Berufshaftpflichtversicherung der Ärzte und Zahnärzte

– Gesetzliche Regelung der Arzthaftung durch das Patientenrechtegesetz (PatRG) seit 26.02.2013 –

 

Bis zu mehr als 170.000 Arzthaftungsfälle – ohne gesetzliche Versicherungspflicht?

Fachleute schätzen, dass es jährlich bis zu mehr als 170.000 Behandlungsfehler durch Ärzte gibt. Bis zum Inkrafttreten des PatRG existierte zur Arzthaftung lediglich Rechtsprechung.

Nunmehr werden als Haftungsfälle unterschieden:

(1) Fehlverhalten durch Behandlungsfehler,

(2) Aufklärungspflichtverletzungen nach § 630e Bürgerliches Gesetzbuch (BGB),

(3) Verletzung wirtschaftlicher Aufklärungspflichten nach § 630c III BGB, sowie

(4) Dokumentationspflichtverletzungen nach §§ 630f, 630h III BGB.

 

Typisch wäre etwa das gemeinsame Überkronen von Backenzähnen durch Verblockung, mit der Folge dass keine Zahnseide mehr angewendet werden kann. Fehlt die dokumentierte Aufklärung und Einwilligung, liegt unter anderem bereits eine Körperverletzung nahe (OLG Hamm, Urteil vom 17.12.2013, Az. 26 U 54/13). Dabei müssen sich Ärzte allenfalls nach einer Berufsordnung bzw. landesrechtlichen Vorschriften versichern, so wie etwa Geburtshelfer bzw. Hebammen.

 

Gesetzliche und private Pflegeversicherungen sowie gesetzliche Krankenversicherungen sollen gemäß einer Anpassung des § 66 SGB V bei der Durchsetzung von Schadensersatz wegen Behandlungsfehlern den Patienten unterstützen. Diese Unterstützung ist damit seither gesetzliche Regel im Normalfall – bei der sich einige Krankenversicherer mit der Umsetzung bis heute schwer tun.

 

Deckungslücken je nach Definitionen des Versicherungsfalls in der Police

Je nach Inhalt der Police einschließlich der Versicherungsbedingungen gibt es landläufig ganz unterschiedliche Versicherungsdeckungen.

Dabei unterscheidet der Fachmann:

(1) das Kausalereignis als Verstoß, mit der Deckungslücke bei zeitlicher Nichtfeststellbarkeit nach dem Umdecken der VSH-Versicherung und/oder zeitlich limitierter Nachhaftung sofern es sich um keine Pflichtversicherung handelt (§§ 113 I, 114 II 1 VVG),

(2) das Schadensereignis als Folgeereignis, mit der Deckungslücke bei Spätschäden ohne Nachhaftungsregelung,

(3) die erstmalige nachprüfbare Schadensfeststellung, ebenfalls mit einer Deckungslücke bei Spätschäden,

(4) das Anspruchserhebungsprinzip, die sogenannte Claims-Made-Deckung, mit der Option einer Erweiterung durch Rückwärtsversicherung und/oder Vereinbarung einer Nachhaftung.

 

Bedauerlicherweise wird auch manchem Versicherungsvermittler erst bei einem eigenen – angeblich dann nicht versicherten Schadensfall – klar, wo die Unterschiede bei der eigenen Haftpflichtdeckung liegen könnten.

 

Falle beim Umdecken durch Versicherungsmakler

Selbst wenn eine lückenlose Versicherungsdeckung in der beruflichen Vermögenschadenhaftpflicht (VSH) bestand, kann der Fall eintreten, dass sich nicht mehr nachweisen läßt, wann ein Schaden eingetreten ist. Dann bezahlt insbesondere beim Wechsel des Berufshaftpflichtversicherers keiner von beiden, die betroffen sein könnten.

 

Das OLG Celle (Urteil vom 10.05.2012, Az. 8 U 213/11) entschied, dass es bei einem Wechsel des Versicherers allein Sache des Versicherungsnehmers ist, nachzuweisen, zu welcher Zeitpunkt ein Schaden eingetreten ist. „Die Beweisnot des Versicherungsnehmers kann weder prozessrechtlich noch materiellrechtlich überwunden werden.“ Trotz zeitlich lückenloser VSH-Deckung gibt es keine Versicherungsleistung. Diese Lücke kann vielfach nur durch Verhandlungen mit dem Versicherer geschlossen werden – im Schadensfall dies anzugehen ist regelmäßig zu spät, denn für bereits brennende Häuser gibt es keine rückwirkende Deckungserweiterung mehr.

 

Falle der zeitlich limitierten Nachhaftung

Wie beim Wechsel einer Rechtsschutzversicherung, kann es auch beim Wechsel der Berufshaftpflicht dazu kommen, dass der Haftpflichtschadensersatzanspruch nicht verjährt ist, jedoch der Risikoträger, also der Versicherer auf seine Versicherungsbedingungen mit zeitlich limitierter Nachhaftung verweist. In derartigen Fällen kann sich der Versicherungsnehmer jedoch darauf berufen, dass er nichts vom Schadensfall gewusst hat, und daher das Meldefristversäumnis schuldlos gewesen war (OLG Frankfurt/Main, Urteil vom 05.12.2012, Az. 7 U 73/11; OLG Stuttgart, Urteil vom 27.11.2008, Az. 7 U 89/08). Dann hat eine Deckungsklage gegen den eigenen Versicherer auf Feststellung der Eintrittspflicht regelmäßig Aussicht auf Erfolg, solange noch keine Verjährung eingetreten ist.

 

Falle des ungeeigneten Versicherungsvermittlers bzw. -maklers

Versicherungsmakler sind ebenso haftpflichtgefährdet, wie Ärzte und Architekten. Gemeinsam ist bei Arzt, Architekt und Versicherungsmakler, dass fehlerhafte oder unterlassene Dokumentation bis hin zur Beweislastumkehr im Schadensfall führen kann. Makler haben ihre Kunden, also die Versicherungsnehmer – wie den Arzt bei einer vermittelten Arzthaftpflichtversicherung – über die höchstrichterliche Rechtsprechung aufzuklären (OLG Hamm, Urteil vom 11.05.1995, Az. 18 U 57/94). Dazu gehört etwa, dass der Bundesgerichtshof irgendwann ein ungewolltes Kind bei fehlgeschlagener Sterilisation überraschend „als Schaden“ beurteilt hatte. Es ist jedoch in der Praxis vielfach so, dass Versicherungsmakler die Rechtsprechung betreffend ihre Versicherungskunden selten beobachten um aufzuklären.

 

Beispielsweise hat der BGH (Urteil vom 29.01.2001, Az. II ZR 331/00) entschieden, dass bei gemeinsamer Berufsausübung als Praxisgemeinschaft oder Sozietät, der Geschädigte nicht nur die Gesellschafter verklagen kann, sondern auch dieser BGB-Gesellschaft selbst eine Rechts- und Parteifähigkeit zukommt. Erst mehr als ein Jahrzehnt später kamen einige VSH-Versicherer auf die Idee, die VSH-Deckung von der Stange entsprechend zu erweitern. Der landläufige Versicherungsmakler erkannte das Problem dieser Deckungslücke vielleicht zum ersten Mal im Schadensfall seiner Kunden.

 

Oder man nehme die Vertragsbedingungen des eigenen VSH-Versicherungsmaklers zu Hand. Darin wird man vielfach lesen, dass die Haftung beschränkt sei auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit, oder dass die Haftung auf gut eine Mio. Euro als Mindestpflichtversicherungsbetrag limitiert werde. Man würde erwarten, dass der Versicherungsvermittler weis, dass seit Jahrzehnten derartige Klauseln unwirksam sind (z.B. beim Krankenhausvertrag: OLG Stuttgart, Urteil vom 07.12.1977, Az. 1 U 46/77), sogar von Gerichten schlicht als standeswidrig sowie einen Verstoß gegen „Treu und Glauben“ beschrieben wurden. So meinte jüngst ein Kammerberufler nach Aufklärung über das unwirksame Maklervertragsformular „dies ist für mich der beste Beweis für Überforderung oder Unkenntnis“.

 

Risikovorsorge durch Qualitätsmanagement

Das OLG Frankfurt/Main (Urteil vom 21.09.2012, Az. 3 U 140/11) entschied, dass bei „aufwändigen Kontrollen und Prüfungen“ im Hause des Versicherungsnehmers um Vermögenschäden „auszuschießen oder zeitnah aufzudecken“, der Beweis dafür geführt werden kann, dass ein Meldefristversäumnis unverschuldet gewesen war. In diesem Sinne ist bereits der Geschäftsführer einer zumindest mittelgroßen GmbH verpflichtet ein Risikomanagement zu betreiben. Bei entsprechenden Versicherungsmaklern mit Freiberuflern und Gewerbetreibenden als Kundschaft sucht man des Öfteren vergebens nach derartiger Fachkenntnis. Ein Fingerzeit für den Arzt, sich nach mehr Kompetenz mit Kenntnis der höchstrichterlichen Rechtsprechung umzuschauen.

 

Ausreichende Versicherungssummen durch Risikoprüfung

Auch die Feststellung einer ausreichenden Versicherungssumme fällt in die Prüfungspflicht des Versicherungsmaklers. So können nicht nur Geburtsschäden, sondern z. B. auch Narkosefehler – wie ein nicht erkanntes Abfallen der Sauerstoffkonzentration im Blut – insbesondere bei Kleinkindern zu Schäden in mehrfacher Millionenhöhe bei Ärzten und Zahnärzten führen. Behandlungskosten stellen dabei oft den kleinsten Teil dar – die Pflegekosten hingegen summieren sich lebenslang entsprechend der Lebenserwartung und des Kostenanstiegs auf den Schadeneintrittszeitpunkt diskontiert auf bis zu mehr als zwei Millionen Euro, Einkommensausfallschäden in Höhe des ohne den Schaden lebenslang zu erwartenden Einkommens auf bis zu mehr als drei Millionen Euro, wie Berechnungen in versicherungsmathematischen Gutachten belegen. In rund der Hälfte solcher Fälle endete dies für den betroffenen Arzt mit der Insolvenz, weil keine ausreichende VSH-Versicherung bestand.

 

von Dr. Johannes Fiala und Dipl.-Math. Peter A. Schramm

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Über den Autor

Dr. Johannes Fiala Dr. Johannes Fiala
PhD, MBA, MM

Dr. Johannes Fiala ist seit mehr als 25 Jahren als Jurist und Rechts­anwalt mit eigener Kanzlei in München tätig. Er beschäftigt sich unter anderem intensiv mit den Themen Immobilien­wirtschaft, Finanz­recht sowie Steuer- und Versicherungs­recht. Die zahl­reichen Stationen seines beruf­lichen Werde­gangs ermöglichen es ihm, für seine Mandanten ganz­heitlich beratend und im Streit­fall juristisch tätig zu werden.
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