Auch geringfügige Geschwindigkeitsüberschreitung ändert die Haftungsquote

– Wann Schadensregulierungen durch Versicherungsmakler und Kfz-Versicherer fehlerhaft sind –

 

„Es gibt auch keine Regel, wonach eine bestimmte Geschwindigkeits-Überschreitung unerheblich sei.”, formulierte das OLG Frankfurt/Main in einem aktuellen Urteil vom 15.04.2014 (Az. 15 U 213/13). Der „zu schnelle Kläger“ bekam in zweiter Instanz ein Viertel Mitverschulden.

 

Regulierungsfehler von Versicherungsmaklern

Es gibt eine Meinung – auch unter Versicherungsmaklern – dass eine geringfügige “übliche” Geschwindigkeitsüberschreitung (hier 7 km bei 30 km) allenfalls mit einem Ordnungsgeld geahndet werden sollte, aber für die Haftungsfrage bei KFZ-Unfällen irrelevant sein sollte. Es gibt auch Urteile, die die Vermutung nahelegen, dass es bei einem Unfall wegen nicht gewährter Vorfahrt nicht erheblich ist, dass der Vorfahrtsberechtigte etwas zu schnell war. Dies ist auch die Meinung vieler Makler und auch von Schadenregulierern bei Versicherern. So auch in einem vom Landgericht (LG) Wiesbaden (Urteil vom 22.10.2013, Az. 8 O 129/11) zunächst entschiedenen Fall, wo den um 7 km zu schnellen Vorfahrtsberechtigten laut Versicherer zunächst keine Quote treffen sollte.

 

Oberlandesgericht Frankfurt korrigiert LG Wiesbaden

Die Entscheidung des LG Wiesbaden erging, obwohl der Sachverständige feststellte, dass der Schaden bei vorschriftsmäßigen 30 km nur halb so hoch gewesen wäre. Das OLG stellte fest, dass die 7 km relevant seien, weil sie die für die Quotelung des Schadens relevante “Betriebsgefahr” erhöhen.

Derart fehlerhafte Schadensregulierung durch Versicherer scheint bisher in der Praxis üblich zu sein, also die Betriebsgefahr und das Mitverschulden bei geringfügiger Geschwindigkeitsüberschreitung von Anfang an erst gar nicht zu berücksichtigen. Damit geraten Versicherungsmakler und Schadenregulierer in eine Haftungsfalle, weil zumindest ein Unfallbeteiligter eine zu niedrige Entschädigung von der Gegenseite erhält.

Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main stellt dazu klar: „Ohne Erfolg berufen sich die Beklagten darauf, die Geschwindigkeitsüberschreitung sei so gering, dass sie überhaupt nicht ins Gewicht falle und hinter dem Verursachungsanteil des Klägers zurückfalle. Grundsätzlich gilt, dass es Sache jedes Verkehrsteilnehmers ist, auf die Einhaltung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu achten. Dies lässt sich durch einen Blick auf den Tachometer bewerkstelligen. Bei Überschreitung der Geschwindigkeit ist er ständig gehalten, sie auf das zulässige Maß zu reduzieren (BGH, a.a.O., NJW 2005, 1940). Es gibt auch keine Regel, wonach eine bestimmte Geschwindigkeits-Überschreitung unerheblich sei.”

 

Zu niedrige Entschädigung durch fehlerhafte Schadensregulierung

Es ist also völlig korrekt, wenn eine Geschwindigkeits-Überschreitung als Erhöhung der Betriebsgefahr bei der Quotelung des Schadens berücksichtigt wird, soweit sie sich auf die Schadenhöhe ausgewirkt hat. Versicherer, die sich über solche Grundsätze hinwegsetzen, handeln pflichtwidrig.

Ein erhöhtes Klageaufkommen ist in Kauf zu nehmen, weil es dem Recht dient. Versicherer können dies vermeiden, indem sie sich selbst an das Recht halten und ihre Entscheidung nachvollziehbar begründen. Sollten sie aber solche Rechtsgrundsätze einfach ignorieren, dürfen sie sich wie hier nicht wundern, wenn sie sich einer Klage gegenübersehen und sie erst vor Gericht belehrt werden.

Als Makler, der auch mit Schadenabwicklungen befasst ist, wäre es haftungsträchtig, leichte Geschwindigkeits-Überschreitungen als Bagatelle abzutun. Die Denkweise manches Maklers erinnert rückblickend an das Motto: “Maximiere die eigene Haftung, indem ich meinem Gerechtigkeitsgefühl zu Lasten meines Kunden folge”:

 

Keine gesetzliche Toleranzgrenze für 10% oder 10 km/h Geschwindigkeitsüberschreitung

Die Argumentation des OLG Frankfurt/Main führt auch dazu, dass zukünftig fast jeder Verkehrsunfall geschwindigkeits-technisch auf den Prüfstand müsste. Denn eine Geschwindigkeitsüberschreitung von 20 Prozent (60 statt 50 Stundenkilometer) ist wohl (und leider) eher Standard als Ausnahme. Ein gefundenes Fressen für manchen Kraftfahrzeug-Haftpflicht-Schadensachbearbeiter und folglich ein erhöhtes Klageaufkommen.

 

 

von Dr. Johannes Fiala und Dipl.-Math. Peter A. Schramm

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Über den Autor

Dr. Johannes Fiala Dr. Johannes Fiala
PhD, MBA, MM

Dr. Johannes Fiala ist seit mehr als 25 Jahren als Jurist und Rechts­anwalt mit eigener Kanzlei in München tätig. Er beschäftigt sich unter anderem intensiv mit den Themen Immobilien­wirtschaft, Finanz­recht sowie Steuer- und Versicherungs­recht. Die zahl­reichen Stationen seines beruf­lichen Werde­gangs ermöglichen es ihm, für seine Mandanten ganz­heitlich beratend und im Streit­fall juristisch tätig zu werden.
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