Vom (Un-)Sinn einer Mietkautionsversicherung

Bürgschaften. Kosten, die durch Mietausfälle entstehen, sind oft erheblich. Zurzeit drängen Agenturen mit Kautionsversicherungen auf den Markt. Unter ihnen sind möglicherweise schwarze Schafe. Kautionsversicherungen (siehe Kasten Seite 60) sind im Moment in aller Munde.

 

„Der eigentliche Clou dabei ist“, so Peter Schramm, Sachverständiger für Versicherungsmathematik in Diethardt, „dass der Mieter eine Bonitätsprüfung durchläuft.

Für den Fall, dass er den Forderungen seines Vermieters nicht nachkommt, landet der Mieter in einer schwarzen Liste des Kautionsversicherers. Am Ende wird dieser Mieter in Zukunft niemals mehr eine Kautionsversicherung abschließen können, und wohl auch keinen Mietvertrag mehr erhalten.“

Der Streit „über die Sinnhaftigkeit solcher Produkte kann man streiten“, so Schramm.

„Was nutzt es dem Vermieter, wenn eine Bank die Kautionsbürgschaft übernimmt – und anschließend der Mieter bis zur kostenintensiven Räumung 18 Monate lang keine Miete zahlt? Dem Kreditinstitut ist die Bonität des Mieters letztendlich vollkommen egal, weil dieser den Kautionsbetrag auf einem Sperrkonto bei der Bank hinterlegt ist.“

Ein bonitätsschwacher Kunde, ein Mietnomade oder jemand, der als negativ bewertet in der Datei des Versicherers steht, erhält hingegen keine Versicherung mehr. Das erspart dem Vermieter die Kosten für eine Bonitätsprüfung, weil dies der Versicherer bereits bei Antragstellung mit übernimmt. Würde eine solche Geschäftspraxis zum Standard, säßen bald viele Mieter auf der Straße.“

 

Vorsicht:

„Fünf-Minuten-Bürgschaft“ Statt dem Vermieter die Kaution zu überweisen oder ein Sparbuch zu verpfänden, bieten Mieter ihrem Vermieter als Sicherheit immer öfter eine Bürgschaft an.

Tritt ein Schaden für den Vermieter ein, beispielsweise durch Mietausfall oder Beschädigung der Mieträume, hat die Versicherung für den Schaden bis zur Bürgschaftshöhe einzutreten.

Findige Geschäftemacher aus Starnberg gründeten einen Versicherungsvermittlervertrieb für Mietkautionsversicherungen per Internet und versprechen die „Fünf-Minuten-Bürgschaft.“ Die Starnberger Makler sind Vertriebspartner der AIG Europa Versicherungsgesellschaft.

Dieses wohlgehütete Geheimnis lüftete DIE WELT am 17. Dezember 2008 und fügte hinzu, dass sich der amerikanische Mutterkonzern der AIG Europa bereits seit Monaten in einer milliardenschweren Schieflage befindet. Die Gründer des Exklusiv-Maklervertriebs gaben ihrem Vermittlungsbüro den Namen „DKK Deutsche Kautionsgemeinschaft AG“ und sich selbst wohlklingende Vorstandstitel.

Die Deutsche Kautionsgemeinschaft peilt mit ihrer Kautionskasse bis zum Jahr 2012 einen Kundenstamm von etwa 1,1 Millionen Mietern an, was einem Versicherungsvolumen von rund 1,8 Milliarden Euro entspricht. Zur Umsetzung solcher hochgesteckten Ziele bedarf es zusätzlicher Vertriebspartner. Allerdings ist das Thema Mietkautionsversicherung ein ziemlich alter Hut.

Seit Jahren bieten Gesellschaft en in der Schweiz solche auch per Online-Anmeldung an. Matthias Walz, Verwaltungsrat der Deutschen Mietkaution Schweiz AG ist sich sicher, dass die Starnberger Kautionsvermittler diese Idee in der Schweiz abgekupfert haben. Dabei ist ein Vorstand der Deutsche Kautionsgemeinschaft AG, Christian Marchsreiter, offenbar kein unbeschriebenes Blatt.

Datenhandel? Schweizer Journalisten schildern, dass Marchsreiter über Jahre Gesellschaft er und Direktor einer in der Schweiz befindlichen offensichtlichen „Briefkastenfirma“ für Finanzgeschäft e war.

Auch wird ihm von ehemaligen Mitarbeitern Beihilfe beim Handel mit Personen- und Geschäftsdaten nachgesagt. Zeitgleich trug er als geschäftsführender Gesellschaft er eines Finanzdienstleistungsbüros für Sozialversicherungsprüfungen in München die unternehmerische Verantwortung. Die Staatsanwaltschaft in München ermittelt gegen Marchsreiter wegen Verdachtsmomenten aus dem Bereich

Vermögens- und Steuerdelikte. Mit der Liquidation beider Unternehmen hinterließ der gescheiterte Jungunternehmer eine Heerschar von Beratern, Vermittlern und Geschäftspartnern, die sich allesamt geschädigt fühlen.

 

Merkwürdigkeiten

Ein solventer Mieter hat keine Probleme, eine Kaution zu hinterlegen, lautet die einhellige Meinung von Experten. Die Vermutungen bei solchen Vertriebsmodellen gehen sogar so weit, dass es nicht allein um das Versichern von Mietkautionen geht, sondern auch um eine Generierung und Verwertung sensibler Kunden- und Kreditdaten.

Für diese Vermutung spricht, dass auf der Internet-Seite des Anbieters unter „Geldvorteil berechnen“ die Interessenten nicht selbst eine Berechnung möglicher Kosten durchführen können, sondern zunächst ihre persönlichen Daten preisgeben müssen. Es drängt sich die Frage auf, welcher Mieter neben einer 50-Euro-Vertragsabschlussgebühr, einer jährlichen Kontoführungsgebühr von zehn Euro (ab zweitem Vertragsjahr) auch noch jährliche Versicherungsprämien in Höhe von fünf Prozent der verbürgten Mietkautionssumme über einen unbedeutenden Versicherungsvertrieb zahlen sollte und dazu noch freiwillig auf seine Verzinsung aus einem Mietkautionskonto verzichtet.

Eine Beispielrechnung zeigt, dass für 2.400 Euro geforderte Kautionssumme innerhalb von fünf Jahren 600 Euro Gebühren zu bezahlen sind.

 

Rechtliche Bedenken

Den Münchner Rechtsanwalt Dr. Johannes Fiala überkommen bei derartigen Geschäftsmodellen rechtliche Bedenken:

„Mit der letzten Mietrechtsreform gilt seit dem 1. September 2001 die Regelung, dass der Vermieter festlegt, ob ihm eine Bürgschaft ausreicht oder nicht.

Bei einer Barkaution oder einem verpfändeten Sparbuch erhöht sich durch den Zinseszins das angesparte Vermögen und damit auch die Sicherheitsleistung. Überdies halte ich Kosten in Höhe von fünf Prozent plus X für überteuert, möglicherweise wucherisch. Die üblichen Kosten bei Banken liegen im Schwerpunkt zwischen 0,5 und 3,0 Prozent der Bürgschaftssumme, gegebenenfalls plus einer Bearbeitungsgebühr.

Üblicherweise verlangt jede seriöse Bank entsprechende Sicherheiten beziehungsweise eine tadellose Bonität vom Mieter, etwa in Form von Wertpapieren oder einwandfreier Auskünfte zur Kreditwürdigkeit. Ob solche Anbieter im Schadensfall zahlungsfähig sein werden, steht in den Sternen“, warnt der Münchner Jurist.

Bei gewerblichen Mietverhältnissen sind Bankbürgschaft en als Mietsicherheit eine der häufigsten Kautionsformen. Aber auch in Wohnraummietverhältnissen sind solche Bürgschaft en üblich. Nachteil der Bankbürgschaft ist, dass der Kautionsbetrag keine Zinsen beziehungsweise Erträge erwirtschaftet.

An entsprechenden Erträgen sollten aber sowohl Vermieter als auch Mieter interessiert sein. Für den Vermieter ist das wichtig, damit der bei Mietvertragsabschluss vereinbarte Kautionsbetrag wächst beziehungsweise den Wert behält, und für den Mieter ist die entsprechende Verzinsung wichtig, weil er bei Vertragsende die Mietsicherheit mit Zins und Zinseszins zurückerhält.

Es gibt keine Vorgabe, wonach Mietkautionen anzulegen sind. Selbstverständlich – und das ist die Regel – kann die Mietkaution auch auf einem Tagesgeld- oder Festgeldkonto angelegt werden.

Aus Sicht des Deutschen Mieterbunds bietet das Modell der „Online-Bürgschaft “ weder wirklich Neues noch erscheint es sinnvoll für Mieter und Vermieter, auf diese Variante zurückzugreifen.

 

Risiken

Es braucht in unseren Zeiten nicht viel Fantasie, sich zu überlegen, was (unbekannte) Bürgschaft s-Anbieter mit den im großen Stil gewonnenen sensiblen Kunden- und Bankdaten, die im Rahmen einer Bonitätsprüfung erhoben werden, alles anstellen können. Banken verlangen in der Regel für eine Kautionsbürgschaft die Hinterlegung des Kautionsbetrags. In diesem Fall kann jeder Mieter – auch jeder Mietnomade – mit sonst noch so schlechter Bonität eine Bürgschaft erhalten.

Der Vermieter riskiert dabei, dass der Mieter bis zur Zwangsräumung die Miete schuldig bleibt und die Bürgschaft gerade mal einen Teil der Rechtsanwalts und Gerichtskosten deckt. Kautionsversicherer dagegen prüfen mit den gesammelten sensiblen Daten die Bonität des Mieters und lehnen gegebenenfalls den Versicherungsantrag ab, weil sie selbst das Risiko tragen, für den zahlungsunwilligen Mieter in Anspruch genommen zu werden.

Dann erkennt auch der Vermieter, woran er ist, ohne selbst den Aufwand einer Bonitätsprüfung des Mieters treiben zu müssen. Für den Vermieter ergeben sich also durchaus auch Vorteile. Ein Mieter wird es sich zweimal überlegen, ob er es riskieren möchte, in einer Negativliste der Versicherung zu landen. Wenn er der Versicherung den Schaden nicht ersetzt, dann erfährt auch die Schufa davon.

„Die Werbebotschaft, dass auch schon bei bestehenden Mietsicherheiten, also eingezahlten Mietkautionen, auf das Online-Bürgschaftsmodell gewechselt werden kann, ist schlicht falsch“, warnt Ulrich Ropertz, Sprecher des Deutschen Mieterbunds e.V. in Berlin. „Dies ist immer nur dann möglich, wenn Mieter und Vermieter ihre ursprünglich getroffene Vereinbarung im gegenseitigen Einverständnis ändern. Praktisch ist also ein neuer Vertrag zwischen Mieter und Vermieter notwendig.“

Das Fazit aus Berlin: „Viel heiße Luft und keine ersichtlichen Vorteile für die Vertragsparteien.“

Dem Sprecher des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands, Stefan Marotzke, ist das Thema „Mietkautions- Ersatz“ vom Prinzip her nichts Neues.

In der Sparkassen-Finanzgruppe ist der Gebrauch von Bürgschaft en als „Mietkautions- Ersatz“ eher nur in Ausnahmefälle gebräuchlich. Standardmäßig erfolgt durch die Sparkassen das Angebot von Mietkautionssparbüchern an Privatkunden.

Inzwischen sehr selten sind auch Bürgschaft oder Garantie eines Kreditinstituts, so genannte Mietavale, welche zur Sicherung der Ansprüche eines Dritten gegeben werden. Avale werden nur an Kunden mit guter Bonität vergeben, um das Risiko zu begrenzen.

„Ich gehe davon aus“, so Eckhard Bachmann, Justiziar des Bundesverbands deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GdW) in Berlin, „das die dem GdW angeschlossenen Wohnungsgesellschaft en meist Mietsicherheiten in Form von Barkautionen oder Sparbüchern weiterhin bevorzugen werden. Bei Mietbürgschaft en können die Wohnungsunternehmen im Hinblick auf die Bonität des Bürgen nicht so sicher sein, wie bei den üblichen Kautionsformen.“

 

Fazit

Der Münchner Rechtsanwalt Dr. Fiala rät Mietern und Vermietern besonders darauf zu achten, dass eine Kaution möglichst gut und sicher angelegt wird. Dann kostet diese Sicherheitsleistung keine „bis zu fünf Prozent“ Gebühren pro Jahr, sondern wirft noch entsprechende Kapitalmarktzinsen ab, wovon alle Mietvertragspartner profitieren. Bei Vertragsbeendigung

– wenn alles nach Plan verläuft

– wird die Mietkaution dem Mieter nebst Zins- und Zinseszins zurückgezahlt.

Die bei Kautionsbürgschaftsmodellen gezahlten Gebühren und Versicherungsprämien hingegen sind für den Mieter verloren. Auch kann eine Mietkaution eine strenge Bonitätsprüfung durch den Vermieter niemals ersetzen.

 

von Dr. Johannes Fiala  und Dipl.-Math. Peter A. Schramm

 

mit freundlicher Genehmigung von

www.immobilienwirtschaft.de (veröffentlicht in Immobilien Wirtschaft 02.2009, Seite 58-60)

und

www.experten.de (veröffentlicht im Experten Report 01/2009, Seite 22-25 unter der Überschrift: Mietkautionsversicherung: Sinn oder Unsinn?)

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Über den Autor

Dr. Johannes Fiala Dr. Johannes Fiala
PhD, MBA, MM

Dr. Johannes Fiala ist seit mehr als 25 Jahren als Jurist und Rechts­anwalt mit eigener Kanzlei in München tätig. Er beschäftigt sich unter anderem intensiv mit den Themen Immobilien­wirtschaft, Finanz­recht sowie Steuer- und Versicherungs­recht. Die zahl­reichen Stationen seines beruf­lichen Werde­gangs ermöglichen es ihm, für seine Mandanten ganz­heitlich beratend und im Streit­fall juristisch tätig zu werden.
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