenzahlung ansteht, tritt Pfandreife ein, § 1282 BGB. Obwohl der Mitarbeiter bei bAVUntersicherung nicht zum Versilbern des verpfändeten bAV-Vermögens gezwungen werden kann, heißt es teilweise, dass das Pfandrecht als Sicherheit des Mitarbeiters bereits mit Auszahlung einer Rückdeckungsversicherung nach Fälligkeit (aber vor bAV-Rentenbeginn) entfallen sei.

 

Damit wird vielfach nur verdeckt, dass die Rückdeckungsmittel zu keiner Zeit an den Mitarbeiter sicherheitshalber und wirksam verpfändet worden waren. Mitarbeiter sollten es daher nicht versäumen, die Verpfändung der bAV-Rückdeckungsmittel gegenüber Versicherung oder Fondsgesellschaft persönlich anzuzeigen, und sich den Eingang dieser Mitteilung schriftlich bestätigen zu lassen. Entscheidend ist, dass freundliche Verträge und/oder Zusagen allein des Arbeitgebers, bspw. dem Mitarbeiter sei ein Bezugsrecht eingeräumt oder die Rückdeckung sei an den Mitarbeiter verpfändet, zunächst absolut wirkungslos sind.

 

Normalen Angestellten, leitenden Mitarbeitern und Geschäftsführern – soweit sie durch den Pensionssicherungsverein (PSVaG) ‘geschützt’ wären – sollte bewusst sein, daß die Leistungen des PSVaG bis zu weniger als 50 % dessen sein könnten, was ursprünglich zugesagt wurde – Geschäftsführer sind auf diese Weise oft gar nicht gesichert. Denn ab dem Eintritt des Sicherungsfalles kommen erwirtschaftete Überschüsse aus der Kapitalanlage nicht mehr dem Mitarbeiter zugute. Diese Überschüsse werden im Solidarsystem des PSVaG anderweitig verwendet.

 

Uninformierte Rentner und Pensionäre geben dann auch noch ab Rentenbeginn die an sie verpfändeten ohnehin unzureichenden Sicherheiten ganz oder teilweise auf, weil sie meinen, es müsste so funktionieren, wie ihnen der Arbeitgeber oder auch der Rückdeckungsversicherer dies weismachen will. Dem gilt es informiert sich schlicht zu verweigern, und auf dem vollen Erhalt der verpfändeten Sicherheiten zu bestehen, indem sie bspw. beim Versicherer ungekürzt hinterlegt bleiben, während der Arbeitgeber einstweilen die Betriebsrenten alleine bezahlt.

Mancher Arbeitgeber mag überrascht sein, dass seine Vorfinanzierung der bAV durch Rückdeckungsversicherungen auf diese Weise überhaupt nicht dazu führt, dass diese sich dann später mindestens anteilig ab Rentenbeginn auch an den Rentenzahlungen beteiligen wird. Er müsste aber einfach nur auf seinen Rückdeckungsversicherer hören und so viel Mittel ansparen, dass diese auch als Sicherheiten später voll ausreichen.

 

 

Von Dr. Johannes Fiala und Dipl.-Math. Peter A. Schramm

 

mit freundlicher Genehmigung von

www.innovationundtechnik.de (veröffentlicht in Innovation und Technik, Ausgabe 9, September 2015

und

www.markt-intern.de (veröffentlicht im kapital-markt intern Verlag GmbH (Ausgabe 37/15)

und

www.Network-karriere.com (Ausgabe 10/2015)

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Über den Autor

Dr. Johannes Fiala Dr. Johannes Fiala
PhD, MBA, MM

Dr. Johannes Fiala ist seit mehr als 25 Jahren als Jurist und Rechts­anwalt mit eigener Kanzlei in München tätig. Er beschäftigt sich unter anderem intensiv mit den Themen Immobilien­wirtschaft, Finanz­recht sowie Steuer- und Versicherungs­recht. Die zahl­reichen Stationen seines beruf­lichen Werde­gangs ermöglichen es ihm, für seine Mandanten ganz­heitlich beratend und im Streit­fall juristisch tätig zu werden.
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