Angst vor Altersarmut

“Die Rente ist sicher!” verkündete Norbert Blüm. Heute fragt man: “Wieviel Rente ist sicher?” Wie politische Entscheidungen in die Verarmung führen.

 

Altersarmut wird von den Medien immer häufiger thematisiert. Das Besondere an diesem Phänomen: Es ist hausgemacht. Dem Eindruck nach sogar in Kauf genommen. Schließlich sind es laufende politische Entscheidungen seit mehr als 20 Jahren gewesen, welche das gesetzliche Rentenniveau von ehemals durchschnittlich 70% vom Nettogehalt auf bis zu weniger als die Hälfte in der Zukunft reduziert.

 

Riesterrente als Verlustgeschäft

Albrecht Müller stellte bereits 2004 in seinem Buch „Die Reformlüge“ fest, dass die Umstellung vom Umlageverfahren auf eine kapitalgedeckte Altersversorgung in Chile zur größten Altersarmut geführt hat. Chile wurde damit ein Vorbild für weitere Staaten, welche allesamt das Scheitern kapitalgedeckter Altersversorgung erlebten. In Deutschland hat man beispielsweise die staatlich durch Zulagen geförderte Riesterrente eingeführt. Im Durchschnitt real ein Verlustgeschäft, es sei denn man wird so alt wie Johannes Heesters oder Methusalem. Der Bürger fragt sich, wo denn dann die staatlichen Zulagen am Ende landen, und erfährt vom Fachmann daß diese Gelder als Sterblichkeitsgewinne bei den Anbietern verbleiben oder für Kosten und Provisionen ausgegeben werden, und im Übrigen – bei den Glücklichen, die damit oberhalb des Existenzminimums landen – als Steuern wieder zurückzuzahlen sind.

 

Vom Voll-Juristen zum Bittsteller

Die „Pseudo-Individualisierung durch Rentenreform“ löst die Aufgabe, das Realeinkommen zwischen den Generationen zu verteilen nicht. Immerhin hat es die Politik verstanden, den Niedriglohnsektor von ehemals bis zu weniger als 10% auf bis zu mehr als 25% der arbeitenden Bevölkerung zu steigern. Die Hartz-Reformen führten dazu, dass ausgebildete Volljuristen sich von der ARGE fürsorglich zum Schweißer umschulen lassen müssen oder als Leiharbeiter tätig zu werden, oder damit leben müssen, durch Kürzung mit weniger als dem Existenzminimum zurechtkommen zu dürfen. Spiegelbildlich sind bis zu mehr als 25% der Bevölkerung gar nicht mehr in der Lage irgend eine Ersparnis zu bilden, und bis zu mehr als 25% der Bevölkerung zahlen so wenig in die gesetzliche Rente ein, dass sie beste Aussichten auf eine Grundsicherungsrente haben. Wer hohe Mietkosten über 358 Euro hat, darf diese aus dem Regelsatz von 382 Euro selbst bezahlen oder umziehen – oft hilft dabei die Gemeinde und übernimmt die Maklerkosten, damit der Bedürftige in die preiswertere Nachbargemeinde zieht. Wer sich täglich überlegen muss, ob er eine Schachtel Zigaretten oder etwas zu essen kauft, dem bleibt auch nicht einmal genügend Geld übrig, sich einen ordentlichen Strick zu kaufen.

 

Ist die Kapitaldeckung in der Altersversorgung eine Illusion?

Generell ist festzustellen, dass die Umstellung der größten Volkswirtschaften einschließlich China vom Generationenmodell auf eine Kapitaldeckung bereits daran scheitert, dass es weltweit gar keine ausreichenden realwirtschaftlichen Investitionsmöglichkeiten für eine solche Altersversorgung gibt. Ausgenommen wären natürlich die Investments in Finanzblasen oder andere nur vorübergehend für wertvoll gehaltenen Kapitalanlagen, welche man jedoch leider später abschreiben muss, wie beispielsweise Anleihen der Lehman Brothers Bank oder viele Derivate und Zertifikate. Auch der Staat kann das Geld für die anzulegende Kapitaldeckung in Form von Staatsschulden annehmen – damit wären die für die Renten erforderlichen Zinsen und Tilgungen aus den Steuermitteln gedeckt, mit denen eine künftige Generation und auch die Rentner selbst die Staatsschulden verzinsen und tilgen.

Das würde auch genauso als „Kapitaldeckung“ funktionieren, wenn das Geld gegen verbriefte Staatsschuldverschreibungen entgegengenommen und danach in großen Feuerschalen verbrannt würde, zur Aufwärmung der Besucher beim Silvesterfeuerwerk vor dem Brandenburger Tor. Auch Investitionen in Windkraft und Solar inklusive der erforderlichen Stromnetze bieten solche Ertragsmöglichkeiten über den Aufpreis auf die Stromrechnung, mit dem alle inklusive Rentner das Kapital für ihre Kapitaldeckung selbst zurückzahlen.

Manche mögen die Vorstellung haben, bei Kapitaldeckung liege das Geld für jede Rente schon in Tüten mit dem Namen des künftigen Rentners beim Versicherer in einem Regal bereit.

 

Lohn- und Rentensteigerungen nach Produktivitätsfortschritt?

Schon immer war die Bevölkerung in der Lage, allein aufgrund des Produktivitätsfortschritts sowohl die Kinder als auch die Alten zu ernähren. Wenn es zutrifft, daß Löhne und Renten davon seit bis zu mehr als 15 Jahren entkoppelt wurden, so verbreitert sich die Zahl derer mit besten Aussichten auf zunehmende Altersarmut. Ohnehin sehen einige Politiker es aber ohnehin als eine angemessene Altersversorgung an, wenn im Alter zumindest keine Sozialhilfe beantragt werden muß. Gerichte sind dem gefolgt, indem etwa rund 350 Euro Rentenanwartschaft im Alter von etwa 50 Jahren trotz Behinderung noch ausreichend erscheinen, denn bis zum Rentenalter können man ja noch etwas fürs Alter an Versorgung aufbauen, damit die benötigten ca. 800 EUR erreicht werden.

 

Von Traumrenditen und Spargroschen

Hinzu kommt, dass kein Politiker sich sagen traut, dass man allein mit einem Beitragssatz von 20% für die gesetzliche Rente wird kaum seinen Lebensstandard halten können. Was Finanzberater  kaum zu formulieren wagen, ist die Tatsache dass die Renten aus privater Vorsorge um bis zu mehr als 50% im Vergleich zu den früheren Aussichten gesunken sind. Dies allein deshalb, weil sich Europa seit etwa 1998 einem internationalen Niedrigzinskartell angeschlossen hat, so dass vielfach die mageren Zinsen kaum mehr die Verwaltungskosten der Kapitalanlage decken können.

eal aber wird alleine durch normale Preissteigerung nochmal bis zu mehr als die Hälfte bis zum Rentenalter dahinschmelzen. Die Illusion, mit wenig Einsatz über Traumrenditen am Kapitalmarkt und das „Zinseszinswunder“ am Ende eine hohe Vorsorge fast umsonst zu bekommen, ist zusehends zerronnen. Heute muss man hoffen, seine Spargroschen wie in einem Sparstrumpf zurückgelegt gerade einmal mit einem Kaufkraftausgleich im Alter wieder zu bekommen.

 

Verstaatlichung privater Pensions- beziehungsweise Rentenfonds

Nicht nur in Europa haben zahlreiche Staaten die Rückkehr zur Stärkung der staatlichen Rente beschlossen und umgesetzt. Dafür wurden private Pensions- bzw. Rentenfonds „enteignet“, beispielsweise in Bulgarien, Frankreich, Irland, Portugal, Zypern, Argentinien, Bolivien und Chile.

Hintergrund ist, dass im staatlichen Umlagesystem laufende Renten gezahlt werden müssen. Dann hat man beispielsweise entschieden, zwangsweise einen Teil der Beiträge an die offenen Pensionsfonds zahlen zu lassen, damit die Rente insgesamt durch private Kapitaldeckung sicherer wird. Daher musste der Staat für die fehlende Beitragseinnahme durch Aufnahme von Staatsanleihen einspringen und sich verschulden.

Diese Staatsanleihen wurden dann mit dem zwangsweise an sie umgeleiteten Beitragsgeld wiederum von den privaten Pensionsfonds gekauft – womit man nun auf dem Papier  eine Kapitaldeckung hatte. Die Renten daraus sind dann nicht mehr von Beitragszahlern in eine gesetzliche Rentenversicherung, sondern vom Steuerzahler zu finanzieren, dessen Steuergeld zur Bedienung der investierten Staatsschulden mit Zins und Tilgung verwendet wird.

Offenbar haben sich dann aber doch Zweifel an der Sinnhaftigkeit solcher Art der Kapitaldeckung ergeben. Denn durch solche Form der “Kapitaldeckung” über Staatsschulden werden auch die Pensionsfonds nicht sicherer, und durch den Zwang zu mehr Staatsschulden infolge der Umleitung der Beiträge an die Pensionsfonds wird die Bonität dieser Staatsschulden beeinträchtigt und letztlich die Pensionsfonds auch unsicher.

Die Pensionsfonds haben durch die „Enteignung“ keinen Schaden, da sich ihre Verpflichtungen entsprechend vermindern. Die Beitragszahler in die Pensionsfonds erhalten für die im Sinne eines Rückkaufswertes konfiszierten Staatsanleihen Rentenansprüche an die staatliche Rentenversicherung – dies ist mutmaßlich sicherer als eine Kapitaldeckung, die auf Staatsschulden aufbaut, wie etwa in Griechenland.

 

Staatsschulden leichtfertig erhöht

Durch die Einführung der Pensionsfonds mit Umleitung der Beiträge von der staatlichen Rentenversicherung an diese und dem Ersatz dieser Beiträge durch Staatsschulden wurde in betroffenen Ländern leichtfertig die Staatsschuld so erhöht, dass sie die Fähigkeit zu anderer sinnvoller Aufnahme von Staatsschulden beeinträchtigt hat. Die Unsinnigkeit drängt sich dann noch erst recht auf, wenn man sieht, dass mit den durch die zusätzliche Staatsverschuldung freiwerdenden Beiträge an die Pensionsfonds diese dann die Staatsschulden aufgekauft haben.

Die institutionellen privaten Pensionsfonds hatten ihre Chance gehabt. Die Pflichtbeiträge an sie haben ausländische Investoren angelockt, und diese haben das System für sich ausgenutzt in einer nicht mehr vertretbaren Weise. Ihren Zwangs-Versicherten eine kapitalgedeckte Rente auf der Basis von Staatsschulden bieten zu wollen ist mehr als eine Zumutung – aber natürlich auch in Deutschland üblich. Dies zu beenden ist nicht mehr als eine nachvollziehbare und konsequente Entscheidung. Niemand hätte die Fortführung eines solchen Zustandes im Ernst befürworten können – ganz im Gegenteil. Dies mag auch für viele andere Formen von „Kapitaldeckung“ gelten.

 

von Dr. Johannes Fiala und Dipl.-Math. Peter A. Schramm

 

mit freundlicher Genehmigung von

http://www.pt-magazin.de/ (Ausgabe 2, 2014)

 

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Über den Autor

Dr. Johannes Fiala Dr. Johannes Fiala
PhD, MBA, MM

Dr. Johannes Fiala ist seit mehr als 25 Jahren als Jurist und Rechts­anwalt mit eigener Kanzlei in München tätig. Er beschäftigt sich unter anderem intensiv mit den Themen Immobilien­wirtschaft, Finanz­recht sowie Steuer- und Versicherungs­recht. Die zahl­reichen Stationen seines beruf­lichen Werde­gangs ermöglichen es ihm, für seine Mandanten ganz­heitlich beratend und im Streit­fall juristisch tätig zu werden.
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