Bei der privaten Altersvorsorge: Europaparlament erhöht das Insolvenzrisiko

 

Nicht erst die Finanzmarktkrise seit 2008 führte zur Einsicht, dass Versicherungsgesellschaften höheres Eigenkapitel nach den sogenannten Solvency-ll-Regeln benötigen, damit sie einen Wertverfall z.B. von Staatsanleihen besser tragen können?

 

30% Insolvenzrisiko mit Solvency-II:

Würde Solvency-II wie ursprünglich vorgesehen umgesetzt, so bedeutet dies eine Verbesserung der Ruinwahrscheinlichkeit auf dann nur noch 0,5% pro Jahr. Damit hätte ein 25jähriger Rentenversicherter immerhin eine gegenüber heutigen Eigenkapitalregeln verbesserte Chance von 7 zu 3 gehabt, dass seine Rente tatsächlich wie vereinbart wenigstens bis Alter 95 gezahlt werden kann. Schon dies erfordert erheblich mehr Eigenkapital der Versicherer, das sie derzeit nicht haben.

 

50% Insolvenzrisiko bei privaten Rentenversicherungen durch das Europa-Parlament?

Mit einer nun nachträglich vorgesehenen Aufweichung durch das Europa-Parlament (Beschlüsse des EU-Wirtschafts- und Währungsausschusses über die Senkung der Kapitalanforderungen an die Assekuranz vom 21.03.2012) sollen dagegen nochmal 100 Mr. Euro Eigenkapital eingespart werden. Die private Altersvorsorge über private Renten- und Lebensversicherungen wird dadurch nochmals unsicherer, das Risiko der Versicherungsnehmer steigt, ebenso auch die Gewinne der Aktionäre der Versicherungsgesellschaften.

 

Profitmaximierung der Versicherer steigert die Altersarmut der Versicherungskunden

Die Versicherungslobby erreichte diese Entscheidung des Europa-Parlaments durch eine rechtlich in keiner Weise stichhaltige Begründung, nämlich dass eine Kündigung von langlaufenden Rentenversicherungen bei Vermögensverfall des Versicherers nicht möglich sei. Das Gegenteil ist richtig, und steht Versicherungsnehmern offen, wie man seit einem Urteil des BGH von 1951 wissen muss. Die EU hofft daher völlig ungerechtfertigt, dass die Versicherten nach einem Wertverfall ihre Kapital beim Versicherer lassen, müssen, bis sich die Werte irgendwann wieder erhöht haben oder die Verluste anderweitig – wie durch Reduzierung der Überschüsse – ausgeglichen wurden.

 

Selbst Garantierenten sind nicht sicher

Zahlreiche Anleger in der privaten Altersvorsorge mussten feststellen, dass ihre Versicherung bei Rentenbeginn tatsächlich 50% oder weniger – im Vergleich zur Musterberechnung bei der Vermittlung –  monatlich bezahlt, weil insbesondere die Überschüsse gesunken sind. Oft gibt es fast nur noch die Garantierenten. Doch auch diese werden nun durch die vorgesehene Aufweichung der Eigenkapitalanforderungen zusätzlich gefährdet. Eine zunehmende Zahl der Vorsorgesparer muss damit rechnen, dass ihr Versicherer nicht einmal die Garantierenten voll bis zum Lebensende zahlen kann.

 

Leistungskürzungen auch bei Versorgungswerken bzw. Versorgungskammern

Betroffene legaler Spekulation sind seit Jahren auch die Zwangsmitglieder berufsständische Versorgungswerke. Anwärter und Rentner eines Zahnärzteversorgungswerkes mussten Leistungskürzungen von rund 50% hinnehmen. Zumindest ein Anwaltsverein veröffentlichte vor der letzten „Griechenlandrettung“, dass bereits mit 30& Leistungskürzungen zu rechnen sei. Auch für solche Versorgungswerke gelten jene Regeln, nach denen Versicherer das Vermögen der Kunden zu verwalten haben –  teilweise handelt es sich um riskante Finanzwetter, objektiv betrachtet. Denn offiziell dürfen viele der Papiere als sicher eingestuft werden, solange eben, bis sie sich als unsicher gezeigt haben.

 

Auch Staatspapiere sind nicht sicher

Selbst Staatspapiere sind nicht sicher. Auch deutsche Staatsanleihen werden künftig eine Klausel enthalten, die den Schuldenschnitt mit Zustimmung der Gläubigermehrheit vorsieht, der meist gar nichts anderes übrig bleibt. Zu diesen gehören auch die Versicherer und Pensionskassen, die mehrheitlich in europäischen Staatsanleihen und Unternehmensanleihen investiert sind. Dass 7 % für eine Unternehmensanleihe nicht risikolos zu verdienen sind, dürfte klar sein: es droht hier verstärkt Insolvenz mit der Hoffnung auf eine bessere Quote als bei einem Totalverlust.

 

Fristlose Kündigung von Versicherungsverträgen

In einer solchen Situation geht die EU davon aus, dass Rentenversicherungen oft nicht gekündigt werden könne, so dass der Versicherte seine Mittel – die Schulden des Versicherers an ihn sind – nicht abziehen kann. Obwohl die Schulden des Versicherers an sich nun höher wären als sein Vermögen, gewinnt er so Zeit, die Situation auszusitzen, bis sich die Papiere vielleicht wieder erholt haben, oder er die Verluste nach einigen Jahren anderweitig ausgleichen konnte. So die Vorstellung der EU. Doch selbst vertraglich unkündbare Versicherungsverträge sind außerordentlich kündbar, wie ein Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofes schon 1951 feststellte (BGH Urteil vom 04.04.1951 Az. II ZR 32/50, in: NJW 1951, 714 ff.), sofern die Vertragserfüllung unsicher geworden ist. Dafür ausreichend ist es, wenn die wirtschaftlichen Grundlagen des Versicherungsunternehmens sich erheblich zu Nachteil des Versicherungskunden ändern. Dann ist ein Festhalten am Vertrag für den Kunden nicht mehr zumutbar. Auch bei Sachversicherungen ist dies längst anerkannt.

 

Fristlose Kündigung von Versicherungen zur Altersvorsorge

Selbst wenn das ordentliche Kündigungsrecht, regelmäßig ab Rentenbeginn, aber beispielsweise bei Rüruprenten auch schon vorher, vertraglich ausgeschlossen ist, kann die verschlechterte Finanzlage des Versicherers zur fristlosen – außerordentlichen – Kündigung berechtigen. Der Versicherer kann dann nicht bloß eine „Beitragsfreistellung“ durchführen, denn niemand muss sein gutes Geld beim schlechten Versicherer belassen. Denn auch „garantierte“ Leistungen könnten durch die Finanzaufsichtsbehörde BaFin aufsichtsrechtlich herabgesetzt werden – selbst wenn der Versicherer dem Sicherungssystem „Protektor“ angeschlossen ist, das die Folgen einer generell auf die Versicherer übergreifenden Finanzkrise allerdings kaum bewältigen könnte.

 

Todesfolge bei der Lebensversicherung als Geschäftsmodell

Nur ein einziger der 20größten Lebensversicherer hat von sich nach der Subprime-Krise sinngemäß behauptet „Wir haben keine stillen Lasten in den Büchern“, was bedeutet, dass 19 von 20 Versicherern auf in den Bilanzen nicht ausgewiesenen, versteckten Verlusten sitzen, in der Hoffnung, dass es noch mal besser wird. Indes ist es einen Selbsttäuschung, wenn man glaubt, durch riskante Hybrid-Bankenanleihen oder Anleihen aus Staatsschuldenkrisenländern zunächst über 5% Zinsen zu bekommen – aber am Ende vielleicht doch nicht mal mehr das eingesetzte Kapital ohne Schuldenschnitt zurück erhält.

 

Bundesregierung am 08.03.2012: „Die Risiken für die Finanzstabilität des Euro-Währungsgebietes sind seit dem Beginn der Finanzkrise im Jahr 2007 weiter gestiegen.“ Durch einen neuen Gesetzesentwurf wird der Schuldenschnitt nach dem Vorbild Griechenlands bezüglich Bundeswertpapieren und Schuldverschreibungen eingeführt werden – eine Folge des „Stabilitätspaktes“ wird also auch der Wertverfall bei inländischen Staatsanleihen sein können.

 

Finanzwetten der Banken und Versicherer: Aussicht auf Altersarmut für alle

Wenn man für eine 30-jährige Bundeswertpapier heutzutage nur und 1,5% Zins bekommt, dann davon die üblichen Risiko-, Vertriebs- und Verwaltungskosten abzieht, vielleicht noch die individuelle oder gefühlte Inflation, so wird folgendes klar: Das Niedrigzinskartell führt bei der kapitalgedeckten Altersversorgung bereits zu negativer Realverzinsung und animiert ungebremst Finanzhäuser zur Spekulation auf Kredit. Die Versicherer aber meinen, risikolos Garantierenten über Zeiträume von mehr als 70 Jahren versprechen zu können, die netto 1,75 % Verzinsung dauerhaft und sicher erfordern würden. Die derzeit schon um 1.000 Mrd. – Deckungsrückstellungen der Lebensversicherer stellen in dieser Situation kein Vermögen, sondern eine drückende Schuldenlast dar, weshalb sie ja auch auf der Passivseite der Bilanz stehen. In der Realität sind diese Schulden der Versicherer heute gar noch überwiegend mit deutlich über 3 % zu verzinsen.

 

Gehen die Finanzwetten nicht auf, schmilzt die Rentenzahlung in der privaten Altersversorgung wie Schnee in der Sonne dahin. Wird am Ende vielleicht noch die Hälfte des Erwarteten ausbezahlt, darf der Privatrentner wegen der Konsumgüterteuerung zunehmen mit Altersarmut rechnen. Zudem wird der Staat über Abgaben einen Solidarbeitrag fordern, damit systemrelevante Banken und Versicherungen vom Steuerzahler gerettet werden. Solch eine „Förderung des globalen Wettbewerbs der Finanzindustrie“ bedeutet einerseits eine Maximierung der Profite für Management und Aktionäre, und andererseits das Eingehen neuer Risiken durch Finanzhäuser, jedoch abermals ohne notwendiges Eigenkapital zur eigenen Risikotragfähigkeit.

 

FAZIT

 

Daher ist zu fordern, dass die EU nicht aufgrund falscher Voraussetzungen die Eigenkapitalanforderungen an Versicherer wie angekündigt abschwächt, und damit die Altersvorsorge der Bürger zusätzlich gefährdet.

 

von Dr. Johannes Fiala und Dipl.-Math. Peter A. Schramm

 

mit freundlicher Genehmigung von

www.handwerke.de (veröffentlicht im Computern im Handwerk 04/2012, Seite 5-6)

und

www.experten.de (veröffentlicht im Experten Report 05/2012, Seite 26-27 und Experten Report 05/2012, 46-47)

 

 

 

 

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Über den Autor

Dr. Johannes Fiala Dr. Johannes Fiala
PhD, MBA, MM

Dr. Johannes Fiala ist seit mehr als 25 Jahren als Jurist und Rechts­anwalt mit eigener Kanzlei in München tätig. Er beschäftigt sich unter anderem intensiv mit den Themen Immobilien­wirtschaft, Finanz­recht sowie Steuer- und Versicherungs­recht. Die zahl­reichen Stationen seines beruf­lichen Werde­gangs ermöglichen es ihm, für seine Mandanten ganz­heitlich beratend und im Streit­fall juristisch tätig zu werden.
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