Manche Rechtsexperten sind der Ansicht, die Assekuranz-Unternehmen dürften aufgrund der dauerhaften Minizinsen ihre Garantien senken oder Prämien erhöhen. Doch das ist eine strittige Frage.
Das dauerhafte Niedrigzinsniveau bereitet den deutschen Lebensversicherern bekanntlich erhebliche Probleme. Ob es den Unternehmen deshalb aber erlaubt ist, Prämien zu erhöhen oder Garantien zu senken, wenn eine Unterdeckung droht – darüber sind sich Rechtsexperten uneinig. “Geht nicht”, ist Professor Manfred Wandt, geschäftsführender Direktor des Instituts für Versicherungsrecht am House of Finance der Goethe-Universität in Frankfurt überzeugt. “Geht sehr wohl”, entgegnet der Münchner Rechtsanwalt Johannes Fiala im Streitgespräch, das in voller Länge im aktuellen FONDS professionell Heft 02/2017 zu finden ist.
Eine Rechtsvorschrift, die Prämienerhöhungen aufgrund dauerhafter Magerzinsen ermöglichen könnte, ist der Paragraf 313 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Das funktioniere aber nicht, ist Wandts Position. Seine Begründung: Paragraf 313 BGB erlaubt Vertragsanpassungen aufgrund einer Störung der Geschäftsgrundlage. Er greife jedoch nicht, wenn die Parteien die Möglichkeit, dass sich bestimmte Umstände ändern, in einen Vertrag aufgenommen haben, und eine Vertragspartei allein das Risiko dafür trägt.
Versicherer übernimmt das Risiko von Zinsänderungen
Genauso sei es bei Lebenspolicen mit Zinsgarantien: Der Versicherer allein übernehme das Risiko, das eine Änderung des Zinsniveaus darstellt. Daher könnte Paragraf 313 BGB höchstens dann angewendet werden, wenn die Parteien hinsichtlich bestimmter Entwicklungen, die außerhalb des Vertrags liegen, einer Fehleinschätzung unterlegen seien.
Eine Vertragsanpassung nach Paragraf 313 BGB könne ein Versicherer aber nicht mit dem Argument rechtfertigen, er habe nicht voraussehen können, dass der Kapitalmarkt maßgeblich durch geldpolitische Maßnahmen von Zentralbanken bestimmt wird. Solche Maßnahmen seien durch die vom Versicherer übernommene Garantie allein seiner Risikosphäre zugewiesen.
Unvorhersehbare Situation
“Das sehe ich anders”, kontert Rechtsanwalt Fiala. “Dem Abschluss älterer Lebensversicherungen liegt die Annahme zugrunde, dass es möglich ist, den in der Police festgelegten Garantiezins zu erwirtschaften”, erklärt er. Natürlich hätten Versicherer auch vor 20 Jahren um die Bedeutung der Geldpolitik gewusst. “Aber eine Situation, wie wir sie derzeit erleben, hat es zuvor einfach noch nie gegeben”, sagt Fiala. Weder Versicherer noch Versicherungsnehmer hätten bei Vertragsabschluss jemals davon ausgehen können, dass es in ferner Zukunft einmal nicht möglich sein könnte, den Garantiezins zu halten.
Geschäftsgrundlage gestört
“Die Geschäftsgrundlage älterer Lebensversicherungen war die Ansicht der Vertragsparteien, dass es am Kapitalmarkt immer einen auskömmlichen Zins geben wird”, erklärt Fiala. Da sich die Situation nun aber vollkommen verändert habe, sei die Geschäftsgrundlage gestört.
“Daher können Versicherer nach Paragraf 313 BGB natürlich Prämien erhöhen”, sagt Fiala. Zwar muss sich der Policeninhaber damit einverstanden erklären. “Tut er es nicht, ist das aber ein Grund für eine außerordentliche Kündigung”, sagt Fiala. Das wäre bitter für Kunden, die ihre Policen abgeschlossen haben, als dauerhafte Niedrigzinsen noch unvorstellbar waren.
von Dr. Johannes Fiala und Dipl.-Math. Peter A. Schramm
mit freundlicher Genehmigung von
www.fondsprofessionell.de (veröffentlicht am 15.06.2017)
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Über den Autor

PhD, MBA, MM
Dr. Johannes Fiala ist seit mehr als 25 Jahren als Jurist und Rechtsanwalt mit eigener Kanzlei in München tätig. Er beschäftigt sich unter anderem intensiv mit den Themen Immobilienwirtschaft, Finanzrecht sowie Steuer- und Versicherungsrecht. Die zahlreichen Stationen seines beruflichen Werdegangs ermöglichen es ihm, für seine Mandanten ganzheitlich beratend und im Streitfall juristisch tätig zu werden.
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