Nachgebessert, aber oft zu sorglos

Im Mai und Juni 2009 haben wir insgesamt 50 Internet-Riester-Förderrechner getestet – mit erschreckenden Ergebnissen. Nur zwei Probanden überstanden die keineswegs unüblichen Testfälle fehlerfrei. Die Geisterfahrer unter den Rechnern bildeten die Mehrheit! Dieser Prozentsatz ist mittlerweile gesunken, wie ein Nachtest zeigte.

Es ist schon erschreckend, dass sich die Finanzdienstleistungsbranche beim Riester-Förderrechner dermaßen blamieren kann. Die „Financial Times Deutschland“ titelte angesichts dieser Ergebnisse im Juni 2009: „Online-Rechner zur Riester-Rente patzen“ und das „Versicherungsjournal“ fragte treffend: „Welche Riester-Förderung hätten Sie gerne?“ Nahezu jede Riester-Förderungshöhe scheint möglich zu sein.

Man muss nur den passenden Falschrechner finden. Verblüffend ist, dass unterschiedliche Konzern-Versicherungsgesellschaften nicht nur unterschiedliche Riester-Förderrechner einsetzen, sondern dass diese prompt sehr unterschiedliche Förderungen ausrechnen – wohlgemerkt bei gleichen Testfällen (zum Bei- spiel Ergo, Generali). ähnliches gilt für Verbünde wie Sparkassen.

Hier reicht die Auswahl der Riester-Förderrechner mit fragwürdigen, mageren Auskünften (Sparkassen-Finanzportal) bis hin zu vorbildlichen Lösungen (Sparkasse Hildesheim).

 

Angebotsrechner rechnen falscher als Riester-Rechner

Doch manchmal schafft ein Anbieter die Konfusion auch ohne fremde Hilfe. So unterscheiden sich die Förderauskünfte des separaten Riester-Förderrechners nicht selten von denen des Riester-Angebotsrechners desselben Versicherers!

In der Regel rechnet der Angebotsrechner noch falscher als der Riester-Rechner, da der Nachbau von Gesetzesänderungen in Tarif- und Angebotsrechnern schwieriger ist als in „einfachen“ Riester-Förderrechnern. In den vergangenen Monaten haben sich einige Verbesserungen bei den Riester-Förder-Rechnern ergeben. Doch die Geisterfahrer bilden immer noch die absolute Mehrheit. Sie ist etwas geschrumpft, da einige Probanden es vorgezogen haben, ihren Riester-Förderrechner abzuschalten.

Viele von ihnen hatten noch im Frühjahr Verbesserungen angekündigt. Die Begründungen für das Abschalten waren unterschiedlich. Sie reichten von der Aussage, dass man erkannt habe, aus rechtlichen Gründen gar keine Aussagen zu Steuerförderungen machen zu dürfen, über Aussagen, dass der Verantwortliche seit Jahren nicht mehr im Hause sei, bis hin zur – plötzlichen – Erkenntnis, dass die Betreibergesellschaft verkauft worden oder dass die Click-Rate zu gering sei. Von den verbliebenen Riester-Förderrechnern gingen 70 Prozent unverändert in den Nachtest.

Zwölf Riester-Förderrechner wurden verändert – meist verbessert. Ausnahmslos alle Probanden, die bereits im Frühjahr positiv aufgefallen sind, haben Verbesserungen vorgenommen.

 

Nur fünf Rechner haben die Testfälle gut überstanden

Doch nicht alle Veränderungen waren ausreichend. Gerade fünf Rechner haben die Testfälle vorbildlich und fehler- frei überstanden. Dies sind die Riester-Förderrechner vom AWD, Bundesversorgungswerk, LVM, R+V und Sparkasse Hildesheim.

Doch nicht nur die unterschiedlich falschen Förderprognosen lassen den Ratsuchenden bei den mangelhaften Rechnern verzweifeln, sondern bereits die unterschiedlichen Eingabe-Anforderungen irritieren den User. Einige Bei- spiele: Verweigert sich der eine Riester-Förderrechner, wenn bei Ehepaaren nur ein Verdiener existiert, so streikt der nächste bei Doppelverdienern.

Bei dem einen Rechner sind die Vornamen der Kinder einzugeben (Pflichteingabefeld) und im anderen Rechner reicht die Kinderanzahl. Viele Rechner verzichten auf Plausibilisierungen. So sind Eingaben als kinderlose Alleinerziehende ebenso möglich wie die von zwei mittelbar förderfähigen Ehepartnern. Ähnliches gilt für Hilfen. Meist fehlen sie dann, wenn sie besonders gebraucht werden.

So muss der Anwender manchmal selbst herausfinden, dass das nachgefragte Vorjahreseinkommen sich nur auf den rentenversicherungspflichtigen Einkommensanteil von 2008 bezieht, während die gleich formulierte Frage für 2009 alle einkommensteuerpflichtigen Einkünfte außer abgeltungsteuerpflichtigen Kapitalerträgen meint. Nicht selten dürften dem Probanden die Unterschiede auch nicht klar sein.

Nur wenige haben ihre Hilfen verbessert. Dazu gehört die Provinzial Nordwest und ist dabei noch vorbildlich.

Nahezu jeder denkbare Fehler ist zu finden Der mit Abstand häufigste Erhebungsfehler ist die mangelnde Unterscheidung zwischen den rentenversicherungspflichtigen Einkünften (wichtig für die Riester-Zulagenförderung) und den restlichen einkommensteuerpflichtigen Einkünften (wichtig für die Riester-Steuerförderung).

Nahezu jeder denkbare Fehler findet sich in irgendeinem Rechner wieder. Zu den Erhebungsfehlern gesellen sich dann auch noch Berechnungsfehler – etwa, dass Steuertabellen von 2007 (!) genutzt oder dass Lohnsteuerberechnungen durchgeführt werden, die bei Familien mit Kindern die Ergebnisse grundsätzlich verzerren.

Einige entziehen sich dieser Erhebungs- und Berechnungsproblematik, indem sie sich nur auf die Angaben zur Zulagenförderung beschränken (zum Beispiel Bausparkasse Mainz, Mannheimer Versicherungen, Provinzial Nordwest). Spätestens dann, wenn nur noch die Zulage des laufenden Jahres angezeigt wird, stellt sich die Frage nach der Sinnhaftigkeit des Rechners. Der Ratsuchende erwartet mehr als eine animierte Zulagentabelle.

 

Auskünfte oftmals äußerst dürftig

Daher sind nicht nur die Erhebungs- und Berechnungsgüte erschreckend, sondern oft auch der magere Umfang der Auskünfte. Drei von vier Rechnern beschränken sich darauf, Förderauskünfte für 2009 und gegebenenfalls 2010 zu geben. Verglichen mit einer Prämiendauer, die sich in Jahrzehnten bemisst, ist die alleinige Angabe zur Riester-Förderung im Jahr 2009 mehr als dürftig.

Dies scheinen auch einige Probanden gesehen zu haben. Als Ausweg haben sie die Riester-Förderungen in 2009 einfach in die Zukunft fortgeschrieben. Bei Kinderzulagen wird dann implizit oder gar explizit unterstellt, dass die Kinderzulagen des Jahres 2009 „auch im gesamten Betrachtungszeitraum gewährt werden“. Dies trifft aber nur für behinderte Kinder zu. Einige machen es geschickter – aber nicht wirklich richtig.

Sie reduzieren – nicht immer fehlerfrei – die zukünftige Zulagenförderung um die wegfallenden Kinderzulagen und erhöhen im gleichen Maß die Steuerförderung. Diese falschen Fortschreibungspraktiken lassen sich aber leicht entlarven. Und zwar: Gibt man die Daten eines ledigen, kinder- losen Riester-Förderfähigen ein und verändert sich die Steuerförderung des Jahres 2009 in den Folgejahren nicht, so demaskiert sich der Rechner als Täuschungsmanöver.

Dies geschieht bei den fünf Testsiegern nicht. Sie haben alle Testfälle für zukünftige Förderungen ohne Beanstandungen überstanden. Bei den anderen Rechnern fehlten entweder Auskünfte oder sie waren dramatisch falsch. Damit erfüllen gerade einmal zehn Prozent der überprüften Rechner die Erwartungen eines Ratsuchenden, der wissen will, wie hoch die Gesamt-Riesterförderung während der Vertragslaufzeit ist – möglichst im Vergleich zum Gesamt-Prämienaufwand.

Die unterschiedlichen Ergebnisse der Erhebungen sowie die dürftigen Auskünfte der Nicht-Testsieger lassen erhebliche Zweifel an der Kompetenz und an der Glaubwürdigkeit dieser Anbieter aufkommen. Ob derartig falsche Förderauskünfte der alleinige Grund für die gegenwärtige Abschlussflaute darstellen, darf bezweifelt werden. Aber dass sie die Flaute eher verstärken als überwinden helfen, ist unzweifelhaft. Insofern leisten die falschen Rechner der Altersvorsorge und ihrer stärkeren Nachfrage in Deutschland einen Bärendienst. Riester-Förderrechner unterscheiden sich aber nicht nur hinsichtlich Prognosegüte und Auskunftsumfang, sondern auch hinsichtlich ihrer Akquise-Unterstützung, die nicht zum Prüfungsumfang gehörte.

Hier brillieren erneut die Testsieger. Die Sparkasse Hildesheim ergänzt ihren Riester-Förderrechner um einen kompletten VorsorgeCheck des niedersächsischen Sparkassenverbandes, mit dem der Vorsorgebedarf erkannt werden kann. Viele Testsieger – wie die LVM oder der AWD – ergänzten die (vertragsgebundenen) Riester-Förderungen um weitere staatliche Steuerförderungen.

Für ein gutsituiertes Ehepaar wird bei der LVM deutlich wie hoch die Riester-Beiträge über die gesamte Laufzeit sein werden (121.800 Euro) und wie viel der Staat dazu beisteuert: an Zulagenförderung bescheidene circa 9.000 Euro und an Riester-Steuerförderung über 46.000 Euro. Hinzu kommen noch verblüffend hohe Steuerentlastungen durch das Alterseinkünftegesetz, wobei nur die zukünftigen Steuererleichterungen berücksichtigt sind, an die sich der Kunde noch nicht gewöhnt haben kann.

Die Steuerreformen der Konjunkturpakte I und II bringen weitere 16.000 Euro. Damit stehen fast 28.000 Euro an Steuerersparnissen zur Verfügung, wobei alle Riester-Prämien allein durch staatliche Förderungen finanziert wurden. Wäre hier bereits das Bürgerentlastungsgesetz berücksichtigt worden, so wäre der Geldbeutel mit unverbrauchten Investitionsmitten mit fast 100.000 Euro gefüllt.

 

Kunden investieren ungewollt in ihre Altersarmut

Die meisten der geprüften Riester-Förderrechner begnügen sich mit plumpen Hinweisen zur Zulagenförderung oder sogar zur Riester-Steuerförderung für 2009. Dies reduziert den Aufwand für die Programmierer von Riester-Förderrechnern. Aber es werden große Akquisechancen vergeben.

Das schadet nicht nur den Finanzdienstleistern, sondern erst recht dem Kunden. Unaufgeklärt verkonsumiert er die hohen staatlichen Steuerförderungen, die für den Aufbau seiner individuellen Vorsorge gedacht sind, und investiert ungewollt in seine Altersarmut.

 

Dr. Johannes Fiala und Dr. Wolfgang Drols

mit freundlicher Genehmigung von

 

www.versicherungsmagazin.de (veröffentlicht im Versicherungsmagazin, Ausgabe 10/2009, Seiten 44-47).

 

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Über den Autor

Dr. Johannes Fiala Dr. Johannes Fiala
PhD, MBA, MM

Dr. Johannes Fiala ist seit mehr als 25 Jahren als Jurist und Rechts­anwalt mit eigener Kanzlei in München tätig. Er beschäftigt sich unter anderem intensiv mit den Themen Immobilien­wirtschaft, Finanz­recht sowie Steuer- und Versicherungs­recht. Die zahl­reichen Stationen seines beruf­lichen Werde­gangs ermöglichen es ihm, für seine Mandanten ganz­heitlich beratend und im Streit­fall juristisch tätig zu werden.
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