Verjährung anwaltlicher Haftungsansprüche – Fristen, Rechte und Praxisbeispiele

Einleitung: Stellen Sie sich vor, Ihr Anwalt hat einen gravierenden Fehler gemacht – etwa eine wichtige Klagefrist versäumt oder Sie falsch beraten. Sie sind enttäuscht und verärgert, erwarten natürlich Schadensersatz. Doch viele Mandanten wissen nicht: Auch Ansprüche gegen den eigenen Anwalt verjähren, und zwar oft schneller als gedacht. Wenn Sie zu lange warten, kann es passieren, dass Ihr berechtigter Anspruch nicht mehr durchsetzbar ist. In diesem Artikel erklären wir laienverständlich und juristisch präzise, wann anwaltliche Haftungsansprüche verjähren (Stichwort “anwaltshaftung verjährung”), wie die Fristen berechnet werden und was Mandanten tun können, um ihre Rechte zu sichern. Dabei beleuchten wir die gesetzlichen Grundlagen (§§ 195, 199 BGB), Sonderfälle wie arglistiges Verhalten des Anwalts und relevante Rechtsprechung (u. a. BGH). Praxisnahe Beispiele und Tipps zeigen, worauf Sie achten müssen, damit Ihr Anspruch auf Schadensersatz gegen den Anwalt nicht untergeht.

Was bedeutet Verjährung bei Anwaltshaftung?

Unter Verjährung versteht man den rechtlichen Umstand, dass ein Anspruch nach Ablauf einer bestimmten Frist nicht mehr gerichtlich durchsetzbar ist. Materiell-rechtlich besteht der Anspruch zwar weiterhin – der Anwalt schuldet Ihnen also prinzipiell noch Schadensersatz –, prozessual kann der Anwalt sich jedoch auf die Verjährung berufen (sogenannte Einrede der Verjährung). Erhebt der Anwalt diese Einrede im Prozess, wird Ihre Klage abgewiesen, und Sie gehen leer aus. Das Gericht prüft die Verjährung nicht von Amts wegen, sondern nur, wenn der Anwalt sie einwendet. Wichtig: Nach Eintritt der Verjährung muss der Schuldner (hier also der Anwalt oder seine Versicherung) nicht mehr zahlen – freiwillig darf er zwar noch zahlen, aber das wird in der Praxis kaum vorkommen. Deshalb ist es für Sie als Mandant entscheidend, die Verjährungsfristen im Blick zu behalten.

Warum gibt es überhaupt Verjährungsfristen? Verjährung dient der Rechtssicherheit und dem Rechtsfrieden. Nach Ablauf einer gewissen Zeit soll Schluss sein: Beweismittel gehen verloren, Erinnerungen verblassen, und niemand soll ewig in Unsicherheit über mögliche Ansprüche leben müssen. Für Anwaltshaftungsansprüche gelten hierbei die allgemeinen Verjährungsregeln des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Es gibt keine Sonderfrist mehr nach der Bundesrechtsanwaltsordnung – früher gab es mal § 51b BRAO a.F., der eine kurze kenntnisunabhängige Frist von 3 Jahren vorsah, was oft zu frühen Verjährungen führte. Heute jedoch unterliegen Schadensersatzansprüche gegen den Rechtsanwalt der regelmäßigen Verjährungsfrist nach § 195 BGB von drei Jahren. Allerdings beginnt diese Frist nicht einfach ab Fehlerdatum zu laufen, sondern es gelten besondere Regeln für Fristbeginn und Höchstfristen, die wir gleich erläutern.

Regelmäßige Verjährungsfrist: Drei Jahre ab Kenntnis

Die reguläre Verjährungsfrist beträgt 3 Jahre (§ 195 BGB). Diese drei Jahre beginnen jedoch nicht sofort mit dem Anwaltspflichtverstoß, sondern erst mit Ende desjenigen Kalenderjahres, in dem zwei Voraussetzungen erfüllt sind:

  1. Anspruchsentstehung: Der Schadensersatzanspruch muss entstanden sein, d.h. es muss ein Schaden beim Mandanten eingetreten sein. Es reicht, dass sich seine Vermögenslage durch den Anwaltsfehler verschlechtert hat, selbst wenn die genaue Schadenshöhe noch nicht feststeht. Mit anderen Worten: Der Mandant muss endgültig einen Nachteil erlitten haben (BGH, Urteil vom 29.10.2020 – IX ZR 10/20 bestätigt diese Grundsätze). Nach der sogenannten “Risiko-Schaden-Formel” der Rechtsprechung liegt ein Schaden spätestens dann vor, wenn zumindest ein Teil des Schadens endgültig und irreversibel entstanden ist. Beispielsweise ist ein Schaden entstanden, wenn ein Prozess unwiderruflich verloren wurde oder Rechtsmittel verwirklicht sind – etwa weil die Berufungsfrist durch Anwaltsverschulden ablief.
  2. Kenntnis: Der Mandant muss Kenntnis von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners (des Anwalts) erlangt haben, § 199 Abs. 1 BGB. Wichtig: Es genügt nicht, dass der Mandant lediglich merkt, dass er den Prozess verloren hat oder ihm ein Nachteil entstanden ist. Er muss vielmehr erkennen (oder grob fahrlässig verkennen), dass ein Fehler des Anwalts ursächlich für seinen Schaden war. Solange der Mandant keine Anhaltspunkte dafür hat, dass sein Anwalt pflichtwidrig gehandelt hat, läuft die Verjährungsfrist nicht an.

Die Frist beginnt dann am 31. Dezember des Jahres, in dem beide genannten Bedingungen vorliegen. Ab diesem Jahresende zählt man drei Jahre. Der Anspruch verjährt mit Ablauf des letzten Tages des dritten Jahres um 24:00 Uhr.

Beispiel: Ihr Anwalt reicht Ihre Klage schuldhaft zu spät ein. Dadurch verlieren Sie am 10. Januar 2021 den Prozess erstinstanzlich. Eine Berufung läuft noch bis Ende 2022, wird aber zurückgewiesen; das Berufungsurteil geht Ihrem Anwalt am 21. Dezember 2022 zu. Erst am 2. Januar 2023 informiert der Anwalt Sie darüber, dass keine weiteren Rechtsmittel möglich sind – damit erkennen Sie erstmals, dass ein Anwaltsfehler zu Ihrem Rechtsverlust führte. Verjährungsbeginn: Ende 2023 (weil in 2023 die Kenntnis vorlag). Verjährungsende: 3 Jahre gerechnet ab 31.12.2023, also mit Ablauf 31. Dezember 2026. Würden Sie erst 2024 von dem Fehler erfahren, liefe die Frist entsprechend erst Ende 2024 bis Ende 2027.

Im Normalfall – etwa wenn der Mandant den Fehler sofort bemerkt – bedeutet das Schema: „Fehlerjahr + Kenntnis“ führt zu Fristbeginn am Jahresende, dann drei volle Jahre Zeit. Beispiel: Der Anwalt hat im Juni 2022 falsch beraten und Sie bemerken den Fehler noch 2022. Fristbeginn ist am 31.12.2022, Verjährung tritt mit Ablauf des 31.12.2025 ein.

Was aber, wenn Sie den Fehler nicht sofort bemerken? Hier schützt Sie die Kenntnisregel: Die Uhr tickt erst, wenn Sie den Anwaltspflichtverstoß erkannt haben (bzw. hätten erkennen müssen). Es kommt auf Ihre tatsächliche Wissenslage an. Dabei ist nicht jede Kenntnis des negativen Ergebnisses gleich Kenntnis eines Anwaltsfehlers. Beispiel: Wenn Sie im Urteil lesen, dass Ihre Klage als verspätet abgewiesen wurde, haben Sie zwar Kenntnis vom Misserfolg, aber noch nicht zwingend vom Verschulden des Anwalts. Vertraut der Mandant seinem Anwalt noch und dieser versichert ihm vielleicht, das Urteil sei falsch und man lege Rechtsmittel ein, dann nimmt die Rechtsprechung keine ausreichende Kenntnis des Mandanten an. Der Bundesgerichtshof (BGH) stellte klar, dass das Vertrauen des Mandanten in den Anwalt während eines laufenden Mandats über eventuelle Zweifel gestellt wird. Solange der Anwalt den Fehler bestreitet oder weitere Schritte unternimmt und der Mandant ihm glaubt, fehlt es an der erforderlichen Kenntnis. Die Verjährungsfrist beginnt in solchen Fällen (noch) nicht zu laufen.

Erst wenn für den Mandanten deutlich wird, dass sein Anwalt ihn mangelhaft vertreten hat, und er diese Fehlleistung als Ursache seines Schadens erkennt, ist die Kenntnis im Sinne des Gesetzes gegeben. Praktisch erfolgt das oft, wenn ein unabhängiger Dritter (z.B. ein anderer Anwalt) Sie auf den Fehler hinweist oder wenn der eigene Anwalt offen den Fehler eingesteht.

Sonderfall: Arglistiges Verhalten des Anwalts

Was ist, wenn der Anwalt den Fehler absichtlich vor Ihnen verheimlicht (arglistig verschweigt), um die Zeit verstreichen zu lassen? In einem solchen Fall greift ebenfalls die oben erläuterte Kenntnisregel: Solange der Mandant durch die Arglist des Anwalts keine Kenntnis erlangt, läuft die Frist nicht an. Allerdings schützt Arglist nicht unbegrenzt: Die absolute Höchstfrist (dazu gleich mehr) sorgt dafür, dass spätestens nach 10 Jahren Schluss ist – selbst wenn der Anwalt den Fehler perfekt verborgen hat. Beispiel: Ihr Anwalt weiß, dass er einen groben Fehler gemacht hat, und rät Ihnen jahrelang, „nichts zu unternehmen“ oder beschwichtigt Sie mit Ausreden. Hierdurch haben Sie zunächst keine Kenntnis. Die 3-Jahres-Frist beginnt erst, wenn Sie den Betrug/Fehler entdecken (z.B. durch einen anderen Juristen oder einen eindeutigen Hinweis). Aber: Unabhängig davon erlischt der Anspruch nach 10 Jahren ab Entstehung des Schadens (siehe unten Absolute Verjährung). Das heißt, Arglist kann die Verjährung hinausschieben, aber nicht unbegrenzt aushebeln. Nach aktueller Rechtslage gibt es – anders als früher – keine “zweite” Verjährungsfrist (Sekundärhaftung) mehr, die neu zu laufen beginnt, falls der Anwalt Sie nicht rechtzeitig über seinen Fehler aufklärt. Früher nahm die Rechtsprechung an, ein Anwalt habe eine Nebenpflicht, den Mandanten vor Fristablauf auf seinen Fehler hinzuweisen, und wenn er das unterließ, hafte er nochmals (Sekundäranspruch) und könne sich nicht auf Verjährung berufen. Diese Konstruktion ist seit der Verjährungsrechtsreform von 2002/2004 obsolet. Jetzt gilt: Kenntnisprinzip und 10-Jahres-Höchstfrist – wer arglistig täuscht, verzögert nur den Fristbeginn, aber rettet sich nicht dauerhaft.

Absolute Verjährung nach zehn Jahren (Höchstfristen)

Neben der „normativen“ Dreijahresfrist ab Kenntnis sieht das Gesetz eine absolute Verjährungsgrenze vor. § 199 Abs. 4 BGB bestimmt, dass Ansprüche – unabhängig von der Kenntnis – spätestens 10 Jahre nach ihrer Entstehung verjähren. Diese zehnjährige Höchstfrist beginnt mit dem Tag, an dem der Anspruch entsteht (Schadenseintritt) und läuft taggenau, nicht erst ab Jahresende.

  • Für unseren obigen Beispiel-Fall (Fehler 2021, Schaden erkennbar spätestens mit abgeschlossenem Prozess 2022) würde das bedeuten: Taggenaue 10-Jahres-Frist ab Eintritt des Schadens. Wenn man annimmt, dass der Schaden spätestens am 21.12.2022 (Zustellung des Berufungsurteils) entstanden war, dann wäre am 21.12.2032 endgültig Schluss – selbst wenn der Mandant bis dahin nichts vom Fehler wusste. In unserem Beispiel lag die Kenntnis 2023 vor, also griff ohnehin die 3-Jahresfrist bis Ende 2026. Hätte der Mandant den Fehler aber erst z.B. 2030 entdeckt, könnte er sich trotzdem nicht mehr auf Unkenntnis berufen, da 10 Jahre nach 2022 (also Ende 2032) abgelaufen wären. Anders gesagt: Nach zehn Jahren ist der Anspruch verjährt, egal wann Sie es erfahren haben.
  • Umgekehrt kann es Fälle geben, in denen die Kenntnis wesentlich später eintritt und dadurch die dreijährige Frist sehr spät beginnt – doch die 10-Jahres-Grenze deckelt das Ganze. Beispielsweise ein Anwaltsfehler von 2015, den Sie erst 2024 entdecken: In der Theorie würde die 3-Jahresfrist erst Ende 2024 beginnen und Ende 2027 enden. Aber da der Schaden schon 2015 entstand, wäre spätestens 2025 (10 Jahre ab 2015) Schluss – Ihr Anspruch wäre also bereits vor Ablauf der drei Jahre aus Kenntnis verjährt.

 

Besondere Ausnahmefälle (30 Jahre): In bestimmten schweren Fällen sieht das Gesetz sogar 30 Jahre Verjährungsfrist vor – nämlich für Schadensersatzansprüche wegen Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit oder der Freiheit (§ 199 Abs. 2 BGB). Diese beginnen ebenfalls ab Ereignistag und laufen taggenau. Für typische Anwaltshaftung (meist Vermögensschäden) spielen 30 Jahre jedoch kaum eine Rolle. Denkbar wäre dies zum Beispiel, wenn durch einen Anwaltsfehler jemand unrechtmäßig inhaftiert wurde oder Gesundheitsschäden erlitten hat – hier würde die längere Frist greifen. Im Normalfall von Vermögensschäden durch falsche Beratung oder Fristversäumnis bleibt es bei 3 Jahren (subjektiv) bzw. 10 Jahren (objektiv).

Verjährungsfristen im Überblick

Zur Klarstellung fassen wir die wichtigsten Fristen und Startzeitpunkte in einer Tabelle zusammen:

Art des Anspruchs

Verjährungsfrist

Fristbeginn und Lauf

Schadensersatz gegen Anwalt (vertraglich oder gesetzlich)

3 Jahre (Regelverjährung nach § 195 BGB)

Ab Ende des Jahres, in dem Anspruch entsteht und Mandant Kenntnis vom Anwaltsfehler hat (oder grob fahrlässige Unkenntnis) – § 199 Abs. 1 BGB.

Absolute Höchstfrist (alle Ansprüche)

10 Jahre (kenntnisunabhängig)

Ab Schadenseintritt (Anspruchsentstehung) – läuft taggenau ab Ereignistag, unabhängig von Kenntnis (§ 199 Abs. 4 BGB).

Besondere Fälle: z.B. Schadensersatz bei Körperverletzung, Gesundheits- oder Freiheitsverletzung durch Anwalt

30 Jahre (kenntnisunabhängig)

Ab Ereignisdatum (z.B. Tag der Verletzung) – taggenau, unabhängig von Kenntnis (§ 199 Abs. 2 BGB). Für reine Vermögensschäden nicht relevant.

Hinweis: Arglistiges Verschweigen eines Fehlers durch den Anwalt beeinflusst den Fristbeginn (Kenntnis tritt später ein), aber ändert nichts an der 10-Jahres-Höchstgrenze.

Wichtige BGH-Entscheidungen zur Verjährung von Anwaltshaftung

Die Rechtsprechung – allen voran der Bundesgerichtshof (BGH) – hat in den letzten Jahren einige Leitlinien zur Verjährung von Anwaltshaftungsansprüchen formuliert. Hier ein kurzer Überblick wichtiger Punkte:

  • Kenntnis und fortlaufendes Mandat: Wie oben erwähnt, hat der BGH entschieden, dass ein Mandant im laufenden Verfahren keine Kenntnis vom Anwaltsfehler hat, solange der Anwalt ihn überzeugt, dass noch nichts verloren ist. Selbst wenn ein Gericht in erster Instanz etwa die Klage wegen Verjährung abweist oder einen Vortrag als verspätet zurückweist – solange der Anwalt dem Mandanten plausibel zur Weiterführung rät (z.B. Berufung einlegen) und keinen Fehler eingesteht, fehlt es an der Kenntnis (BGH, Beschl. v. 21.11.2013 – IX ZR 47/13, AnwBl 2014, 359). Diese kundenfreundliche Betrachtung verzögert den Verjährungsbeginn oft erheblich.
  • Kenntnis durch Dritte: Hat der Mandant einen neuen Anwalt, der das alte Verfahren prüft, oder äußert z.B. ein Gericht eindeutig, dass ein Fehler des Anwalts vorliegt, erlangt der Mandant in der Regel Kenntnis. Aber: Der BGH lässt sogar eine gerichtliche Feststellung im ersten Verfahren nicht genügen, wenn der alte Anwalt dem Mandanten gegenüber weiter behauptet, das sei falsch und anfechtbar. Erst wenn der Mandant selbst dem alten Anwalt nicht mehr vertraut oder objektiv klar ist, dass dessen Handeln nicht mehr zu retten ist, wird Kenntnis bejaht.
  • „Aufforderung an den Anwalt zur Schadensmeldung = Kenntnis“: In einer neueren Entscheidung hat der BGH jedoch klargestellt, dass spätestens dann Kenntnis vorliegt, wenn der Mandant seinen Anwalt auffordert, den Fehler dem Haftpflichtversicherer zu melden. BGH, Urteil vom 29. Oktober 2020 (IX ZR 10/20): In dem Fall hatte der Mandant dem Anwalt bereits geschrieben, er möge seine Berufshaftpflichtversicherung informieren. Der BGH sah darin ein klares Indiz, dass der Mandant sich des Anwaltsfehlers bewusst war – ab diesem Zeitpunkt begann also die 3-Jahresfrist. Praxistipp: Mandanten sollten sich daher bewusst sein, dass solche Äußerungen oder schriftlichen Aufforderungen später als Kenntnisstand gewertet werden können. Wenn Sie Ihren Anwalt direkt mit einem Vermögensschaden konfrontieren, gehen Gerichte davon aus, dass Sie den Haftungsanspruch erkannt haben – die Verjährungsuhr läuft.
  • Entfallen der Sekundärhaftung: Früher konnte ein Anwalt, der seinen Fehler verschwieg, sich nicht auf Verjährung berufen – man sprach vom Sekundäranspruch (Verletzung der Aufklärungspflicht). Diese Rechtsprechung hat der BGH aufgegeben, seit die Verjährung ohnehin erst mit Kenntnis beginnt. Ein separater „zweiter“ Anspruch wegen unterlassener Aufklärung wird heute nicht mehr anerkannt, weil § 199 Abs. 1 BGB den Mandanten schon ausreichend schützt. Wichtig ist nur, die absolute Frist nicht aus den Augen zu verlieren.
  • Schaden bereits bei erster Instanz? Oft stellt sich die Frage, ob der Schaden (Anspruchsentstehung) bei einem Anwaltsfehler schon mit einem verlorenen ersten Prozess gegeben ist oder erst nach endgültigem Scheitern aller Instanzen. Hier hat der BGH die „Risiko-Schaden-Formel“ etabliert: Ein Schaden liegt vor, sobald eine negative Auswirkungen endgültig feststeht. Beispiel: Ihr Anwalt verpasst die Klagefrist, wodurch der Anspruch prozessual verloren geht – dieser Schaden ist sofort da (Rechtsverlust), auch wenn man theoretisch noch über eine Wiedereinsetzung nachdenken könnte. Es muss nicht abgewartet werden, ob vielleicht doch noch etwas zu retten ist. Allerdings: In vielen Fällen wird der Mandant erst nach Abschluss aller Instanzen wirklich realisieren, dass nichts mehr zu machen ist – was wieder zur Kenntnisfrage führt.

Zusammengefasst betont die Rechtsprechung: Auf die Kenntnis kommt es an – aber Mandanten dürfen nicht ewig im Unklaren gelassen werden, da spätestens nach 10 Jahren jede Haftung endet. Zudem sollten Mandanten frühzeitig eigenständig tätig werden, wenn Zweifel an der Fehlerlosigkeit des Anwalts bestehen.

Praxisbeispiele: Wann droht Verjährung?

Anhand einiger praxisnaher Beispiele wollen wir verdeutlichen, wie schnell Verjährung eintreten kann – und worauf Sie achten sollten:

  • Beispiel 1: Fristversäumnis und sofortige Kenntnis. Eine Anwältin lässt eine Berufungsfrist verstreichen. Das Oberlandesgericht verwirft die Berufung am 15. Juli 2022 als unzulässig. Sie als Mandant erfahren noch im Juli 2022 durch das Gericht, dass die Frist schuldhaft versäumt wurde (die Anwältin gesteht den Fehler sofort ein). Verjährung: Anspruch entstanden 15.07.2022 und Kenntnis noch 2022 – Fristbeginn 31.12.2022, Verjährung bis 31.12.2025. Sie haben also bis Ende 2025 Zeit, Ihren Schadensersatzanspruch geltend zu machen.
  • Beispiel 2: Fehler bemerkt nach dem Urteil. Ihr Anwalt riet Ihnen 2020 zu einer aussichtslosen Klage, die Sie verloren haben. Erst als Sie 2023 einen neuen Anwalt konsultieren, wird klar, dass schon die Beratung 2020 fehlerhaft war (z.B. hat der alte Anwalt wichtige Beweise nicht erhoben). Verjährung: Der Schaden (verlorener Prozess, Kosten) entstand 2021 mit Rechtskraft des Urteils, Kenntnis erst 2023 durch den neuen Anwalt – Fristbeginn 31.12.2023, Verjährung mit 31.12.2026. Achtung: Hier greift die 10-Jahres-Höchstfrist ab 2021 – spätestens Ende 2031 wäre Schluss gewesen. Sie liegen mit 2026 darunter, also kein Problem. Hätten Sie den Fehler aber erst 2032 bemerkt, könnten Sie nichts mehr fordern, weil zehn Jahre nach 2021 bereits verstrichen wären.
  • Beispiel 3: Anwalt verschweigt Fehler, Mandant ahnt lange nichts. 2018 versäumt Ihr Anwalt, gegen einen Mahnbescheid rechtzeitig Einspruch einzulegen – ein Vollstreckungsbescheid ergeht, Sie erfahren jedoch nichts davon, weil die Korrespondenz falsch lief. Ihr Anwalt “bereinigt” den Vorgang nicht und Sie merken erst 2022 durch einen Zufall (Kontopfändung), dass da etwas schiefging. Verjährung: Schaden entstanden 2018 (Titel gegen Sie), Kenntnis 2022 – Fristbeginn 31.12.2022, Verjährung bis 31.12.2025. Die 10-Jahresfrist wäre hier 2028, spielt aber keine Rolle, da Sie die Kenntnis schon 2022 erlangt haben. Wichtig: Obwohl der Anwalt den Fehler arglistig verborgen hat, zählt am Ende der Tag, an dem Sie es tatsächlich erfahren haben (2022). Sie sollten jetzt nicht weiter zögern, sonst sind schon Ende 2025 Ihre Ansprüche weg.
  • Beispiel 4: Kettenreaktion (Regresskette). Sie beauftragen Anwalt A mit einem Fall; er macht 2019 einen Fehler. 2021 mandatieren Sie Anwalt B, um gegen A vorzugehen. B prüft den Fall jedoch schlampig und versäumt selbst die Verjährungsfrist gegen A, die Ende 2022 ablief. Erst 2023 stellt sich heraus, dass B den Anspruch gegen A verpasst hat. Ergebnis: Ihr ursprünglicher Anspruch gegen A ist nun verjährt – aber Sie haben einen neuen Anspruch gegen Anwalt B wegen dessen Fehler (Versäumnis der Verjährungsfrist). So etwas nennt man eine Regresskette: ein Anwaltsfehler führt zum nächsten. In der Praxis kommen solche Fälle vor, weshalb es umso wichtiger ist, von Anfang an die Fristen im Auge zu behalten. Gegen Anwalt B läuft nun wiederum die Verjährungsuhr (3 Jahre ab Kenntnis 2023, also voraussichtlich bis Ende 2026). Dieses Beispiel zeigt drastisch: Wer zu lange wartet oder sich erneut falsch beraten lässt, riskiert seine Ansprüche.

Tipps für Mandanten: Wie Sie Ihre Rechte sichern

Wenn Sie den Verdacht haben, dass Ihr Anwalt einen Fehler begangen hat, sollten Sie umgehend aktiv werden, um Ihre Ansprüche zu sichern. Folgende Schritte und Tipps helfen, eine Verjährung zu verhindern:

  • 1️⃣ Zweitmeinung einholen: Zögern Sie nicht, sich bei einem anderen, unabhängigen Anwalt beraten zu lassen, sobald Ihnen ein Fehler auffällt oder Sie ein ungutes Gefühl haben. Eine schnelle Überprüfung der Sachlage durch einen Fachmann kann bestätigen, ob tatsächlich ein Haftungsanspruch besteht. Gleichzeitig erfahren Sie, bis wann Sie diesen geltend machen müssen. Je früher Sie Gewissheit haben, desto besser – denn die Verjährungsfrist könnte bereits laufen.
  • 2️⃣ Dokumentation & Beweissicherung: Sammeln Sie alle relevanten Unterlagen aus dem ursprünglichen Mandat. Dazu gehören Schriftwechsel, E-Mails, das Urteil/der Bescheid, aus dem sich der Fehler ergibt, sowie etwaige interne Vermerke. Notieren Sie zeitlich genau, wann Sie von welchem Umstand erfahren haben (z.B. Datum eines Gerichtsschreibens oder der Mitteilung des Anwalts über den Misserfolg). Diese Informationen können später wichtig sein, um den Zeitpunkt der Kenntnis nachzuweisen oder einzuordnen. Dokumentieren Sie auch Ihre Kommunikation mit dem (Ex-)Anwalt – insbesondere, falls er Ihnen gegenüber den Fehler einräumt oder auch abstreitet.
  • 3️⃣ Verjährungsfrist berechnen (lassen): Lassen Sie von Ihrem neuen Anwalt konkret berechnen, bis wann der Anspruch spätestens verjährt. Berücksichtigt werden müssen: das Jahr des Schadenseintritts, das Jahr der Kenntniserlangung und die 10-Jahres-Höchstfrist. Diese Berechnung kann knifflig sein, daher lieber vom Profi bestätigen lassen. Achtung: Wie oben erläutert, endet die Frist am Jahresende der Dreijahresfrist – viele Ansprüche verjähren also am 31. Dezember eines Jahres. Dieses Datum sollten Sie rot im Kalender markieren.
  • 4️⃣ Anspruch rechtzeitig geltend machen: Haben Sie Klarheit über die Frist, warten Sie nicht bis zum letzten Moment. Erheben Sie rechtzeitig Anspruch – das kann außergerichtlich oder gerichtlich geschehen. Oft empfiehlt es sich, schriftlich vom Anwalt Schadensersatz zu fordern und eine angemessene Frist zur Zahlung zu setzen. Spätestens aber vor Fristablauf müssen Sie verjährungshemmende Schritte einleiten. Möglichkeiten sind u.a.:
    • Klage einreichen: Eine anhängige Klage hemmt die Verjährung ab Zustellung beim Gegner (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB).
    • Mahnverfahren nutzen: Wenn es um eine Geldforderung geht (Schadensersatz ist meist Geldausgleich), kann ein gerichtlicher Mahnbescheid schnell und günstig beantragt werden. Wird der Mahnbescheid vor Fristablauf beantragt und später ordnungsgemäß zugestellt, hemmt er die Verjährung ebenfalls (§ 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB). Achtung: Achten Sie auf korrekte Bezifferung und Bezeichnung des Anspruchs im Mahnbescheid, damit keine Zweifel bestehen, welcher Schaden geltend gemacht wird – formale Fehler können die Hemmung sonst unwirksam machen.
    • Verhandlung und Verzicht: Beginnen Sie ernsthafte Verhandlungen mit dem Anwalt oder seiner Haftpflichtversicherung über den Schadensersatz, dann wird die Verjährung für die Dauer der Verhandlung gehemmt (§ 203 BGB). Lassen Sie sich idealerweise schriftlich bestätigen, dass man sich in Vergleichsverhandlungen befindet. Noch sicherer: Bitten Sie den Gegner um eine schriftliche Verjährungsverzichtserklärung. Darin kann der Anwalt bzw. Versicherer z.B. erklären, für die Dauer von X Monaten auf die Erhebung der Verjährungseinrede zu verzichten. So gewinnen Sie Zeit, ohne sofort klagen zu müssen. Wichtig: Verlassen Sie sich nicht auf bloße mündliche Zusagen. Und falls der Gegner nicht eindeutig mitmacht, ziehen Sie rechtzeitig die Reißleine (Klage/Mahnbescheid), um die Frist zu wahren.
  • 5️⃣ Keine Zeit verlieren: Der wichtigste Rat ist schlicht: Warten Sie nicht ab. Viele Mandanten zögern aus Unsicherheit oder weil sie dem Anwalt noch glauben. Doch jede Verzögerung spielt dem anwaltlichen Schädiger in die Karten. Sobald Sie Anzeichen eines Fehlers sehen, sollten Sie handeln – notfalls auf eigene Faust das Nötigste veranlassen, um die Verjährung zu stoppen. Beispielsweise kann auch das Einschalten der Rechtsanwaltskammer-Schlichtungsstelle oder einer Schiedsstelle in manchen Fällen die Verjährung hemmen (wenn der Anwalt sich darauf einlässt), aber verlassen Sie sich darauf nur in Absprache mit einem Anwalt.

Fazit

Ansprüche aus Anwaltshaftung verjähren – in der Regel nach drei Jahren ab Kenntnis, spätestens aber zehn Jahre nach dem schadensbegründenden Ereignis. Für Mandanten bedeutet das: Man hat nicht ewig Zeit, den Anwalt zur Verantwortung zu ziehen. Die Verjährungsuhr tickt, sobald man vom Fehler weiß, und die Jahresendfrist kann tückisch sein (oft der 31. Dezember eines Jahres). Auf der anderen Seite schützt das Gesetz Mandanten, die den Fehler zunächst nicht bemerken: Ohne Kenntnis läuft die Frist nicht – aber die absolute 10-Jahres-Grenze muss man stets im Hinterkopf behalten.

Die Praxis zeigt, dass Verjährungsfragen bei Anwaltshaftung durchaus komplex sein können. Die höchstrichterliche Rechtsprechung hat betont, dass Mandanten nicht vorschnell Kenntnis unterstellt werden darf, solange das Vertrauensverhältnis besteht. Doch ebenso hat der BGH klare Linien gezogen: Wenn der Mandant aktiv wird und den Fehler rügt (z.B. Meldung an die Versicherung fordert), beginnt die Zeit zu laufen. Als Mandant sollten Sie daher auf Warnsignale achten und frühzeitig reagieren.

Abschließend gilt: Sichern Sie Ihre Rechte, bevor es zu spät ist. Holen Sie im Zweifel eine zweite Meinung ein, notieren Sie wichtige Daten und Fristen, und schrecken Sie nicht davor zurück, Ihren Anwalt bei der Haftung in die Pflicht zu nehmen – notfalls mit gerichtlicher Hilfe. So stellen Sie sicher, dass ein Fehler Ihres Rechtsbeistands nicht doppelt bitter wird: erst durch den Schaden und dann noch durch den Verlust Ihres Ersatzanspruchs wegen Verjährung. Mit dem Wissen um die Verjährungsregeln (anwaltshaftung verjährung, Verjährungsfrist anwaltlicher Fehler, Schadensersatz Anwalt Verjährung etc.) sind Sie gut gerüstet, um Ihre Ansprüche rechtzeitig und erfolgreich durchzusetzen.

 

 

Quellen:

Die Ausführungen stützen sich auf die gesetzlichen Regelungen des BGB sowie auf einschlägige Fachbeiträge und Urteile, u.a. BGH IX ZR 10/20 (2020), BGH IX ZR 47/13 (2014) und weitere Entscheidungen zur Anwaltshaftung. Hilfreiche Erläuterungen zur Verjährung in der Anwaltshaftung finden sich z.B. bei Nittel und Schulte, deren Beispiele und Tipps wir im Text aufgegriffen haben. Behalten Sie stets die konkreten Umstände Ihres Falles im Blick – und zögern Sie nicht, im Zweifel fachkundige Hilfe in Anspruch zu nehmen, damit Ihr Schadensersatzanspruch gegen den Anwalt nicht verjährt.

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Verjährung anwaltlicher Haftungsansprüche – Fristen, Rechte und Praxisbeispiele

Einleitung: Stellen Sie sich vor, Ihr Anwalt hat einen gravierenden Fehler gemacht – etwa eine wichtige Klagefrist versäumt oder Sie falsch beraten. Sie sind enttäuscht und verärgert, erwarten natürlich Schadensersatz. Doch viele Mandanten wissen nicht: Auch Ansprüche gegen den eigenen Anwalt verjähren, und zwar oft schneller als gedacht. Wenn Sie zu lange warten, kann es passieren, dass Ihr berechtigter Anspruch nicht mehr durchsetzbar ist. In diesem Artikel erklären wir laienverständlich und juristisch präzise, wann anwaltliche Haftungsansprüche verjähren (Stichwort “anwaltshaftung verjährung”), wie die Fristen berechnet werden und was Mandanten tun können, um ihre Rechte zu sichern. Dabei beleuchten wir die gesetzlichen Grundlagen (§§ 195, 199 BGB), Sonderfälle wie arglistiges Verhalten des Anwalts und relevante Rechtsprechung (u. a. BGH). Praxisnahe Beispiele und Tipps zeigen, worauf Sie achten müssen, damit Ihr Anspruch auf Schadensersatz gegen den Anwalt nicht untergeht.

Was bedeutet Verjährung bei Anwaltshaftung?

Unter Verjährung versteht man den rechtlichen Umstand, dass ein Anspruch nach Ablauf einer bestimmten Frist nicht mehr gerichtlich durchsetzbar ist. Materiell-rechtlich besteht der Anspruch zwar weiterhin – der Anwalt schuldet Ihnen also prinzipiell noch Schadensersatz –, prozessual kann der Anwalt sich jedoch auf die Verjährung berufen (sogenannte Einrede der Verjährung). Erhebt der Anwalt diese Einrede im Prozess, wird Ihre Klage abgewiesen, und Sie gehen leer aus. Das Gericht prüft die Verjährung nicht von Amts wegen, sondern nur, wenn der Anwalt sie einwendet. Wichtig: Nach Eintritt der Verjährung muss der Schuldner (hier also der Anwalt oder seine Versicherung) nicht mehr zahlen – freiwillig darf er zwar noch zahlen, aber das wird in der Praxis kaum vorkommen. Deshalb ist es für Sie als Mandant entscheidend, die Verjährungsfristen im Blick zu behalten.

Warum gibt es überhaupt Verjährungsfristen? Verjährung dient der Rechtssicherheit und dem Rechtsfrieden. Nach Ablauf einer gewissen Zeit soll Schluss sein: Beweismittel gehen verloren, Erinnerungen verblassen, und niemand soll ewig in Unsicherheit über mögliche Ansprüche leben müssen. Für Anwaltshaftungsansprüche gelten hierbei die allgemeinen Verjährungsregeln des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Es gibt keine Sonderfrist mehr nach der Bundesrechtsanwaltsordnung – früher gab es mal § 51b BRAO a.F., der eine kurze kenntnisunabhängige Frist von 3 Jahren vorsah, was oft zu frühen Verjährungen führte. Heute jedoch unterliegen Schadensersatzansprüche gegen den Rechtsanwalt der regelmäßigen Verjährungsfrist nach § 195 BGB von drei Jahren. Allerdings beginnt diese Frist nicht einfach ab Fehlerdatum zu laufen, sondern es gelten besondere Regeln für Fristbeginn und Höchstfristen, die wir gleich erläutern.

Regelmäßige Verjährungsfrist: Drei Jahre ab Kenntnis

Die reguläre Verjährungsfrist beträgt 3 Jahre (§ 195 BGB). Diese drei Jahre beginnen jedoch nicht sofort mit dem Anwaltspflichtverstoß, sondern erst mit Ende desjenigen Kalenderjahres, in dem zwei Voraussetzungen erfüllt sind:

  1. Anspruchsentstehung: Der Schadensersatzanspruch muss entstanden sein, d.h. es muss ein Schaden beim Mandanten eingetreten sein. Es reicht, dass sich seine Vermögenslage durch den Anwaltsfehler verschlechtert hat, selbst wenn die genaue Schadenshöhe noch nicht feststeht. Mit anderen Worten: Der Mandant muss endgültig einen Nachteil erlitten haben (BGH, Urteil vom 29.10.2020 – IX ZR 10/20 bestätigt diese Grundsätze). Nach der sogenannten “Risiko-Schaden-Formel” der Rechtsprechung liegt ein Schaden spätestens dann vor, wenn zumindest ein Teil des Schadens endgültig und irreversibel entstanden ist. Beispielsweise ist ein Schaden entstanden, wenn ein Prozess unwiderruflich verloren wurde oder Rechtsmittel verwirklicht sind – etwa weil die Berufungsfrist durch Anwaltsverschulden ablief.
  2. Kenntnis: Der Mandant muss Kenntnis von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners (des Anwalts) erlangt haben, § 199 Abs. 1 BGB. Wichtig: Es genügt nicht, dass der Mandant lediglich merkt, dass er den Prozess verloren hat oder ihm ein Nachteil entstanden ist. Er muss vielmehr erkennen (oder grob fahrlässig verkennen), dass ein Fehler des Anwalts ursächlich für seinen Schaden war. Solange der Mandant keine Anhaltspunkte dafür hat, dass sein Anwalt pflichtwidrig gehandelt hat, läuft die Verjährungsfrist nicht an.

Die Frist beginnt dann am 31. Dezember des Jahres, in dem beide genannten Bedingungen vorliegen. Ab diesem Jahresende zählt man drei Jahre. Der Anspruch verjährt mit Ablauf des letzten Tages des dritten Jahres um 24:00 Uhr.

Beispiel: Ihr Anwalt reicht Ihre Klage schuldhaft zu spät ein. Dadurch verlieren Sie am 10. Januar 2021 den Prozess erstinstanzlich. Eine Berufung läuft noch bis Ende 2022, wird aber zurückgewiesen; das Berufungsurteil geht Ihrem Anwalt am 21. Dezember 2022 zu. Erst am 2. Januar 2023 informiert der Anwalt Sie darüber, dass keine weiteren Rechtsmittel möglich sind – damit erkennen Sie erstmals, dass ein Anwaltsfehler zu Ihrem Rechtsverlust führte. Verjährungsbeginn: Ende 2023 (weil in 2023 die Kenntnis vorlag). Verjährungsende: 3 Jahre gerechnet ab 31.12.2023, also mit Ablauf 31. Dezember 2026. Würden Sie erst 2024 von dem Fehler erfahren, liefe die Frist entsprechend erst Ende 2024 bis Ende 2027.

Im Normalfall – etwa wenn der Mandant den Fehler sofort bemerkt – bedeutet das Schema: „Fehlerjahr + Kenntnis“ führt zu Fristbeginn am Jahresende, dann drei volle Jahre Zeit. Beispiel: Der Anwalt hat im Juni 2022 falsch beraten und Sie bemerken den Fehler noch 2022. Fristbeginn ist am 31.12.2022, Verjährung tritt mit Ablauf des 31.12.2025 ein.

Was aber, wenn Sie den Fehler nicht sofort bemerken? Hier schützt Sie die Kenntnisregel: Die Uhr tickt erst, wenn Sie den Anwaltspflichtverstoß erkannt haben (bzw. hätten erkennen müssen). Es kommt auf Ihre tatsächliche Wissenslage an. Dabei ist nicht jede Kenntnis des negativen Ergebnisses gleich Kenntnis eines Anwaltsfehlers. Beispiel: Wenn Sie im Urteil lesen, dass Ihre Klage als verspätet abgewiesen wurde, haben Sie zwar Kenntnis vom Misserfolg, aber noch nicht zwingend vom Verschulden des Anwalts. Vertraut der Mandant seinem Anwalt noch und dieser versichert ihm vielleicht, das Urteil sei falsch und man lege Rechtsmittel ein, dann nimmt die Rechtsprechung keine ausreichende Kenntnis des Mandanten an. Der Bundesgerichtshof (BGH) stellte klar, dass das Vertrauen des Mandanten in den Anwalt während eines laufenden Mandats über eventuelle Zweifel gestellt wird. Solange der Anwalt den Fehler bestreitet oder weitere Schritte unternimmt und der Mandant ihm glaubt, fehlt es an der erforderlichen Kenntnis. Die Verjährungsfrist beginnt in solchen Fällen (noch) nicht zu laufen.

Erst wenn für den Mandanten deutlich wird, dass sein Anwalt ihn mangelhaft vertreten hat, und er diese Fehlleistung als Ursache seines Schadens erkennt, ist die Kenntnis im Sinne des Gesetzes gegeben. Praktisch erfolgt das oft, wenn ein unabhängiger Dritter (z.B. ein anderer Anwalt) Sie auf den Fehler hinweist oder wenn der eigene Anwalt offen den Fehler eingesteht.

Sonderfall: Arglistiges Verhalten des Anwalts

Was ist, wenn der Anwalt den Fehler absichtlich vor Ihnen verheimlicht (arglistig verschweigt), um die Zeit verstreichen zu lassen? In einem solchen Fall greift ebenfalls die oben erläuterte Kenntnisregel: Solange der Mandant durch die Arglist des Anwalts keine Kenntnis erlangt, läuft die Frist nicht an. Allerdings schützt Arglist nicht unbegrenzt: Die absolute Höchstfrist (dazu gleich mehr) sorgt dafür, dass spätestens nach 10 Jahren Schluss ist – selbst wenn der Anwalt den Fehler perfekt verborgen hat. Beispiel: Ihr Anwalt weiß, dass er einen groben Fehler gemacht hat, und rät Ihnen jahrelang, „nichts zu unternehmen“ oder beschwichtigt Sie mit Ausreden. Hierdurch haben Sie zunächst keine Kenntnis. Die 3-Jahres-Frist beginnt erst, wenn Sie den Betrug/Fehler entdecken (z.B. durch einen anderen Juristen oder einen eindeutigen Hinweis). Aber: Unabhängig davon erlischt der Anspruch nach 10 Jahren ab Entstehung des Schadens (siehe unten Absolute Verjährung). Das heißt, Arglist kann die Verjährung hinausschieben, aber nicht unbegrenzt aushebeln. Nach aktueller Rechtslage gibt es – anders als früher – keine “zweite” Verjährungsfrist (Sekundärhaftung) mehr, die neu zu laufen beginnt, falls der Anwalt Sie nicht rechtzeitig über seinen Fehler aufklärt. Früher nahm die Rechtsprechung an, ein Anwalt habe eine Nebenpflicht, den Mandanten vor Fristablauf auf seinen Fehler hinzuweisen, und wenn er das unterließ, hafte er nochmals (Sekundäranspruch) und könne sich nicht auf Verjährung berufen. Diese Konstruktion ist seit der Verjährungsrechtsreform von 2002/2004 obsolet. Jetzt gilt: Kenntnisprinzip und 10-Jahres-Höchstfrist – wer arglistig täuscht, verzögert nur den Fristbeginn, aber rettet sich nicht dauerhaft.

Absolute Verjährung nach zehn Jahren (Höchstfristen)

Neben der „normativen“ Dreijahresfrist ab Kenntnis sieht das Gesetz eine absolute Verjährungsgrenze vor. § 199 Abs. 4 BGB bestimmt, dass Ansprüche – unabhängig von der Kenntnis – spätestens 10 Jahre nach ihrer Entstehung verjähren. Diese zehnjährige Höchstfrist beginnt mit dem Tag, an dem der Anspruch entsteht (Schadenseintritt) und läuft taggenau, nicht erst ab Jahresende.

  • Für unseren obigen Beispiel-Fall (Fehler 2021, Schaden erkennbar spätestens mit abgeschlossenem Prozess 2022) würde das bedeuten: Taggenaue 10-Jahres-Frist ab Eintritt des Schadens. Wenn man annimmt, dass der Schaden spätestens am 21.12.2022 (Zustellung des Berufungsurteils) entstanden war, dann wäre am 21.12.2032 endgültig Schluss – selbst wenn der Mandant bis dahin nichts vom Fehler wusste. In unserem Beispiel lag die Kenntnis 2023 vor, also griff ohnehin die 3-Jahresfrist bis Ende 2026. Hätte der Mandant den Fehler aber erst z.B. 2030 entdeckt, könnte er sich trotzdem nicht mehr auf Unkenntnis berufen, da 10 Jahre nach 2022 (also Ende 2032) abgelaufen wären. Anders gesagt: Nach zehn Jahren ist der Anspruch verjährt, egal wann Sie es erfahren haben.
  • Umgekehrt kann es Fälle geben, in denen die Kenntnis wesentlich später eintritt und dadurch die dreijährige Frist sehr spät beginnt – doch die 10-Jahres-Grenze deckelt das Ganze. Beispielsweise ein Anwaltsfehler von 2015, den Sie erst 2024 entdecken: In der Theorie würde die 3-Jahresfrist erst Ende 2024 beginnen und Ende 2027 enden. Aber da der Schaden schon 2015 entstand, wäre spätestens 2025 (10 Jahre ab 2015) Schluss – Ihr Anspruch wäre also bereits vor Ablauf der drei Jahre aus Kenntnis verjährt.

 

Besondere Ausnahmefälle (30 Jahre): In bestimmten schweren Fällen sieht das Gesetz sogar 30 Jahre Verjährungsfrist vor – nämlich für Schadensersatzansprüche wegen Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit oder der Freiheit (§ 199 Abs. 2 BGB). Diese beginnen ebenfalls ab Ereignistag und laufen taggenau. Für typische Anwaltshaftung (meist Vermögensschäden) spielen 30 Jahre jedoch kaum eine Rolle. Denkbar wäre dies zum Beispiel, wenn durch einen Anwaltsfehler jemand unrechtmäßig inhaftiert wurde oder Gesundheitsschäden erlitten hat – hier würde die längere Frist greifen. Im Normalfall von Vermögensschäden durch falsche Beratung oder Fristversäumnis bleibt es bei 3 Jahren (subjektiv) bzw. 10 Jahren (objektiv).

Verjährungsfristen im Überblick

Zur Klarstellung fassen wir die wichtigsten Fristen und Startzeitpunkte in einer Tabelle zusammen:

Art des Anspruchs

Verjährungsfrist

Fristbeginn und Lauf

Schadensersatz gegen Anwalt (vertraglich oder gesetzlich)

3 Jahre (Regelverjährung nach § 195 BGB)

Ab Ende des Jahres, in dem Anspruch entsteht und Mandant Kenntnis vom Anwaltsfehler hat (oder grob fahrlässige Unkenntnis) – § 199 Abs. 1 BGB.

Absolute Höchstfrist (alle Ansprüche)

10 Jahre (kenntnisunabhängig)

Ab Schadenseintritt (Anspruchsentstehung) – läuft taggenau ab Ereignistag, unabhängig von Kenntnis (§ 199 Abs. 4 BGB).

Besondere Fälle: z.B. Schadensersatz bei Körperverletzung, Gesundheits- oder Freiheitsverletzung durch Anwalt

30 Jahre (kenntnisunabhängig)

Ab Ereignisdatum (z.B. Tag der Verletzung) – taggenau, unabhängig von Kenntnis (§ 199 Abs. 2 BGB). Für reine Vermögensschäden nicht relevant.

Hinweis: Arglistiges Verschweigen eines Fehlers durch den Anwalt beeinflusst den Fristbeginn (Kenntnis tritt später ein), aber ändert nichts an der 10-Jahres-Höchstgrenze.

Wichtige BGH-Entscheidungen zur Verjährung von Anwaltshaftung

Die Rechtsprechung – allen voran der Bundesgerichtshof (BGH) – hat in den letzten Jahren einige Leitlinien zur Verjährung von Anwaltshaftungsansprüchen formuliert. Hier ein kurzer Überblick wichtiger Punkte:

  • Kenntnis und fortlaufendes Mandat: Wie oben erwähnt, hat der BGH entschieden, dass ein Mandant im laufenden Verfahren keine Kenntnis vom Anwaltsfehler hat, solange der Anwalt ihn überzeugt, dass noch nichts verloren ist. Selbst wenn ein Gericht in erster Instanz etwa die Klage wegen Verjährung abweist oder einen Vortrag als verspätet zurückweist – solange der Anwalt dem Mandanten plausibel zur Weiterführung rät (z.B. Berufung einlegen) und keinen Fehler eingesteht, fehlt es an der Kenntnis (BGH, Beschl. v. 21.11.2013 – IX ZR 47/13, AnwBl 2014, 359). Diese kundenfreundliche Betrachtung verzögert den Verjährungsbeginn oft erheblich.
  • Kenntnis durch Dritte: Hat der Mandant einen neuen Anwalt, der das alte Verfahren prüft, oder äußert z.B. ein Gericht eindeutig, dass ein Fehler des Anwalts vorliegt, erlangt der Mandant in der Regel Kenntnis. Aber: Der BGH lässt sogar eine gerichtliche Feststellung im ersten Verfahren nicht genügen, wenn der alte Anwalt dem Mandanten gegenüber weiter behauptet, das sei falsch und anfechtbar. Erst wenn der Mandant selbst dem alten Anwalt nicht mehr vertraut oder objektiv klar ist, dass dessen Handeln nicht mehr zu retten ist, wird Kenntnis bejaht.
  • „Aufforderung an den Anwalt zur Schadensmeldung = Kenntnis“: In einer neueren Entscheidung hat der BGH jedoch klargestellt, dass spätestens dann Kenntnis vorliegt, wenn der Mandant seinen Anwalt auffordert, den Fehler dem Haftpflichtversicherer zu melden. BGH, Urteil vom 29. Oktober 2020 (IX ZR 10/20): In dem Fall hatte der Mandant dem Anwalt bereits geschrieben, er möge seine Berufshaftpflichtversicherung informieren. Der BGH sah darin ein klares Indiz, dass der Mandant sich des Anwaltsfehlers bewusst war – ab diesem Zeitpunkt begann also die 3-Jahresfrist. Praxistipp: Mandanten sollten sich daher bewusst sein, dass solche Äußerungen oder schriftlichen Aufforderungen später als Kenntnisstand gewertet werden können. Wenn Sie Ihren Anwalt direkt mit einem Vermögensschaden konfrontieren, gehen Gerichte davon aus, dass Sie den Haftungsanspruch erkannt haben – die Verjährungsuhr läuft.
  • Entfallen der Sekundärhaftung: Früher konnte ein Anwalt, der seinen Fehler verschwieg, sich nicht auf Verjährung berufen – man sprach vom Sekundäranspruch (Verletzung der Aufklärungspflicht). Diese Rechtsprechung hat der BGH aufgegeben, seit die Verjährung ohnehin erst mit Kenntnis beginnt. Ein separater „zweiter“ Anspruch wegen unterlassener Aufklärung wird heute nicht mehr anerkannt, weil § 199 Abs. 1 BGB den Mandanten schon ausreichend schützt. Wichtig ist nur, die absolute Frist nicht aus den Augen zu verlieren.
  • Schaden bereits bei erster Instanz? Oft stellt sich die Frage, ob der Schaden (Anspruchsentstehung) bei einem Anwaltsfehler schon mit einem verlorenen ersten Prozess gegeben ist oder erst nach endgültigem Scheitern aller Instanzen. Hier hat der BGH die „Risiko-Schaden-Formel“ etabliert: Ein Schaden liegt vor, sobald eine negative Auswirkungen endgültig feststeht. Beispiel: Ihr Anwalt verpasst die Klagefrist, wodurch der Anspruch prozessual verloren geht – dieser Schaden ist sofort da (Rechtsverlust), auch wenn man theoretisch noch über eine Wiedereinsetzung nachdenken könnte. Es muss nicht abgewartet werden, ob vielleicht doch noch etwas zu retten ist. Allerdings: In vielen Fällen wird der Mandant erst nach Abschluss aller Instanzen wirklich realisieren, dass nichts mehr zu machen ist – was wieder zur Kenntnisfrage führt.

Zusammengefasst betont die Rechtsprechung: Auf die Kenntnis kommt es an – aber Mandanten dürfen nicht ewig im Unklaren gelassen werden, da spätestens nach 10 Jahren jede Haftung endet. Zudem sollten Mandanten frühzeitig eigenständig tätig werden, wenn Zweifel an der Fehlerlosigkeit des Anwalts bestehen.

Praxisbeispiele: Wann droht Verjährung?

Anhand einiger praxisnaher Beispiele wollen wir verdeutlichen, wie schnell Verjährung eintreten kann – und worauf Sie achten sollten:

  • Beispiel 1: Fristversäumnis und sofortige Kenntnis. Eine Anwältin lässt eine Berufungsfrist verstreichen. Das Oberlandesgericht verwirft die Berufung am 15. Juli 2022 als unzulässig. Sie als Mandant erfahren noch im Juli 2022 durch das Gericht, dass die Frist schuldhaft versäumt wurde (die Anwältin gesteht den Fehler sofort ein). Verjährung: Anspruch entstanden 15.07.2022 und Kenntnis noch 2022 – Fristbeginn 31.12.2022, Verjährung bis 31.12.2025. Sie haben also bis Ende 2025 Zeit, Ihren Schadensersatzanspruch geltend zu machen.
  • Beispiel 2: Fehler bemerkt nach dem Urteil. Ihr Anwalt riet Ihnen 2020 zu einer aussichtslosen Klage, die Sie verloren haben. Erst als Sie 2023 einen neuen Anwalt konsultieren, wird klar, dass schon die Beratung 2020 fehlerhaft war (z.B. hat der alte Anwalt wichtige Beweise nicht erhoben). Verjährung: Der Schaden (verlorener Prozess, Kosten) entstand 2021 mit Rechtskraft des Urteils, Kenntnis erst 2023 durch den neuen Anwalt – Fristbeginn 31.12.2023, Verjährung mit 31.12.2026. Achtung: Hier greift die 10-Jahres-Höchstfrist ab 2021 – spätestens Ende 2031 wäre Schluss gewesen. Sie liegen mit 2026 darunter, also kein Problem. Hätten Sie den Fehler aber erst 2032 bemerkt, könnten Sie nichts mehr fordern, weil zehn Jahre nach 2021 bereits verstrichen wären.
  • Beispiel 3: Anwalt verschweigt Fehler, Mandant ahnt lange nichts. 2018 versäumt Ihr Anwalt, gegen einen Mahnbescheid rechtzeitig Einspruch einzulegen – ein Vollstreckungsbescheid ergeht, Sie erfahren jedoch nichts davon, weil die Korrespondenz falsch lief. Ihr Anwalt “bereinigt” den Vorgang nicht und Sie merken erst 2022 durch einen Zufall (Kontopfändung), dass da etwas schiefging. Verjährung: Schaden entstanden 2018 (Titel gegen Sie), Kenntnis 2022 – Fristbeginn 31.12.2022, Verjährung bis 31.12.2025. Die 10-Jahresfrist wäre hier 2028, spielt aber keine Rolle, da Sie die Kenntnis schon 2022 erlangt haben. Wichtig: Obwohl der Anwalt den Fehler arglistig verborgen hat, zählt am Ende der Tag, an dem Sie es tatsächlich erfahren haben (2022). Sie sollten jetzt nicht weiter zögern, sonst sind schon Ende 2025 Ihre Ansprüche weg.
  • Beispiel 4: Kettenreaktion (Regresskette). Sie beauftragen Anwalt A mit einem Fall; er macht 2019 einen Fehler. 2021 mandatieren Sie Anwalt B, um gegen A vorzugehen. B prüft den Fall jedoch schlampig und versäumt selbst die Verjährungsfrist gegen A, die Ende 2022 ablief. Erst 2023 stellt sich heraus, dass B den Anspruch gegen A verpasst hat. Ergebnis: Ihr ursprünglicher Anspruch gegen A ist nun verjährt – aber Sie haben einen neuen Anspruch gegen Anwalt B wegen dessen Fehler (Versäumnis der Verjährungsfrist). So etwas nennt man eine Regresskette: ein Anwaltsfehler führt zum nächsten. In der Praxis kommen solche Fälle vor, weshalb es umso wichtiger ist, von Anfang an die Fristen im Auge zu behalten. Gegen Anwalt B läuft nun wiederum die Verjährungsuhr (3 Jahre ab Kenntnis 2023, also voraussichtlich bis Ende 2026). Dieses Beispiel zeigt drastisch: Wer zu lange wartet oder sich erneut falsch beraten lässt, riskiert seine Ansprüche.

Tipps für Mandanten: Wie Sie Ihre Rechte sichern

Wenn Sie den Verdacht haben, dass Ihr Anwalt einen Fehler begangen hat, sollten Sie umgehend aktiv werden, um Ihre Ansprüche zu sichern. Folgende Schritte und Tipps helfen, eine Verjährung zu verhindern:

  • 1️⃣ Zweitmeinung einholen: Zögern Sie nicht, sich bei einem anderen, unabhängigen Anwalt beraten zu lassen, sobald Ihnen ein Fehler auffällt oder Sie ein ungutes Gefühl haben. Eine schnelle Überprüfung der Sachlage durch einen Fachmann kann bestätigen, ob tatsächlich ein Haftungsanspruch besteht. Gleichzeitig erfahren Sie, bis wann Sie diesen geltend machen müssen. Je früher Sie Gewissheit haben, desto besser – denn die Verjährungsfrist könnte bereits laufen.
  • 2️⃣ Dokumentation & Beweissicherung: Sammeln Sie alle relevanten Unterlagen aus dem ursprünglichen Mandat. Dazu gehören Schriftwechsel, E-Mails, das Urteil/der Bescheid, aus dem sich der Fehler ergibt, sowie etwaige interne Vermerke. Notieren Sie zeitlich genau, wann Sie von welchem Umstand erfahren haben (z.B. Datum eines Gerichtsschreibens oder der Mitteilung des Anwalts über den Misserfolg). Diese Informationen können später wichtig sein, um den Zeitpunkt der Kenntnis nachzuweisen oder einzuordnen. Dokumentieren Sie auch Ihre Kommunikation mit dem (Ex-)Anwalt – insbesondere, falls er Ihnen gegenüber den Fehler einräumt oder auch abstreitet.
  • 3️⃣ Verjährungsfrist berechnen (lassen): Lassen Sie von Ihrem neuen Anwalt konkret berechnen, bis wann der Anspruch spätestens verjährt. Berücksichtigt werden müssen: das Jahr des Schadenseintritts, das Jahr der Kenntniserlangung und die 10-Jahres-Höchstfrist. Diese Berechnung kann knifflig sein, daher lieber vom Profi bestätigen lassen. Achtung: Wie oben erläutert, endet die Frist am Jahresende der Dreijahresfrist – viele Ansprüche verjähren also am 31. Dezember eines Jahres. Dieses Datum sollten Sie rot im Kalender markieren.
  • 4️⃣ Anspruch rechtzeitig geltend machen: Haben Sie Klarheit über die Frist, warten Sie nicht bis zum letzten Moment. Erheben Sie rechtzeitig Anspruch – das kann außergerichtlich oder gerichtlich geschehen. Oft empfiehlt es sich, schriftlich vom Anwalt Schadensersatz zu fordern und eine angemessene Frist zur Zahlung zu setzen. Spätestens aber vor Fristablauf müssen Sie verjährungshemmende Schritte einleiten. Möglichkeiten sind u.a.:
    • Klage einreichen: Eine anhängige Klage hemmt die Verjährung ab Zustellung beim Gegner (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB).
    • Mahnverfahren nutzen: Wenn es um eine Geldforderung geht (Schadensersatz ist meist Geldausgleich), kann ein gerichtlicher Mahnbescheid schnell und günstig beantragt werden. Wird der Mahnbescheid vor Fristablauf beantragt und später ordnungsgemäß zugestellt, hemmt er die Verjährung ebenfalls (§ 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB). Achtung: Achten Sie auf korrekte Bezifferung und Bezeichnung des Anspruchs im Mahnbescheid, damit keine Zweifel bestehen, welcher Schaden geltend gemacht wird – formale Fehler können die Hemmung sonst unwirksam machen.
    • Verhandlung und Verzicht: Beginnen Sie ernsthafte Verhandlungen mit dem Anwalt oder seiner Haftpflichtversicherung über den Schadensersatz, dann wird die Verjährung für die Dauer der Verhandlung gehemmt (§ 203 BGB). Lassen Sie sich idealerweise schriftlich bestätigen, dass man sich in Vergleichsverhandlungen befindet. Noch sicherer: Bitten Sie den Gegner um eine schriftliche Verjährungsverzichtserklärung. Darin kann der Anwalt bzw. Versicherer z.B. erklären, für die Dauer von X Monaten auf die Erhebung der Verjährungseinrede zu verzichten. So gewinnen Sie Zeit, ohne sofort klagen zu müssen. Wichtig: Verlassen Sie sich nicht auf bloße mündliche Zusagen. Und falls der Gegner nicht eindeutig mitmacht, ziehen Sie rechtzeitig die Reißleine (Klage/Mahnbescheid), um die Frist zu wahren.
  • 5️⃣ Keine Zeit verlieren: Der wichtigste Rat ist schlicht: Warten Sie nicht ab. Viele Mandanten zögern aus Unsicherheit oder weil sie dem Anwalt noch glauben. Doch jede Verzögerung spielt dem anwaltlichen Schädiger in die Karten. Sobald Sie Anzeichen eines Fehlers sehen, sollten Sie handeln – notfalls auf eigene Faust das Nötigste veranlassen, um die Verjährung zu stoppen. Beispielsweise kann auch das Einschalten der Rechtsanwaltskammer-Schlichtungsstelle oder einer Schiedsstelle in manchen Fällen die Verjährung hemmen (wenn der Anwalt sich darauf einlässt), aber verlassen Sie sich darauf nur in Absprache mit einem Anwalt.

Fazit

Ansprüche aus Anwaltshaftung verjähren – in der Regel nach drei Jahren ab Kenntnis, spätestens aber zehn Jahre nach dem schadensbegründenden Ereignis. Für Mandanten bedeutet das: Man hat nicht ewig Zeit, den Anwalt zur Verantwortung zu ziehen. Die Verjährungsuhr tickt, sobald man vom Fehler weiß, und die Jahresendfrist kann tückisch sein (oft der 31. Dezember eines Jahres). Auf der anderen Seite schützt das Gesetz Mandanten, die den Fehler zunächst nicht bemerken: Ohne Kenntnis läuft die Frist nicht – aber die absolute 10-Jahres-Grenze muss man stets im Hinterkopf behalten.

Die Praxis zeigt, dass Verjährungsfragen bei Anwaltshaftung durchaus komplex sein können. Die höchstrichterliche Rechtsprechung hat betont, dass Mandanten nicht vorschnell Kenntnis unterstellt werden darf, solange das Vertrauensverhältnis besteht. Doch ebenso hat der BGH klare Linien gezogen: Wenn der Mandant aktiv wird und den Fehler rügt (z.B. Meldung an die Versicherung fordert), beginnt die Zeit zu laufen. Als Mandant sollten Sie daher auf Warnsignale achten und frühzeitig reagieren.

Abschließend gilt: Sichern Sie Ihre Rechte, bevor es zu spät ist. Holen Sie im Zweifel eine zweite Meinung ein, notieren Sie wichtige Daten und Fristen, und schrecken Sie nicht davor zurück, Ihren Anwalt bei der Haftung in die Pflicht zu nehmen – notfalls mit gerichtlicher Hilfe. So stellen Sie sicher, dass ein Fehler Ihres Rechtsbeistands nicht doppelt bitter wird: erst durch den Schaden und dann noch durch den Verlust Ihres Ersatzanspruchs wegen Verjährung. Mit dem Wissen um die Verjährungsregeln (anwaltshaftung verjährung, Verjährungsfrist anwaltlicher Fehler, Schadensersatz Anwalt Verjährung etc.) sind Sie gut gerüstet, um Ihre Ansprüche rechtzeitig und erfolgreich durchzusetzen.

 

 

Quellen:

Die Ausführungen stützen sich auf die gesetzlichen Regelungen des BGB sowie auf einschlägige Fachbeiträge und Urteile, u.a. BGH IX ZR 10/20 (2020), BGH IX ZR 47/13 (2014) und weitere Entscheidungen zur Anwaltshaftung. Hilfreiche Erläuterungen zur Verjährung in der Anwaltshaftung finden sich z.B. bei Nittel und Schulte, deren Beispiele und Tipps wir im Text aufgegriffen haben. Behalten Sie stets die konkreten Umstände Ihres Falles im Blick – und zögern Sie nicht, im Zweifel fachkundige Hilfe in Anspruch zu nehmen, damit Ihr Schadensersatzanspruch gegen den Anwalt nicht verjährt.

Über den Autor

Dr. Johannes Fiala PhD, MBA, MM

Dr. Johannes Fiala ist seit mehr als 25 Jahren als Jurist und Rechts­anwalt mit eigener Kanzlei in München tätig. Er beschäftigt sich unter anderem intensiv mit den Themen Immobilien­wirtschaft, Finanz­recht sowie Steuer- und Versicherungs­recht. Die zahl­reichen Stationen seines beruf­lichen Werde­gangs ermöglichen es ihm, für seine Mandanten ganz­heitlich beratend und im Streit­fall juristisch tätig zu werden.
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