Strafzahlungen statt Freiheitsstrafe sind bei Gläubigerbenachteiligung verboten

– Müssen zahlungsunfähige Schuldner zugunsten ihrer Gläubiger ins Gefängnis? –

 

„Begleicht der Schuldner im Wissen um seine Zahlungsunfähigkeit eine Geldstrafe, kann die Vorsatzanfechtung durchgreifen, wenn die Strafvollstreckungsbehörde über die ungünstige Vermögenslage des Schuldners unterrichtet ist.“ lautet der amtliche Leitsatz des Bundesgerichtshofes (BGH, Versäumnisurteil vom 10.07.2014, Az. IX ZR 280/13). Damit können sowohl Insolvenzverwalter als auch Gläubiger derartige Zahlungen bis zu 10 Jahre lang als Benachteiligung durch den Staat anfechten.

 

Gläubigerbenachteiligung durch den Staat?

Eine Gläubigerbenachteiligung scheidet nur dann aus, wenn Zahlungen aus dem pfändungsfreien Betrag erfolgen, und nicht etwa über ein in voller Höhe pfändbares Konto. Da hilft es auch nichts, wenn der Schuldner durch Ratenzahlung die Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe abwenden möchte, beispielsweise um sich seine Arbeitsstelle zu erhalten.

Gelangt unpfändbares Einkommen auf ein Konto ohne Pfändungsschutz (P-Konto), und gab es keinen erfolgreichen Pfändungsschutzantrag beispielsweise wegen des Schonvermögens, wird sogar dieses vormals unpfändbare Geld nun in voller Höhe pfändbar. Der Strafvollstreckungsbehörde war aus den Akten die Vermögens- und Schuldenlage bekannt. Auch Einnahmen und Ausgaben werden darin dokumentiert, etwa um die Höhe von Tagessätzen für Geldstrafe je Tag ersatzweiser Freiheitsstrafe bei der Strafzumessung festzulegen.

Mitarbeiter der Justiz bzw. Strafvollstreckungsbehörden werden damit aufs Rasiermesser gesetzt, denn die Schuldnerbegünstigung steht unter Strafe, §§ 283 ff. StGB. Ebenso delikat wäre es, wenn beispielsweise bei einem Steuerdelikt oder andere aktenkundige Straftaten das Vermögen des Täters im Sinne der Geldwäsche bemakelt wäre, und gleichwohl eine Kaution zur Entlassung aus der Untersuchungshaft festgesetzt und ohne nähere Prüfungen entgegen genommen würde?

 

Illegale freiwillige Entgegennahme von Kaution oder Strafzahlung?

Die Absicht des Zahlenden, seine Gläubiger zu benachteiligen, könnte allenfalls dann entfallen, wenn die konkrete alsbaldige Aussicht auf Überwindung der Krisensituation gegeben ist, etwa wegen der sicheren Aussicht auf ein Darlehen oder die Realisierung eigener Geldforderungen.

Nur wenn der Schuldner hierfür Tatsachen anführt, braucht sich die Justiz mit diesem Prozessstoff umfassend und widerspruchsfrei auseinander zu setzen, damit die Beweiswürdigung vollständig und rechtlich möglich wird, eingeschlossen die Vermeidung von Verstößen gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze. Das Motiv, der Freiheitsstrafe zu entgehen, um dadurch seinen Arbeitsplatz zu behalten, den man sonst verliert, wenn man nicht in Freiheit verbleibt, ist allenfalls dann beachtlich, wenn es dazu führt, dass die Gläubiger sicher und vollständig bezahlt werden können, z.B. weil man nur dadurch einen sicheren Bankkredit bekommt.

Es reicht hingegen nicht, wenn die Gläubiger durch die Gefängnisstrafe noch weniger bekommen.

Praktisch bedeutet dies, dass es bei einer aktenkundigen Konkurslage keine freiwillige Leistung von Strafkautionen oder Geldstrafen geben kann – wobei eine Zahlung wegen der sonst unvermeidbaren Haft immer noch eine freiwillige wäre. Dies gilt auch für private Gläubiger, welche auf das Instrument der hoheitlichen Pfändung oder andere Vollstreckungsmaßnahmen zu verweisen sind. Strafkautionen zur Wiedererlangung der Freiheit werden hingegen nicht vollstreckt, ebenso wenig solche Geldstrafen an deren Stelle nach Fristablauf die Ersatzfreiheitsstrafe tritt. Stattdessen ist die Haft also unvermeidlich.

 

Ratenzahlung aus pfändungsfreiem Vermögen bzw. Einkommen?

Freilich könnte ein Dritter die Kaution etwa als Darlehen zur Verfügung stellen, oder die Strafzahlung – wie in gewissen Familienclans üblich – schenkweise übernehmen. Auch bei Ratenzahlungen gilt: Nur aus nachweislich pfändungsfreiem Vermögen und Einkommen dürften freiwillige Zahlungen – auch an den Staat als Gläubiger – erfolgen.

Denn käme es zur Insolvenz, wären Tür und Tor für eine Strafbarkeit von Mitarbeitern der Strafvollstreckungsbehörden eröffnet – so wie auch die Annahme von aktenkundig bemakeltem Vermögen den Verdacht der Illegalität begründen würden.

 

Und wenn sowohl Zahlung als auch Nichtzahlung strafbar sind?

Eine Zahlung ist wegen Gläubigerbenachteiligung selbst dann verboten – und auch die Annahme einer Zahlung – wenn man sich durch die Nichtzahlung ebenso strafbar macht, etwa bei nicht bezahlten Sozialversicherungsbeiträgen. Natürlich entgeht man dann der Strafe dafür nicht dadurch, dass man zur Vermeidung einer strafbaren Gläubigerbenachteiligung nicht zahlt. Selbst wenn durch die Nichtzahlung die Schulden noch stärker wachsen, wie durch Säumniszuschläge bei der Sozialversicherung, so rechtfertigt dies keine freiwillige Zahlung, wenn die Konkurssituation bereits besteht und nicht sicher alsbald überwunden werden kann.

Dabei müssen öffentliche und private Gläubiger bereits gewarnt sein, wenn der Schuldner schleppend oder über vereinbarte Raten seine Schulden begleicht. Nur innerhalb von vertraglichen Austauschverhältnissen kann bei bargeschäftsähnlichen, kongruenten Leistungen Zug um Zug ein Benachteiligungsvorsatz entfallen, wie auch bei der pünktlichen Mietzahlung für die Wohnung und pünktlichen Lohnzahlungen.

Außerhalb vertraglicher Verhältnisse, und bei lediglich mittelbaren Vorteilen, kommt ein anfechtungsfreies sogenanntes Bargeschäft nicht in Frage.

Bereits der bedingte Vorsatz des Schuldners, also ein ganz anderes verfolgtes Motiv, genügt für Strafbarkeit und Anfechtbarkeit. Ein Strafdruck für den Fall der Nichtzahlung (z.B. von Sozialversicherungsbeiträgen) als Hauptmotiv steht dem bedingten Vorsatz bei der – strafbaren – Gläubigerbenachteiligung nicht entgegen. Dadurch erlaubt ist die erforderliche Nichtzahlung selbstverständlich auch nicht. Es ist beim Schuldner etwa wie beim Geisterfahrer auf der Autobahn: diesem ist Weiterfahren und Wenden genauso wenig erlaubt wie das Anhalten.

 

Keine Restschuldbefreiung bezüglich Steuerhinterziehung und anderer Straftaten

Stehen Verbindlichkeiten im Zusammenhang mit vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlungen, können die Gläubiger diese ins Insolvenzverfahren einbringen, um damit diesbezügliche spätere Restschuldbefreiung zu verhindern. Hierzu gehören auch die Insolvenzstraftaten, welche zu einer Vorstrafe geführt haben oder bereits die zu späte Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen.

 

Insolvenzverschleppung von durchschnittlich bis zu mehr als 12 Monate

Die Hoffnung auf Besserung stirbt zuletzt – und mündet häufig in einer Vorstrafe wegen Insolvenzverschleppung. Selbst wenn Mitarbeiter keinen Lohn ausbezahlt bekommen, aber nicht entlassen werden, wird Sozialversicherung aus dem sogenannten Phantomlohn geschuldet und ist zu entrichten. Werden Beiträge in einer Insolvenzsituation jedoch an die Einzugsstelle der Sozialversicherung – unter Inkaufnahme einer strafbaren Gläubigerbenachteilung – bezahlt, wird der Insolvenzverwalter den Arbeitgeber- und den Arbeitnehmeranteil zurück fordern können (BGH, Urteil vom 05.11.2009, Az. IX ZR 233/08). Selbst wenn die Einzugsstelle die Insolvenzsituation nicht kannte, betrifft dies die letzten drei Monate vor Verfahrenseröffnung – der Arbeitnehmer kann spiegelbildlich auf Antrag auch dafür als Kompensation ein Insolvenzgeld erhalten.

Zahlt der Arbeitgeber hingegen aufgrund pünktlicher Lohnzahlung auch die Lohnsteuer an das Finanzamt pünktlich, so wird dies als anfechtungsfreies Bargeschäft bewertet, denn dem Arbeitnehmer wird der Bruttolohn geschuldet – die Abführung ans Finanzamt erfolgt gleichsam über den Arbeitgeber nur als Zahlstelle, ähnlich einem Bankgeschäft, § 142 InsO (BFH, Beschluß vom 11.08.2005, Az. VII B 244/04, a.A. BGH, Urteil vom 05.11.2009, Az. IX ZR 233/08). Anfechtbarkeit wäre nur dann gegeben, wenn die (drohende) Zahlungsunfähigkeit dem Finanzamt bereits bekannt wäre, zum Beispiel weil die Lohnsteuer zögerlich gezahlt wird, § 133 I InsO.

 

 

von Dr. Johannes Fiala und Dipl.-Math. Peter A. Schramm

 

mit freundlicher Genehmigung von

www.network-Karriere.com (Ausgabe 12.2015)

und

Veröffentlicht im “Der Koment, Fachzeitung für Schausteller und Marktkaufleute” am  30.04.2015 (Unter der Überschrift: BGH: Strafzahlungen statt Freiheitsstrafe sind bei Gläubigerbenachteiligung verboten)

 

 

 

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Über den Autor

Dr. Johannes Fiala Dr. Johannes Fiala
PhD, MBA, MM

Dr. Johannes Fiala ist seit mehr als 25 Jahren als Jurist und Rechts­anwalt mit eigener Kanzlei in München tätig. Er beschäftigt sich unter anderem intensiv mit den Themen Immobilien­wirtschaft, Finanz­recht sowie Steuer- und Versicherungs­recht. Die zahl­reichen Stationen seines beruf­lichen Werde­gangs ermöglichen es ihm, für seine Mandanten ganz­heitlich beratend und im Streit­fall juristisch tätig zu werden.
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