BAG: Neben unbezahlter Pflegezeit bekommen Arbeitnehmer bezahlten Urlaub

Das Bundesarbeitsgericht (BAG Urteil vom 06.05.2014, Az. 9 AZR 678/12) hat entschieden, dass Mitarbeitern aufgrund eines unbezahlten Sonderurlaubs wegen einer sogenannten Pflegezeit der gesetzliche bezahlte Urlaubsanspruch nicht gekürzt werden darf. Somit gibt es auch für die (unbezahlte) Pflegezeit noch den bezahlten Urlaubsanspruch obendrauf.

 

Zur Begründung weist das BAG darauf hin, dass der Rechtsanspruch auf bezahlten Urlaub gesetzlich zwingend und damit auch arbeitsvertraglich nicht abdingbar oder kürzbar ist. Ein Kürzung kommt nur dann in Frage, wenn dies gesetzlich vorgesehen ist, wie beispielsweise bei Wehrdienst oder Elternzeit. Das Pflegezeitgesetz (PflegeZG) sieht jedoch gar keine Kürzungsmöglichkeit vor, auch wenn während der Pflegezeit das Arbeitsverhältnis wegen dieses Sonderurlaubs ruht.

 

Muss ein Arbeitnehmer wegen Auflösung seiner Abteilung oder anderer Umstände eine vielleicht betrieblich bedingte Kündigung befürchten, so kann er sich der Kündigungsmöglichkeit des Arbeitgebers entziehen, indem er eine Pflegezeit – vielleicht auch erst im Folgejahr beabsichtigt – ankündigt.

 

Dies bedeutet, wer als Arbeitnehmer etwa eine mögliche Entlassung aus welchem Grund auch immer fürchtet, etwa weil Personaleinsparungen angekündigt werden, kann z. B. ein Jahr im Voraus eine bis zu 6monatige Pflegezeit ankündigen, und auf diese Weise erst einmal jedwede Kündigungsmaßnahme für 18 Monate verhindern. Dies kann auch schon mit der Ankündigung einer einmonatigen Pflegezeit erreicht werden, und die Frist kann womöglich auch länger sein. Die sechs Monate der Pflegezeit können abgekürzt werden – z. B., weil der zu Pflegende die Pflege nicht akzeptiert, ins Pflegeheim geht oder die beabsichtigte Heimholung aus dem Heim verweigert, aggressiv ist, oder der Pflegende überfordert ist. Und wenn dies vor Beginn der Pflegezeit eintritt, dann endet diese schon ggf. vor ihrem Beginn.

 

Das heißt, man kann es leicht steuern, wenn die Zeit, die die Kündigungsgefährdung im Betrieb zu überbrücken ist, beendet ist – beispielsweise, weil sich die wirtschaftliche Lage verbessert hat, weil schon genug andere Mitarbeiter entlassen wurden. Oft reicht es, solche kritischen Phasen zu überleben, in denen die zu Entlassenden selektiert werden.

 

Findet sich kein geeigneter Pflegebedürftiger, so sind aus der Praxis andere Möglichkeiten bekannt. Vielfach werden im Vorfeld einer Kündigung von Seiten des Arbeitgebers auch Verhandlungen über Abfindungsvereinbarungen wegen Personaleinsparungen geführt. Mit etwas Glück dauern solche Verhandlungen über die Abfindungshöhe und Nachteilsausgleich solange, bis im Laufe dieser Diskussion – bei der die Hinzuziehung eines versicherungsmathematischen Sachverständigen hilfreich meist einige vom Arbeitgeber noch aufwendig zu lösende sachliche Kritikpunkte aufdecken wird – irgendwann der eigene Vorgesetzter eingespart worden war, womit die Verhandlungen folgenlos schlicht endeten. Im Vorteil sind dabei natürlich solche Arbeitnehmer, deren Arbeitsvertrag einige Erschwernisse der Kündigungsmöglichkeiten aufweisen, worauf eben dann tunlichst bereits bei Vertragsabschluss zu achten ist.

 

 

von Dr. Johannes Fiala und Dipl.-Math. Peter A. Schramm

 

veröffentlicht am 20.11.2014 in Versicherungswirtschaft heute

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Über den Autor

Dr. Johannes Fiala Dr. Johannes Fiala
PhD, MBA, MM

Dr. Johannes Fiala ist seit mehr als 25 Jahren als Jurist und Rechts­anwalt mit eigener Kanzlei in München tätig. Er beschäftigt sich unter anderem intensiv mit den Themen Immobilien­wirtschaft, Finanz­recht sowie Steuer- und Versicherungs­recht. Die zahl­reichen Stationen seines beruf­lichen Werde­gangs ermöglichen es ihm, für seine Mandanten ganz­heitlich beratend und im Streit­fall juristisch tätig zu werden.
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