Rückabwicklung von geschlossenen Beteiligungen und Lebensversicherungen durch Anfechtung, Widerruf und Kündigung?

– Wie Kapitalanleger sich systematisch auch durch „Geld-zurück!-Auftrag“ täuschen lassen –

 

Aktuelles BGH-Urteil zur Nichtigkeit von „Geld-zurück-Aufträgen“

Der Bundesgerichtshof (BGH. Urteil vom 11.12.2013, Az. IV ZR 46/13) entschied,  dass der Aufkauf von „gebrauchten“ Lebensversicherungen null und nichtig ist, sofern es sich nicht um einen echten Forderungskauf handelt. Dafür notwendig wäre beispielsweise,  dass die Forderung gegen den Lebensversicherer endgültig auf einen Aufkäufer übergeht, sowie  dass der Ankäufer „das volle wirtschaftliche Risiko der Beitreibung der Forderung übernimmt“. Unschädlich ist aber, wenn im unerwarteten Todesfall der dadurch beim Aufkäufer entstehende Zusatzgewinn an den ursprünglich Bezugsberechtigten ausgekehrt wird.

 

Sogenannte Anlegernotdienste in der Haftungsfalle?

Freie Finanzdienstleister, auch solche ohne besondere Zulassung als Vermittler von Finanzprodukten bzw. Versicherungen, vermittelten in den letzten Jahren massenhaft den Ausstieg aus geschlossenen Beteiligungen wie Lebensversicherungsfonds, sowie Kapital- und fondsgebundenen Lebensversicherungen.

Zunächst bezahlen Anleger dafür bis zu weniger als 100 Euro „Kündigungsgebühr“, später noch eine Kostenbeteiligung über vielleicht 300 Euro, und erhalten dann nach Geldeingang von der „AnlegerNotruf“-Inkassogesellschaft neben dem Rückkaufswert bis zu weniger als die Hälfte der weiteren Erlöse – bei Restforderungen aus bereits gekündigten und zurückgekauften Lebensversicherungen bis zu weniger als einem Viertel der Erlöse.

 

„Mein Geld ist nicht verloren!“

In der Tat ist bei vielen Modellen, wonach das Inkassounternehmen verspricht „Wir holen Ihr Geld aus Ihrer Beteiligung und Lebensversicherung“ zurück, das Geld wirklich nicht verloren. Denn der BGH stellte einen Verstoß gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) fest, wonach dann alle Inkassoaufträge mit Vollmachten doppelnichtig sind. Ein derartiges Geschäftsmodell wird auch nicht dadurch legalisiert,  dass eine renommierte Anlegerschutzkanzlei bisweilen per Stapelvollmacht des Kapitalanlegers eingeschaltet wird. Denn wenn der Inkassogesellschaft die entsprechende Erlaubnis fehlt, kann sie dieses Defizit nicht durch einen Anwalt als Subunternehmer beseitigen. Die bloße Kostenübernahme für die Beziehung eines Rechtsanwaltes verleiht der Inkassogesellschaft keine Erlaubnis etwa zu Inkassotätigkeit oder beispielsweise einer Schuldenregulierung (BGH, Urteil vom 29.07.2009, Az. I ZR 166/06).

 

Wir fordern Ihr Geld zurück – gemeinsam sind wir stark?

Heikel könnte es für einen Zertifizierer werden, wenn er zulässt  dass mit seiner Expertise geworben wird, beispielsweise mit den Worten „Unsere Verfahren sind TÜV geprüft“. Der Anlegerschutzanwalt wird sich auch fragen müssen, ob eine Beitreibung nichtiger Rechtsansprüche – des Inkassounternehmens ohne Zulassung – auch auf die ihm erteilte Vollmacht durchschlägt. Ergänzend wird sich der Lebensversicherungskunde bzw. Kapitalanleger fragen, ob es ausreichend ist, wenn lediglich „Widerrufserklärung, Abtretungsanzeige und Anfechtung“ vom Fließband laufen, anstatt die Fallbearbeitung individuell und umfassend im Einzelfall durchführen zu lassen.

 

Werbung mit Musterverfahren oder Verjährungsfalle?

Vielfach haben Rechtsbeistände oder Inkassogesellschaften mit „Musterverfahren“ geworben. In gewisser Regelmäßigkeit wurden dann einige Verfahren im Rahmen einer „Interessen-, Anleger- oder Anspruchsgemeinschaft“ vorangetrieben, während die Masse der Kapitalanleger in ihrem eigenen Fall zugewartet hatten, und Verjährung eingetreten war. Die notwendige rechtliche Absicherung der Sponsoren von Musterverfahren gab es vielfach nicht. Im Übrigen stehen Vermittlern illegaler Inkassoverträge auch keine Provisionen zu. Soweit auf Seiten der Anleger in geschlossenen Beteiligungen oder von Versicherungsnehmern durch nichtige Inkassogeschäfte die Rechtsansprüche verjährt sind, stehen die Beteiligten in der Regresshaftung.

 

Auch der Lebensversicherer haftet

Die Haftung kann auch den Lebensversicherer treffen, der hätte erkennen müssen, dass die Vollmacht zu Kündigung und Auszahlung des Rückkaufswertes nichtig war. U.U. bleibt er aus dem ungekündigten Vertrag weiter verpflichtet, kann aber nur bis zur Verjährungsgrenze auch die nach letztlich unwirksamer Kündigung nicht mehr gezahlten Prämien dafür verlangen. Ähnlich verhält es sich mit den vielfach verwendeten umfassenden Maklervollmachten, die diesem auch im Umfang eine verbotene Rechtsdienstleistung erlauben und damit – für den Versicherer bei genauem Hinsehen erkennbar – nichtig sind. So kann der Lebensversicherer noch nach Jahren die Leistung aus einem – deshalb unwirksam – vom Makler gekündigten Vertrag erbringen müssen, ohne aber die bereits verjährten Prämienansprüche dafür zu erhalten. Umgekehrt sind auch vom Makler durch (letztlich nichtige) Vollmacht abgeschlossene Versicherungen nichtig und vom Versicherer rückabzuwickeln.

 

Optimierte legale Prozessfinanzierung

Wirtschaftlicher Einstieg bei der Rückabwicklung von geschlossenen Beteiligungen und Lebensversicherungen ist die Schadensermittlung – häufig eine Aufgabe für Finanz- oder Versicherungsmathematiker und entsprechende Sachverständige.

Rechtlicher Einstieg einer Rückabwicklung sind nicht lediglich „Anfechtung, Widerruf und Kündigung“, sondern die Grundsätze der Rechtsprechung zu den Pflichten bei der Vermittlung oder Beratung bei Kapitalanlagen. Häufig kommt es dabei auf die individuellen Beratungsgespräche mit den Anlegern an, sowie die eingesetzten Prospekte und Musterberechnungen, wenn eine zum persönlichen Sparziel und der individuellen Tragfähigkeit bei Verlusten ungeeignete Kapitalanlage vermittelt wurde.

 

Nichtiger „Geld zurück!-Auftrag“

Ein Aufkäufer von Ansprüchen geschädigter Kapitalanleger täuscht seine Kunden, wenn er eine Prozeßfinanzierung verspricht, jedoch gerade nicht den vom Kunden auszuwählenden und zu beauftragenden Rechtsanwalt finanziert, sondern selbst im eigenen Namen als Inkassogesellschaft ohne Zulassung operiert. Zulassungsfrei wäre demnach nur der echte Forderungskauf, ohne beim Kapitalanleger verbleibendes Bonitätsrisiko und ohne damit einhergehende Erfolgsbeteiligung.

 

Wiederholte Enttäuschung der Kapitalanleger?

Der BGH stellte klar,  dass das RDG nicht durch Verlegung der Niederlassung einer gewerblichen Inkassogesellschaft in die liberalere Schweiz umgangen werden kann. Ein weiterer entscheidender Gestaltungsfehler bei derartigen Modellen zum Masseninkasso liegt darin,  dass eine von Anfang an wirksame Wahl des ausländischen Rechts nicht vorgesehen war. Im vom BGH entschiedenen Fall, war offenbar die Nichtigkeit der Inkassovereinbarung nicht rechtzeitig genug nachträglich beseitigt worden, was der Inkassogesellschaften und ihren Rechtsbeiständen nun vor die Füße fällt. Der Aufkauf gebrauchter Lebensversicherungen ist in den letzten Jahren massiv zurückgegangen, was nicht zuletzt der Finanzmarktkrise und dem Wertverfall geschuldet ist. Manche Inkassogesellschaft besitzt keinen geeigneten Rechtsbeistand als Mitarbeiter, um eine Inkassozulassung zu erhalten.

 

Steuersparmodell durch Gestaltungsmissbrauch?

Es dürfte kein Zufall sein,  dass Inkassogesellschaften bei Lebensversicherungen gerne ihre Firma in die Schweiz verlegen, denn die von Lebensversicherern einbehaltende Kapitalertragsteuer bzw. Abgeltungssteuer können sich „Devisenausländer“ beim Fiskus regelmäßig nur auf Antrag erstatten lassen. Verkäufer gebrauchter geschlossener Beteiligungen und gebrauchter Lebensversicherungen werden sich nachträglich vielleicht fragen, weshalb sie an einem eventuellen steuerlichen Vorteil bisher nicht beteiligt wurden? Weitergehender Ärger kann jedoch nicht nur Inkassogesellschaften als faktischen Vermögensverwaltern und steuerlichen Haftungsschuldnern ihrer Kunden drohen, etwa wegen Gestaltungsmissbrauch, sondern auch jenen Verkäufern von Lebensversicherungen und geschlossenen Beteiligungen, die den Kaufpreis rechtsirrig für steuerfrei hielten und daher das eigene Wohnsitzfinanzamt gar nicht erst mit den Einzelheiten zum Sachverhalt belastet haben. Ein nichtiger Vertrag mit der Inkassogesellschaft kann dann hierbei steuerlich von Nutzen sein.

 

von Dr. Johannes Fiala und Dipl.-Math. Peter A. Schramm

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Über den Autor

Dr. Johannes Fiala Dr. Johannes Fiala
PhD, MBA, MM

Dr. Johannes Fiala ist seit mehr als 25 Jahren als Jurist und Rechts­anwalt mit eigener Kanzlei in München tätig. Er beschäftigt sich unter anderem intensiv mit den Themen Immobilien­wirtschaft, Finanz­recht sowie Steuer- und Versicherungs­recht. Die zahl­reichen Stationen seines beruf­lichen Werde­gangs ermöglichen es ihm, für seine Mandanten ganz­heitlich beratend und im Streit­fall juristisch tätig zu werden.
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