Altersversorgung: Geht es ans Eingemachte?

Streichung der Bewertungsreserven Thema nach der Bundestagswahl / Verluste bis zu mehr als 15 Prozent

 

Seit mehr als zehn Jahren leiden die Renditen der Lebensversicherungen unter den niedrigen Kapitalmarktzinsen.
Abstriche von bis zu mehr als 30 Prozent gegenüber den noch bis zur Jahrtausendwende erweckten Erwartungen sind dadurch die Regel. Doch erleben Kunden mit gekündigten oder abgelaufenen Verträgen seit etwas über rund einem Jahr einen kleinen Lichtblick: Gerade wegen niedriger Zinsen erhalten sie bis zu mehr als 15 Prozent Leistung extra aus den sogenannten Bewertungsreserven.

Diese sind zuletzt stark gestiegen, weil die höherverzinslichen Papiere, in die Lebensversicherungen vor vielen Jahren investiert haben, an der Börse infolge der geringeren Marktzinsen weit mehr wert geworden sind, als seinerzeit dafür bezahlt wurde.

Diesen Gewinn, als Überschuss des sogenannten Zeitwertes in Form des Börsenwertes über den als Buchwert zählenden
Einkaufspreis, die sogenannten Bewertungsreserven, müssen die Versicherungen gesetzlich zur Hälfte mit ihren Kunden bei Fälligkeit – Ablauf oder Kündigung – einer Kapitallebens- oder –rentenversicherung teilen. Wegen der stark gesunkenen Marktzinsen erhalten Kunden gerade mit bereits lange laufenden Verträgen so zusätzliche Zahlungen von bis zu mehr als 15 Prozent.
Bei einem Lebensversicherungsvertrag, der 30 Jahre lang mit monatlich 200 Euro bespart wurde, können die Bewertungsreserven so eine Ablaufleistung von 110 000 Euro durchaus um 20 000 Euro und mehr bis auf über 130 000 Euro steigern.

Diese erheblichen Abflüsse allerdings sehen die Versicherer jedoch gar nicht gerne, denn das Geld würde eigentlich dringend in den nächsten Jahren benötigt, um die Leistungsfähigkeit bei weiter laufenden Verträgen aufrechtzuerhalten. Anfang dieses Jahres ist der Versuch am Einspruch des Bundesrates gescheitert, diese Beteiligung auf ein Minimum einzudampfen.
Die Aufsichtsbehörde Ba-Fin wie auch die Versicherungslobby in Form des Gesamtverbandes der Versicherungswirtschaft sind jedoch entschlossen, es dabei nicht zu belassen.
So steht die Agenda der fast vollständigen Streichung der Beteiligung an den Bewertungsreserven weiterhin auf dem Programm – bald nach der Bundestagswahl könnte sie umgesetzt werden.
„Wir halten es für notwendig, dass dieses Thema in der nächsten Legislaturperiode wieder aufgegriffen und entsprechend auch ernsthaft behandelt wird“, forderte der GDV-Lobbyist Schwark jüngst gegenüber Plusminus.

Im Vorgriff darauf weisen viele Versicherer die hohen Bewertungsreserven in Standmitteilungen, Ablaufprognosen und bei den  Rückkaufswertmitteilungen schon nicht mehr aus. Auf Nachfrage heißt es dann, dass man dies unterlasse, weil man nichts ausweisen will, was demnächst ohnehin gestrichen wird. Lediglich noch der meist weit geringere Anteil für eine sogenannte deklarierte Sockelbeteiligung an der Bewertungsreserven wird noch genannt, der aber regelmäßig nur einen Bruchteil der tatsächlich gesetzlich dem einzelnen Kunden derzeit noch zustehenden Beteiligung an den Bewertungsreserven darstellt.

Viele Versicherten meinen daher, die Leistungen seien bereits um zweistellige Prozentsätze zusammengestrichen worden. Dies steht bzw. fehlt aber bisher nur auf dem Papier, denn bei Kündigung würden sie diese Beteiligung laut Gesetz derzeit noch völlig sicher erhalten. Das Geld ist – noch – nicht weg. Rechnet man genau, stellt sich bei nur noch wenige Jahre laufenden Verträgen oft heraus, dass sich durch die Bewertungsreserven derzeit eine so hohe Leistung als Rückkaufswert bei Kündigung ergibt, dass die Weiterführung des Vertrages mit weiterer Beitragszahlung oder auch mit Beitragsfreistellung demgegenüber sogar zu einem Gesamtverlust führt, sobald der Gesetzgeber die Bewertungsreserven größtenteils wie gewünscht zusammenstreicht.

In dieser Ausnahmesituation kann nicht mehr uneingeschränkt behauptet werden, dass eine Kündigung einer Lebensversicherung immer nachteilig wäre. Im Gegenteil, wirkt die  Beteiligung an den Bewertungsreserven objektiv wie eine Abwrackprämie für Lebensversicherungen, mit allerdings ungewisser ggf. kurzer Befristung. Wer allerdings seinen Versicherer fragt, wie hoch die Beteiligung an den Bewertungsreserven bei Rückkauf wäre, erhält meist gar keine Antwort. Wer deshalb sich bei einer Kündigung nicht überraschen lassen möchte, kann den Vertrag durch einen versicherungsmathematischen Sachverständigen prüfen lassen, der die Bewertungsreserven anhand des Vertragsverlaufes recht genau abschätzen kann.

Dabei hat sich in etwa jedem zweiten Fall gezeigt, dass die Fortführung bei gestrichenen Bewertungsreserven zu einer Negativrendite gegenüber dem sofortigen Rückkauf geführt hätte. Angesichts auch nur Renditen von um die 4 Prozent bei Vertragsfortführung und unterstellter – eher unwahrscheinlicher – Aufrechterhaltung der Bewertungsreserven überwiegt nicht selten das Risiko der Streichung über die Chancen der Fortführung.

Bei der Werbung für neu abzuschließende Lebens- und Rentenversicherungen werden hingegen oft noch sehr hohe Bewertungsreserven in der Ablaufleistung oder rentenerhöhend  ausgewiesen, obwohl sie gleichzeitig wegen der beabsichtigten Streichung den Bestandskunden schon nicht mehr genannt werden. Hier könnte sich der Vorwurf der Werbung mit überhöhten Beispielrechnungen ergeben, mit der Folge, dass der Versicherer für die Überhöhung haftet, letztlich also die ausgewiesenen Bewertungsreserven auch auszahlen muss. Seit der Reform des Versicherungsvertragsgesetzes im Jahre 2008  besitzen Versicherungsnehmer einen Rechtsanspruch auf Beratung, sobald für den Versicherer ein Anlass für eine Nachfrage und Beratung des Versicherungsnehmers erkennbar ist. Verstößt der Versicherer hiergegen, kann er schadensersatzpflichtig werden.

Das Vertrauensverhältnis kann so sehr leiden, dass ein weiteres Festhalten am Vertrag unzumutbar wird, und sich eine außerordentliche fristlose Kündigung anbietet. Aufhänger dafür wären unrichtige Darstellungen der vertraglichen Leistungen oder „wenn die Erfüllung des Versicherungsvertrages durch den Versicherer unsicher geworden ist“ (BGH, Urteil vom 04.04.1951, Az. II ZR 32/50). Nicht nur bei Schieflage des Versicherers wird die Weiterführung des Vertrags unzumutbar werden.

Selbst vertraglich oder laut Versicherungsvertragsgesetz ordentlich unkündbare Verträge (z.B. Rürup oder die pfändungsgeschützte Altersvorsorge Selbständiger) können bei einer wirtschaftlichen Notlage auf Seiten des  Versicherungsnehmers gesetzlich laut BGB außerordentlich fristlos kündbar sein, mit Anspruch auf den Rückkaufswert.
Bei einer Streichung der Bewertungsreserven durch den Gesetzgeber verbleibt vielen Versicherten keine Vorwarnzeit.
Bei monatlicher Kündigungsfrist und aufmerksamer Beobachtung der Gesetzgebung ist nicht auszuschließen, dass bei monatlicher Zahlungsweise noch binnen Monatsfrist rechtzeitig gekündigt und der Rückkaufswert noch inklusive Bewertungsreserven vereinnahmt werden kann, bevor das Gesetz wirksam wird.

Bei jährlicher Zahlungsweise – auch bei halb- oder vierteljährlicher – ist allerdings monatliche Kündigung vertraglich regelmäßig gar nicht zulässig – hier bleibt daher oft bis zum Wirksamwerden der Gesetzesänderung keine ausreichende Frist mehr bis zur Kündigung. Dann ist der nächste Kündigungstermin in 2013 – wenn nicht bereits vorbei – womöglich der letzte, um einen hohen – abhängig von der Gesetzgebung mehr oder weniger wahrscheinlichen – Verlust zu vermeiden. In vielen Versicherungsverträgen sind neben der Beteiligung und den Bewertungsreserven teils hohe Schlussüberschüsse – bis zu mehr als 10 Prozent der Gesamtleistung – deklariert. Diese Deklaration kann allerdings jährlich – also wieder zum 01.01.2014 über das Jahresende – geändert werden, bis zur völligen Streichung der Schlussüberschüsse.

Einige Versicherer haben bereits zum Jahresbeginn 2013 die Schlussüberschüsse in Verträgen mit 4 Prozent Garantiezins völlig oder zum größten Teil ohne Vorwarnung gestrichen – weitere können ab Jahresbeginn 2014 folgen. Auch hier droht also eine deutliche Einbuße – und auch hier kann eine Kündigung mit Wirkung in 2013 bei Verträgen, die in den nächsten Jahren ohnehin auslaufen würden, oft noch einen großen Teil der Schlussüberschüsse vor einer möglichen Streichung retten. Doch auch hier sollte jedoch vor einer Entscheidung über Kündigung oder Fortführung eine genauere Prüfung erfolgen.

 

von Dr. Johannes Fiala und Dipl.-Math. Peter A. Schramm

mit freundlicher Genehmigung von

www.dtz-online.de

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Über den Autor

Dr. Johannes Fiala Dr. Johannes Fiala
PhD, MBA, MM

Dr. Johannes Fiala ist seit mehr als 25 Jahren als Jurist und Rechts­anwalt mit eigener Kanzlei in München tätig. Er beschäftigt sich unter anderem intensiv mit den Themen Immobilien­wirtschaft, Finanz­recht sowie Steuer- und Versicherungs­recht. Die zahl­reichen Stationen seines beruf­lichen Werde­gangs ermöglichen es ihm, für seine Mandanten ganz­heitlich beratend und im Streit­fall juristisch tätig zu werden.
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