Massenhafte Anlegerschäden durch zu sichere Anlagen

– Weshalb das Kleinanlegerschutzgesetz nicht vor Anlageverlusten durch Niedrigzins schützt –

 

Verpflichtung zur anlegergerechten Beratung

Jede Anlageberatung muss nach dem BGH-Bond-Urteil (Bundesgerichtshof Urteil vom 14.06.2007, Az. XI ZR 12/93) anlegergerecht und objektgerecht sein. Anlegergerechte Beratung
bedeutet dass der Wissensstand des Kunden über Anlagegeschäfte der vorgesehenen Art, dessen finanzielle Verhältnisse sowie dessen Risikobereitschaft und dessen Anlageziel die Beratungsgrundlage sein müssen. Zur anlegergerechten Beratung gehört, dass die empfohlene Anlage den Kundenwünschen entspricht (Landgericht Heidelberg, Urteil vom 11.06.2013,
Az. 2 O 252/11).

 

Fehlendes Verständnis auf Seiten des Kunden führt zur Haftung

Vielfach verstehen jedoch Kunden bereits nicht die Anlagechancen und -risiken, da sie darüber nicht korrekt beraten wurden. Dabei besteht die Pflicht zu einer sorgfältigen,
richtigen, vollständigen, zeitnahen und vor allem verständlichen Beratung des Kapitalanlegers (BGH, Urteil vom 07.10.2008, Az. XI ZR 89/07).
Damit erwirtschaften viele Geldanlagen millionenfach zu niedrige Renditen, wenn das vom Kunden akzeptierte Risiko für eine bessere Aussicht auf höhere Rendite nicht ausgeschöpft wird.

 

Zu konservative Kapitalanlage führt zu entgangener Anlagerendite und zu hohen Restschulden

Wurde beispielsweise zur Refinanzierung eines Hypothekendarlehens eine Kapitallebensversicherung (KLV) empfohlen, die nach 12 Jahren noch einen Verlust ausweist, obwohl ein
Aktienfonds 11 % Rendite eingebracht hätte, liegt der Beratungsfehler zu konservativer Kapitalanlage auf der Hand.

 

Der Anleger bemerkt den Beratungsfehler nach drei Jahren und Investition von 30.000 EUR in eine KLV, kündigt diese, erhält nur 10.000 EUR zurück und investiert nun in den
Aktienfonds, der von Anfang an das Richtige gewesen wäre. Die 20.000 Verlust aus der KLV und den entgangenen Gewinn aus dem Aktienfonds macht er als Schaden geltend.
Zudem wäre die Geldanlage in einen Aktienfonds weitaus flexibler gewesen. Entscheidend kommt es auf die Anlegergerechtigkeit der Kapitalanlage an, die neben dem Risiko eben auch
die Chance umfasst.

 

Millionenfache Verlustgeschäfte über konservative Lebensversicherungen

Angesichts verlustreicher massenweiser Kündigungen von magerst verlaufenden KLV und vielleicht auch anderen konservativen Anlagen fragen sich die Kunden hinterher, ob die Beratung anlegergerecht gewesen war. Schließlich gibt es mehr als 80 Mio.
KLV-Verträge, von denen jedes Jahr rund 1 Mio. mit teils magerem Ergebnis beendet und noch weit mehr mit teils hohem
Verlust gekündigt werden. Der BGH (Urteil vom 14.06.2007, Az. III ZR 269/06) verpflichtet Versicherungsvermittler,  sich auch bei der KLV am Bedarf und der Leistungsfähigkeit des
Kunden zu orientieren, also anlegergerecht zu beraten – erst recht gilt dies für Finanzberater, die wähnen, mit der Vermittlung einer KLV statt eines anderen Finanzprodukt keinen
Fehler machen zu können.

 

Kunden haben rückblickend häufiger allen Grund für eine Unzufriedenheit alleine schon wegen der Intransparenz von Produkten, und dem späteren Gefühl dass die Beratung unverständlich
oder unvollständig gewesen war. Dieser Kundeneindruck wird noch verstärkt durch das Vorhandensein eines Schuldigen in Form des Vermittlers oder Beraters, der ja auch eine hohe nicht mitgeteilte Provision oder einen Bonus bekommen hat. In der Fachpresse liest der Kunde dann, dass er der einzige Verlierer gewesen ist – die Abschlusskosten jedoch bis zu mehr als
17% seiner Investition betragen haben.

 

Keine Rendite ohne anlegergerechtes Risiko

Es gibt wohl wenige konservative Anlagen, die so wie eine KLV zu über 50 % mit einem Verlust vorzeitig beendet werden. Gerade bei vorzeitiger Kündigung ist es für Kunden gut möglich,
die Auszahlung und die gezahlte Prämien gegenüberzustellen. Meist drängt sich die Diskrepanz bereits überschlägig auf. Oft wäre mit einer riskanteren Anlage – kaum jedoch mit einer fondsgebundenen Lebensversicherung – mehr herausgekommen. Hätte der Vermittler nach dem Risikoprofil des Kunden zu einer riskanteren aber chancenreicheren Anlage raten müssen, so kann der Vermittler für die Falschberatung oft haftbar gemacht werden.

 

Konservative europäische Unternehmens- und Staatsanleihen als sicheres Verlustgeschäft

Seit 2013 enthalten die Bedingungen für Staatsanleihen eine Klausel, dass die Kapitalrückzahlung später „zur Banken- oder Staatenrettung“ durch politische Entscheidung entfallen kann.
Auch bei Banken im Staatseigentum gab es bereits entsprechende Regierungsentscheidungen, wonach etwa bei Fälligkeit gewissen Nachranganleihen gar keine Tilgung mehr bezahlt werden wird.
Auch derartige konservative Kapitalanlagen bieten dabei eine vergleichsweise viel zu geringe Rendite.

 

Kaum Rettung der Vermittler und Berater durch Dokumentationen

Es ist alltäglich, dass Kunden vom Berater oder Vermittler eine geordnete formularmäßige Dokumentation pflichtwidrig in durchschnittlich weniger als einem Drittel der Fälle erhalten. Inhaltlich handelt es sich allenfalls um Textbausteine die durch „Fachsoftware“ generiert wurden oder Floskeln, welche eine vollständige und für Kunden auch verständliche Beratung
in der Regel natürlich gar nicht abbilden können. Damit wird die Dokumentation zum besten Beweismittel für Beratungsdefizite. Die häufig völlig fehlende Dokumentation führt bis
hinein in die Beweislastumkehr zu Lasten der Berater und Vermittler, insbesondere beim Versicherungsmakler und Anlageberater.

 

Kleinanlegerschutz durch Gesetz?

Künftig sollen weitere Produkte, wie etwa Nachranganleihen und Genussrechte zwingend neben einem Vermittlungs-Anleger-Informationsblatt auch mit einem Prospekt ausgestattet werden.
Dabei ist bekannt, dass die Regulierung durch administrative Vorgaben die Qualität der Beratung kaum verbessern wird. Vermittler werden dadurch vermutlich veranlasst, noch mehr auf renditeschwache aber als sicher geltende Produkte zu setzen, in der Hoffnung, damit ihre Haftung zu minimieren.
Dies führt aber nicht nur zu millionenfacher Anlegerschädigung infolge Niedrigzinsen mit sicherem Realverlust, sondern auch geradezu erst recht in die Haftung der Vermittler dafür. Den einzufordernden Schaden wird ein versicherungs- oder finanzmathematisches Gutachten ohne weiteres aufzeigen können.

 

Umgehungsmöglichkeiten bestehen weiter

Dabei ist es weiterhin möglich, mit einer reinen Versicherungsvermittlerzulassung die gefährlichsten Finanzprodukte ohne zugehörige Beratung legal zu verkaufen, wenn sie in eine
fondsgebundene Lebensversicherung eingepackt sind.
Denn die Fonds kauft formal nicht der Kunde, sondern der Versicherer, womit eine Beratungspflicht wie bei direkten Fondsanlagen gar nicht besteht. Sogar ganz ohne Zulassung kann ein jedwedes Finanzprodukt ggf. in Fondsform aber vermittelt oder verkauft werden, wenn es von einer gebrauchten Lebensversicherung – selbst aus der Karibik – ummantelt ist, gerne auch einer gerade erst abgeschlossenen sozusagen mit Tageszulassung.

 

von Dr. Johannes Fiala und Dipl.-Math. Peter A. Schramm

 

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Über den Autor

Dr. Johannes Fiala Dr. Johannes Fiala
PhD, MBA, MM

Dr. Johannes Fiala ist seit mehr als 25 Jahren als Jurist und Rechts­anwalt mit eigener Kanzlei in München tätig. Er beschäftigt sich unter anderem intensiv mit den Themen Immobilien­wirtschaft, Finanz­recht sowie Steuer- und Versicherungs­recht. Die zahl­reichen Stationen seines beruf­lichen Werde­gangs ermöglichen es ihm, für seine Mandanten ganz­heitlich beratend und im Streit­fall juristisch tätig zu werden.
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