Wie den Makler auch Schutzpflichten gegen Dritte treffen können – Teil 2

Eine fehlende Dokumentation führt bereits dazu, dass Gerichte bis hin zur Beweislastumkehr zulasten des Versicherungsmaklers entscheiden. Dieses Problem mag im Einzelfall noch durch einen stets unsicheren Zeugenbeweis zu kompensieren sein. Ein größeres Problem ist die sogenannte sekundäre Darlegungslast, wie sie auch bei fehlerhafter Vermittlung von Kapitalanlagen seit Jahrzehnten von Gerichten gefordert wird.

 

Behauptet ein Kunde, dass er fehlerhaft beraten wurde oder die Beratung auch nur fehlerhaft verstanden hat, so ist es Sache des Vermittlers konkret darzulegen, wie er beraten hat – und warum er sich sicher sein konnte, dass der Kunde ihn auch zutreffend verstanden hatte.

 

Fehlende Dokumentation als doppelte Haftungsfalle

So verhält es sich für den Fall, dass der VN lediglich die richtige Beratung nicht verstanden hat, etwas überhört, vielleicht missverstanden oder vergessen wurde. Die Dokumentation hätte es dann dem VN aber ermöglicht, nach der mündlichen Beratung nochmal die Gründe zu prüfen, was ihn vor einer Fehlentscheidung bewahrt hätte. Da dies auf der Pflichtverletzung beruht, dass die Dokumentation nicht erstellt wurde, wird häufiger – trotz sogar objektiv nachweisbar richtiger „mündlicher“ Beratung – eine Haftung für den Schaden durch Vertragsabschluss in den Raum gestellt.

 

Trotz richtiger Beratung führt fehlende Dokumentation zur Haftung

Nur verschärfend kommt hinzu, dass gegenüber einem in den Schutzbereich einbezogenen Dritten der Verzicht des VN auf Dokumentation (oder gar Beratung) kaum wirken kann – vor allem, wenn der Makler sich auf eine noch so minimale Beratung eingelassen hatte. Es hilft wohl auch nichts, erst die Pizza mit Rattengift zu garnieren und dann zu sagen: „Ich würde diese Pizza nicht essen, weil ich sie für ungesund halte!” Und wenn der Kunde mit „Ja mei, wos hams g’sagt?“ zu erkennen gibt, dass er es nicht verstanden hat: „Essen Sie die Pizza langsam – sie ist heiß!“

Die Dokumentation dient nicht lediglich zum Beweis der (richtigen) Beratung – sondern auch zur Vermeidung einer Fehlentscheidung angesichts der komplexen Materie, die bei Dokumentation rechtzeitig aufgefallen wäre: Damit ist der Schaden direkt nur auf eine Verletzung der Pflicht zur Dokumentation zurückzuführen, für die der Makler dann trotz sonst korrekter mündlicher Beratung haftet. Das Missverständnis des Kunden ist bisweilen gewollt – damit der Kunde sich ohne Gefühl von Risiken für ein Produkt entscheidet.

Daher verlangt der Gesetzgeber, dass alles dem VN in Textform gegeben wird, weil er sich nicht auf sein Gedächtnis verlassen soll. Im Haftungsprozess wird vom VN nur dargelegt, was in der Dokumentation hätte stehen müssen, und dass er dann den Fehler nicht gemacht hätte, weil er ihn in Ruhe bei Durchsicht der Dokumentation erkannt hätte, bei der mündlichen Beratung aber übersehen hat. Die Fixierung auf die mündliche Beratung als Ersatz für die Dokumentation erweist sich als Irrweg. Nach dem Motto: Eine schriftliche Anklage oder ein Urteil, warum wir ihn aufhängen, hat er zwar nicht bekommen, aber wir haben Zeugen, dass wir es ihm erklärt haben, und er hatte Gelegenheit, sich zu äußern, vor und nach dem Urteil.

 

Rechtsirrtum der Versicherungswirtschaft über den Willen des EU-Gesetzgebers?

Der Vermittler hat

„zu beraten sowie die Gründe für jeden zu einer bestimmten Versicherung erteilten Rat anzugeben. Er hat dies unter Berücksichtigung der Komplexität des angebotenen Versicherungsvertrags nach § 62 [VVG] zu dokumentieren”,

 

61 VVG: Eben nicht nur, dass er beraten hat, sondern auch den konkreten Inhalt mit allen Gründen. Der VN sagt dann (sofern er eine Dokumentation erhält): Ich habe beim Durchlesen das Problem nicht mehr erkennen können – und dass ich mich ergänzend an jedes Detail des Gesprächs erinnern soll, kann man nicht verlangen, denn dafür ist die Dokumentation ja da.

Die EU-Regulierung des Versicherungsvermittlers geht wohl davon aus, dass es ihn halt gibt und man ihn braucht, man aber den Kunden vor ihm beschützen muss. Mancher Versicherer oder Lobbyverband meinte irrig, dass die Dokumentation nur zur Geltendmachung von Schadenersatzrechten dienen würde. So aber steht es nicht im Gesetz, §§ 62, 63 VVG. Auch die Erläuterungen der Bundestags-Drucksachen sprechen generell von der Geltendmachung von Rechten, und davon, dass die Dokumentation zum (also vor) Vertragsschluss vorliegen bzw. dazu verfügbar sein muss, was dann auch ein Widerrufsrecht beinhaltet.

Daniel Paluka schreibt in seinem Werk „Die Informations-,Beratungs- und Dokumentationspflichten im neuen Recht der Versicherungsvermittler“ (Regensburg 2007) zutreffend: „Durch die Dokumentation kann der Kunde

  • nachvollziehen, ob seine Auskünfte richtig und vollständig waren,

 

  • bei Bedarf seine Auskünfte ergänzen oder korrigieren,

 

  • erkennen, dass das Produkt für ihn in seiner Situation eine angemessene Entscheidung ist.“Die EU wollte eine gute Beratung um Schäden vom VN abzuwenden, nicht verbesserte Beweismöglichkeiten bei schlechter Beratung, wenn der Schaden schon eingetreten ist. Das ist wie wenn der Richter dem Delinquenten mündlich sein Urteil verkündet und begründet, und ihn dann fragt, ob es dazu Bemerkungen gibt, und er die schriftliche Ausfertigung dann erst in die Jackentasche gesteckt bekommt, wenn er schon mit hinten zusammengebundenen Händen auf dem Pferd unter dem Ast mit der Schlinge um den Hals sitzt. Für ein späteres Rehabilitationsverfahren reicht es zeitlich noch allemal zur Beweissicherung, auch noch nach 400 Jahren, wie schon der Fall Giordano Bruno gezeigt hat.Lobbyarbeit der Versicherer führt Vermittler direkt in die HaftungsfalleDies könnte die Beratungsprozesse für die meisten Vermittler so erschweren, dass sie aufgeben müssten. Die Dokumentationspflicht wird zudem zur Ursache verschärfter Haftung, ohne jede Chance, noch eine korrekte mündliche Beratung beweisen zu dürfen. Die fehlende Dokumentation als selbsterlaubte Arbeitserleichterung für Vermittler erweist sich als Bumerang. Formular-Beratungsdokumentation mit Textbausteinen oder zum Ankreuzen?„Der Beratungsdokumentation soll der wesentliche Gesprächs- und Beratungsinhalt entnommen werden können. Aus den von den Beklagten zu den Akten gereichten Beratungsunterlagen (Anlage K1) kann hingegen nicht einmal im Ansatz entnommen werden, wie eine Beratung des Klägers durch die Mitarbeiterin der Beklagten zu 1) erfolgte. Es sind lediglich einige der vorgegebenen Themen angekreuzt, ohne dass sich der Inhalt der Gespräche oder die Fragen, die geklärt wurden, erkennen lassen.“Wer sich die PKV im Alter nicht leisten kann, aber eine bessere Krankenversorgung im Alter wünscht, ist auf die in etwa gleichen Leistungen des PKV-Basistarifes wie in der GKV hinzuweisen, sowie auf die unterschiedlichen Kosten. Auch über unterschiedliche Beitragszuschüsse der gesetzlichen Rentenversicherung wäre aufzuklären. Wenn denn zur Entscheidung des OLG Köln eine Fachzeitschrift titelte „Vermittler muss nicht über das GKV-System aufklären“, so ist gemäß ständiger Rechtsprechung das genaue Gegenteil zutreffend, wenn sich ein entsprechender Beratungsbedarf abzeichnet.

 

  • In diesem Urteil des OLG Hamm werden zahlreiche Beratungspflichten beim Wechsel von der GKV in die PKV angesprochen, wie etwa das Einkommen im Alter, um sich die PKV noch leisten zu können, die Abhängigkeit der Beitragshöhe in der PKV – auch im zeitlichen Vertragsverlauf,  die einkommensunabhängigen Beiträge, auch im PKV-Basistarif. Auch auf den nötigen Vermögensverbrauch (bis auf das Schonvermögen) als Voraussetzung für eine Beitragshalbierung im Basistarif wäre hinzuweisen gewesen (§ 12 Abs. 1c VAG) sowie den Begriff der Hilfebedürftigkeit i. S. v. SGB II oder XII.

 

  • Das OLG Hamm (Urteil vom 24.06.2015, Az. I-20 U 116/13) erläuterte u. a.:

 

  • Klar, dass Versicherer kaum damit leben können, wenn die mündliche Beratung nur eine Vorbesprechung zur Erstellung einer schriftlichen, fundierten Entscheidungsgrundlage ist. Folge: Ergibt sich aus dem schriftlichen Dokument ein Fehler, so kann der Vermittler sich nicht mehr darauf berufen, er habe mündlich aber richtig beraten. Die Dokumentation erscheint dann für jeden Kunden der beste Beweis einer Fehlberatung. Die nachweisbar korrekte mündliche Beratung heilt nicht mehr die fehlerhafte Dokumentation, sondern diese entwertet vielmehr selbst die zuvor korrekte Beratung.

 

  • Nach der Vorstellung der EU sind die Gründe für jeden erteilten Rat also Auskünfte, welche auf Papier oder Datenträger zu erteilen sind. Das ist die Dokumentation der Beratung. Die EU kennt dies nur schriftlich und zwar vor Abschluss des Vertrages. Die EU hat gar nicht die Vorstellung, dass es auf die mündliche Beratung ankäme, und diese dann lediglich noch sozusagen für Dritte (so den Rechtsanwalt) zur Lektüre wegen Beweissicherungsgründen dokumentiert werde. Die EU will vielmehr, dass die Kundenentscheidung selbst auf schriftlichen/textlichen Informationen beruhen soll, einschließlich einer Dokumentation.

 

von Dr. Johannes Fiala und Dipl.-Math. Peter A. Schramm

 

mit freundlicher Genehmigung von

www.experten.de (veröffentlicht am 12.08.2016)

 

Link: https://www.experten.de/2016/08/12/wie-den-makler-auch-schutzpflichten-gegen-dritte-treffen-koennen-teil-2/

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Über den Autor

Dr. Johannes Fiala Dr. Johannes Fiala
PhD, MBA, MM

Dr. Johannes Fiala ist seit mehr als 25 Jahren als Jurist und Rechts­anwalt mit eigener Kanzlei in München tätig. Er beschäftigt sich unter anderem intensiv mit den Themen Immobilien­wirtschaft, Finanz­recht sowie Steuer- und Versicherungs­recht. Die zahl­reichen Stationen seines beruf­lichen Werde­gangs ermöglichen es ihm, für seine Mandanten ganz­heitlich beratend und im Streit­fall juristisch tätig zu werden.
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