Bei Anruf Rentenerhöhung – für Millionen Privatrentner

– Falsche Risiko- und Renditeangaben durch Banker, Versicherer und Schulungsleiter –

 

Nachzahlung: Renten aus Lebensversicherungen müssen rückwirkend erhöht werden Es genügt ein kurzes Aufforderungsschreiben an das eigene Versicherungsunternehmen, und schon erhöht sich rückwirkend die Rente. Das Bundesverfassungsgericht (1 BvR 80/95) hat dem Gesetzgeber vorgegeben, dass Versicherungskunden an den stillen Reserven zu beteiligen sind.

Der Gesetzgeber hat dies durch § 153 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) zum 01.01.2008 umgesetzt. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) hat die Versicherer jüngst darauf ausdrücklich hingewiesen, dass die Versicherten auch bei laufenden Privatrenten an den Bewertungsreserven zu beteiligen sind. Auch wenn die Berufsvereinigung der Versicherungsmathematiker dies noch Ende letzten Jahres anders entschieden hatte – Privatrentner können auf Neuabrechnung und Nachzahlung vom Versicherer bestehen.

 

Verfassungsgericht verlangt Beteiligung der Versicherten an stillen Reserven

Das Bundesverfassungsgericht verpflichtete mit dem BVerfG-Urteil vom 26. Juli 2005 (1 BvR 80/95) den Gesetzgeber, eine angemessene Beteiligung der Versicherten auch an den Bewertungsreserven – den sogenannten stillen Reserven – vorzusehen. Viele Versicherte durften sich daher ab Jahresbeginn 2008 bereits über höhere Rückkaufswerte und Ablaufleistungen freuen. Insbesondere bei den genau zum 01.01.2008 ablaufenden Verträgen wurde dies jedoch oft vergessen – die Versicherten erhalten dann erst nach Reklamation auch die anteiligen stillen Reserven – oft mehrere tausend Euro zusätzlich.

Versicherer haben Vorgaben des Verfassungsgerichts bei Rentnern falsch umgesetzt Leer gingen aber bisher die Rentner mit bereits laufenden Privatrenten aus. Ursache hierfür ist eine missverständliche Formulierung des Gesetzgebers in § 153 des neuen Versicherungsvertragsgesetzes (VVG): „§ 153 – Überschussbeteiligung

(1). Dem Versicherungsnehmer steht eine Beteiligung an dem Überschuss und an den Bewertungsreserven (Überschussbeteiligung) zu, es sei denn, die Überschussbeteiligung ist durch ausdrückliche Vereinbarung ausgeschlossen; die Überschussbeteiligung kann nur insgesamt ausgeschlossen werden.

(2) Der Versicherer hat die Beteiligung an dem Überschuss nach einem verursachungsorientierten Verfahren durchzuführen; andere vergleichbare angemessene Verteilungsgrundsätze können vereinbart werden.

(3) Der Versicherer hat die Bewertungsreserven jährlich neu zu ermitteln und nach einem verursachungsorientierten Verfahren rechnerisch zuzuordnen. Bei der Beendigung des Vertrags wird der für diesen Zeitpunkt zu ermittelnde Betrag zur Hälfte zugeteilt und an den Versicherungsnehmer ausgezahlt; eine frühere Zuteilung kann vereinbart werden. Aufsichtsrechtliche Regelungen zur Kapitalausstattung bleiben unberührt.

(4) Bei Rentenversicherungen ist die Beendigung der Ansparphase der nach Absatz 3 Satz 2 maßgebliche Zeitpunkt.“ Aufgrund des Gesetzeswortlauts wähnten die Lebensversicherer, dass Rentenversicherten nach Beendigung der Ansparphase – also ab Rentenbeginn – keine Beteiligung an den stillen Reserven mehr zusteht, sondern die bis Rentenbeginn aufgelaufenen stillen Reserven einmalig nur zum Rentenbeginn anteilig zuzuweisen seien.

Eine Beteiligung an anschließend noch jährlich während der Rentenzahlung entstehenden stillen Reserven sollte dann nicht mehr erfolgen.

 

Aufsichtsbehörde und Versicherungswirtschaft stimmten sich zum Nachteil der Versicherten ab

Die Ausarbeitung „Beteiligung der Versicherungsnehmer an Bewertungsreserven” in Zusammenarbeit zwischen der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), Gesamtverband der Versicherungswirtschaft (GDV) und Deutscher Aktuarvereinigung (DAV) ist nach Durchlaufen des Eilverfahrens mit der Verabschiedung durch den Vorstand der DAV am 03.12.2007 als Hinweis an die für den Vorschlag der Überschussbeteiligung verantwortlichen Aktuare in Kraft getreten. Dort wird als zwischen DAV, GDV und BaFin abgestimmte Regelung zur Nichtbeteiligung der Rentenversicherungen an den stillen Reserven ab Rentenbezug festgelegt:

“Zusätzlich regelt der §153 Abs. 4 VVG, dass bei Rentenversicherungen die Zuteilung zum Zeitpunkt des Rentenübergangs erfolgen soll. Nach Eintritt des Rentenbezugs sind Rentenversicherungen nicht mehr anspruchsberechtigt.”

Solange sich die Aktuare daran halten, müssen sie nicht befürchten, dass ihnen von der Aktuarvereinigung standeswidriges Verhalten vorgeworfen wird. Entsprechend haben die meisten Rentner bisher noch keine Beteiligung an den stillen Reserven gesehen. Dies steht nach Einschätzung maßgeblicher Juristen im Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts.

 

Aufsichtsbehörde stellt Anspruch auf Beteiligung der Rentner an stillen Reserven klar

Inzwischen hat die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht sich daher von der noch Ende 2007 mit GDV und DAV abgestimmten Einschätzung distanziert.

In „Hinweise zu einigen Auslegungsfragen zum Versicherungsvertragsgesetz (VVG)“ vom 25.05.2008 (Geschäftszeichen: VA 21 – A – 2008/0033) verlautbart die Aufsichtsbehörde:

„Um Missverständnisse bei Auslegungsproblemen zu einigen Fragestellungen, die sich aufgrund des neuen VVG ergaben, zu vermeiden, weist die BaFin auf folgende Punkte hin: Bei laufenden Renten ist ebenfalls eine Beteiligung an den Bewertungsreserven gemäß § 153 VVG vorzusehen. Dies ergibt sich aus dem Inhalt des BVerfG-Urteil vom 26. Juli 2005 (1 BvR 80/95), der bei der Interpretation des § 153 VVG zu Grunde zu legen ist.“

 

Rentner können Rentenerhöhungen um bis zu mehr als 5 % verlangen

Damit ist klargestellt, dass auch die Privatrentner mit bereits laufenden Renten an den stillen Reserven beteiligt werden müssen. Soweit Rentenversicherte in Privaten Rentenversicherungen ab 01.01.2008 noch keine entsprechende Rentenerhöhung erhalten haben, sollten diese sich an ihren Versicherer wenden und eine Beteiligung an den stillen Reserven verlangen.

Zwar ist der Gesetzeswortlaut nicht eindeutig, aber das Verfassungsgerichtsurteil ergibt auch nach Einschätzung der Aufsichtsbehörde, dass den Rentnern dennoch eine Beteiligung an den stillen Reserven zusteht. Hieraus können sich je nach Versicherer Rentenerhöhungen um bis zu mehr als 5% ergeben – angesichts der Rentenkürzungen von oft über 30 % in den letzten Jahren immerhin ein kleines Trostpflaster.

Es genügt für betroffene Rentner, ihrem Versicherungsunternehmen eine kurze Frist zur Neuabrechnung und Nachzahlung zu setzen.

 

von Dr.  Johannes Fiala und Dipl.-Math. Peter A. Schramm

 

mit freundlicher Genehmigung

von www.experten.de (veröffentlicht am 08.10.2008)

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Über den Autor

Dr. Johannes Fiala Dr. Johannes Fiala
PhD, MBA, MM

Dr. Johannes Fiala ist seit mehr als 25 Jahren als Jurist und Rechts­anwalt mit eigener Kanzlei in München tätig. Er beschäftigt sich unter anderem intensiv mit den Themen Immobilien­wirtschaft, Finanz­recht sowie Steuer- und Versicherungs­recht. Die zahl­reichen Stationen seines beruf­lichen Werde­gangs ermöglichen es ihm, für seine Mandanten ganz­heitlich beratend und im Streit­fall juristisch tätig zu werden.
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