Neue BGH-Urteile: Berufsunfähigkeitsrenten sind oft pfändbar und fallen in die Insolvenzmasse

Fehlerhafte Gestaltung bei Rürup- und Berufsunfähigkeitsrenten enden mit Sozialhilfeantrag

Zwei neue Entscheidungen des Bundesgerichtshof (BGH) vom 03.12.2009 (Az. IX ZR 189/08) und vom 15.07.2010 (Az. IX ZR 132/09) zeigen, dass auch Berufsunfähigkeitsrenten pfändbar sein können. Der Grund dafür ist zumeist in einer fehlerhaften Gestaltung durch Versicherungsgesellschaften und Ihre Vermittler zu suchen. Später notwendige Sozialhilfe ist damit dann vorprogrammiert!

 

Im Zweifel bleibt nur das Existenzminimum unpfändbar

Die gut versicherte Berufsunfähigkeit (BU) führt zur Rentenzahlung eines Versicherers. Solche privaten Renten sind nur „bedingt pfändbar“. Nach § 850 b I Nr.1  ZPO gilt dies auch dann, wenn der Versicherer erst Jahren nach Eintritt der BU seine Zahlungen aufnimmt und erst mal die Rückstände bedient. Denn die Kunden müssen sich meist lange um die Zahlung bemühen, bis sie damit zum Erfolg kommen – etwa jeder dritte Leistungsfall landet vor Gericht.

 

Bei bedingt pfändbaren BU-Renten kann sowohl jeder normale Gläubiger, als auch der eigene Insolvenzverwalter, bei Gericht eine Billigkeitsentscheidung darüber beantragen, welcher Betrag davon pfändbar ist. Anerkannt ist, dass der Schuldner und Versicherungskunde dadurch nicht sozialhilfebedürftig werden darf – das Existenzminimum wird also belassen. Diese Regelung ist für Arbeitnehmer, Beamte und Selbstständige gleichermaßen anwendbar. Verfügt der Schuldner über weitere Einkünfte, kann jedoch die BU-Rente am Ende vollständig pfändbar sein.

 

Versicherungsrenten von Selbstständigen und Freiberuflern fallen in die Insolvenzmasse

Im Grundsatz fallen alle pfändbaren Renten in die Insolvenzmasse, insbesondere solche zur Altersversorgung, wie der BGH bereits durch Beschluss vom 15.11.2007 (Az. IX ZB 34/06) entschieden hat. Sind die Versicherungsansprüche pfändbar, hilft regelmäßig auch nicht mehr der Einwand, dass eine besondere Härte nach § 765a ZPO vorliegt, weil man dadurch Sozialhilfeempfänger würde. Nur Altersrenten von Beamten und Angestellten sowie arbeitnehmerähnlichen Beschäftigten sind „wie Arbeitseinkommen“ pfändungsgeschützt – nicht aber unpfändbar, denn es bleibt die Rente oft nur teilweise, auf dem Niveau des Existenzminimums pfändungsgeschützt.

 

Typische Gestaltungsfehler bei Berufsunfähigkeitsrenten führen zur Pfändbarkeit

Der begrenzte Pfändungsschutz für eine sogenannte pfändungsgeschützte Altersvorsorge Selbständiger nach § 851 c ZPO setzt u. a. voraus, dass es sich um eine im Wesentlichen gleichbleibende „Leistung in regelmäßigen Zeitabständen lebenslang“ handelt. Eine isolierte BU-Versicherung, mit einem typischerweise vereinbarten Endalter für die Leistungen, also ohne dass nach Ende der BU-Rente eine Altersrente einsetzt, ist mithin nicht über § 851c ZPO geschützt.

 

Ebenfalls durch § 851 c ZPO nicht vor Pfändung geschützt sind aber auch Rüruprenten, bei denen die Leistungen nicht im Wesentlichen gleich hoch bleiben, z. B. weil eine höhere BU-Rente als die Altersrente versichert ist. Keinen Schutz genießen auch Fälle, in denen die BU-Rente endet, und erst Monate oder Jahre später sich die Altersrente anschließt.

Ganz typisch dafür sind Verträge mit Leistungslücken in der Versorgung, oftmals mit (neuerlicher) Prämienzahlungspflicht in einer Phase nach Ende der BU-Rente und vor Beginn der Altersrente.

Ebenfalls „tödlich“ für einen Pfändungsschutz bei Selbstständigen ist ein Vertrag, der ein Kapitalwahlrecht etwa bei der Altersrente vorsieht, denn damit entfällt der ohnehin begrenzte Pfändungsschutz des § 851c ZPO  auch bei der zeitlich vorgeschalteten BU-Rente.

 

Steuerschulden durch Pfändung der BU-Rente

Die bei Rürup mitversicherte BU-Rente ist zum größten Teil mit dem persönlichen Einkommensteuersatz zu versteuern.  Das interessiert bei der Pfändung aber zunächst niemanden – die BU-Rente wird erst einmal brutto ohne Steuerabzug gepfändet. Doch obwohl der Schuldner über seine BU-Rente nun nicht mehr verfügen kann, hat er sie dennoch beim Finanzamt zu versteuern. Woraus er diese Steuern zahlen will, wenn alles über dem Sozialhilfesatz gepfändet wird, bleibt seinem Einfallsreichtum überlassen. Das Finanzamt wird sich ggf. unter die Gläubiger einreihen und sich ebenfalls aus der BU-Rente bedienen.

 

Auswege für Selbstständige (Gewerbetreibende und Freiberufler)

Selbstständige können etwa in die gesetzliche Rentenversicherung oder ein geeignetes Versorgungswerk einbezahlen, um in der Ansparphase pfändungsgeschützte Rentenanwartschaften aufzubauen, §§ 7 SGB VI, 54 IV SGB I.

 

Bei Lebensversicherungsgesellschaften können Selbstständige hingegen jährlich nur zwischen 2.000 und 9.000 Euro  (je nach Alter) pfändungsgeschützt ansparen. In der höchsten Altersstufe darf man nur eine Gesamtsumme von 238.000 Euro angesammelt haben, § 851c ZPO. Dies bedeutet praktisch allenfalls eine „Rürup-Kleinrente“ zur Absicherung des Existenzminimums, sei es als BU- und/oder als private Altersrente. Damit soll also am Ende nur das Sozialamt entlastet werden – nichts anderes – also auch keine Wohltat für Selbständige – wollte der Gesetzgeber.

 

Noch unbedeutender ist die Möglichkeit eine pfändungsfreie Riesterrente aufzubauen, denn diesbezüglich sind nur die durch Zulagen wirklich geförderten Teile der Prämien geschützt, was praktisch allenfalls eine Kleinstrente mit fraglicher Rentabilität im Alter bedeuten kann.

 

In der Auszahlungsphase können diese Bezüge regelmäßig wie Arbeitseinkommen gepfändet werden, so dass dem Ledigen derzeit nur 990 Euro monatlich in der Insolvenz aus allen wie Arbeitseinkommen pfändbaren Einkünften zusammen verbleiben werden. Um diese Phase auf ein bis zwei Jahre abzukürzen, bietet sich bisweilen ein Insolvenzverfahren im Ausland an.

Weiterhin kann es eine Option darstellen, Vermögen im Ausland – durch wenige sich bietende Gestaltungen – wirksam vor dem Zugriff von Gläubigern und Insolvenzverwaltern legal zu sichern.

 

von Dr. Johannes Fiala und Dipl.-Math. Peter A. Schramm

 

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Über den Autor

Dr. Johannes Fiala Dr. Johannes Fiala
PhD, MBA, MM

Dr. Johannes Fiala ist seit mehr als 25 Jahren als Jurist und Rechts­anwalt mit eigener Kanzlei in München tätig. Er beschäftigt sich unter anderem intensiv mit den Themen Immobilien­wirtschaft, Finanz­recht sowie Steuer- und Versicherungs­recht. Die zahl­reichen Stationen seines beruf­lichen Werde­gangs ermöglichen es ihm, für seine Mandanten ganz­heitlich beratend und im Streit­fall juristisch tätig zu werden.
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