Europäischer Gerichtshof (EuGH): Ewiges Widerrufsrecht für Versicherungsnehmer

– Rückabwicklungsrisiken für Versicherer, Agenten und Versicherungsmakler –

 

Das ewige Recht zum Rücktritt oder Widerruf von Versicherungsverträgen

Durch Urteil vom 19.12.2013 (Az. C-209/12) hat der EuGH entschieden, dass ein Recht auf Rücktritt von einem Lebensversicherungsvertrag ewig besteht, wenn der Versicherungsnehmer
über dieses Recht nicht ordnungsgemäß und rechtzeitig belehrt worden ist. Entgegen der Regelung im deutschen § 5a Versicherungsvertragsgesetz (VVG a.F.) erlischt das Rücktrittsrecht
nicht ein Jahr nach Zahlung der ersten Versicherungsprämie. Und gemäß dem seit 2008 geltenden § 8 VVG hat der Versicherer den Zugang insbesondere einer deutlich gestalteten Belehrung
über das Recht des Versicherungsnehmers zum Widerruf nachzuweisen.

Daraus folgt für den Versicherer das Risiko massenhafter ewig lange widerrufbarer Verträge. Gefällt einem Lebensversicherungskunden die vielleicht negative Rendite nicht, will
er die Leistung gegenüber dem Rückkaufswert bei Kündigung aufbessern, oder kam es in einer Haftpflichtversicherung zu keinem Schaden, könnte der Kunde auf die Idee kommen, den
Rücktritt zu erklären, oder den Widerruf beim Versicherer anzubringen. Damit würde der Versicherungskunde nachträglich anstreben, dass ihm der Versicherer seine Prämien plus Zinsen
erstattet.

 

Belehrung ist mehr als Erklärung

Damit die Widerrufsfrist überhaupt zu laufen beginnt, muss der Versicherungskunde eine „deutlich gestaltete Belehrung über das Widerrufsrecht und über die Rechtsfolgen des Widerrufs“
erhalten, die dem Versicherungsnehmer seine Rechte deutlich macht. Die Belehrung kann bereits daran scheitern, dass die Informationen gegenüber dem Versicherungsnehmer über die Rechtsfolgen des Widerrufs lückenhaft bzw. unvollständig waren.

 

Zu kleine Schriftgröße, Untergang im Fließtext der Versicherungsbedingungen oder sonstiger Informationen, irreführende Zusätze etwa derart, dass man statt völlig ohne Begründung nur bei Unzufriedenheit widerrufen könne sind nur eine Auswahl von zahlreichen Gründen, die zur Unwirksamkeit der Widerrufsbelehrung führen. Selbstverständlich haben alle Versicherer gemeint, ihre Widerrufsbelehrung sei wirksam – viele meinen es irrtümlich heute noch oder behaupten es jedenfalls.

 

Für die BaFin könnte sich die Frage nach der Eignung des Vorstandes beim Versicherer stellen, wenn es massenhaft zu entsprechend angehäuften Zusatzwiderrufsrisiken beim Betreiben des Versicherungsgeschäfts kommt. Und für die Aktionäre oder Gesellschafter eines Versicherers wird sich die Frage stellen, in welchem Umfang das Vermögen des Versicherers durch ein Organisationsverschulden mehr als gefährdet wurde oder ein Fall der Managerhaftung vorliegt?

 

Verbundene Verträge werden beseitigt

Durch den Widerruf werden auch verbundene Verträge, wie z. B. Darlehensverträge mit Restschuldlebens- oder Tilgungsaussetzungsversicherungen, beseitigt.  Wurde nicht darauf hingewiesen, dass mit dem Widerruf der Lebensversicherung auch der verbundene Vertrag beseitigt wird, so ist auch schon deshalb die Belehrung über das Widerrufsrecht unwirksam. Oft wird gerade auch das Interesse an der Beseitigung des verbundenen Vertrages das Widerrufsrecht nochmal interessanter machen.

 

Berechnung der Rückabwicklung

Fehlende Zustimmung des Vormundschaftsgerichts bei lebensversicherten Kindern als Versicherungsnehmer, fehlende Zustimmung einer anderen auf den Todesfall versicherten Person, oder Rücktritt wegen Täuschung sind weitere Gründe, die zur Rückabwicklung von Versicherungen führen.

 

Dann muss der Versicherer die Beiträge nebst allen gezogenen Nutzungen herausgeben. Gerade auch bei Lebensversicherungen inklusive fondsgebundener Verträge ist die Berechnung der aus den diversen für Abschluss-, Verwaltungskosten oder die eigentliche Anlage des Sparanteils kalkulierten Beitragsteile sowie den resultierenden Überschüssen und Kickbacks z. B. der Fondsgesellschaft, die dann für Versichertenkapital oder Eigenkapital des Versicherers verwendet und so unterschiedliche weitere Erträge erzielt haben, eine in der versicherungsmathematischen Begutachtung und rechtlichen Beurteilung anspruchsvolle Aufgabe.  Bei Eigenkapitalrenditen der Versicherer von 30 % und mehr führen im Eigenkapital landende Beträge über lange Jahre zu einer erheblichen Steigerung des Anspruchs aus Rückabwicklung, wenn man nur versicherungsmathematisch auch ausreichend genau rechnet und dies begründet.

 

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Über den Autor

Dr. Johannes Fiala Dr. Johannes Fiala
PhD, MBA, MM

Dr. Johannes Fiala ist seit mehr als 25 Jahren als Jurist und Rechts­anwalt mit eigener Kanzlei in München tätig. Er beschäftigt sich unter anderem intensiv mit den Themen Immobilien­wirtschaft, Finanz­recht sowie Steuer- und Versicherungs­recht. Die zahl­reichen Stationen seines beruf­lichen Werde­gangs ermöglichen es ihm, für seine Mandanten ganz­heitlich beratend und im Streit­fall juristisch tätig zu werden.
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