Das Nachweisgesetz (NachweisG) zwingt Arbeitgeber nicht zur Schriftform statt digitaler Textform

– Wann kein Zwang zur Schriftform besteht – und kein Bußgeld bis 2 TEUR droht ? –

       „Unser Kopf ist rund, damit das Denken die Richtung ändern kann“ (Francis Picabia)

 

Seit 01.08.2022 traten Änderungen durch das sogenannte Nachweisgesetz in Kraft, basierend auf der EU-Richtlinie 2019/1152. Diese betreffen die Information des Arbeitnehmers (AN) über Arbeitsbedingungen, wozu nun auch die Betriebliche Altersversorgung (bAV) gehört. Das bis dahin geltende Recht schloss die digitale Form nicht aus. Seit dieser Novelle kritisieren nicht nur bAV-Dienstleister, dass auch aktuell gesetzlich eine Schriftform – also eine vom Arbeitgeber (AG) unterzeichnete Urkunde – verlangt werde. Obgleich die EU auch eine digitale Textform zugelassen hätte, was sogar für den eigentlichen Arbeitsvertrag auch in Deutschland weiterhin zulässig ist.

 

Massenhafter Auslegungsfehler in der Wirtschaftspresse

Wenn jedoch die Anwender (AG und AN) überzeugt sind, dass die digitale Textform statt der Schriftform – also Textdateien statt Papier – dem AN zum Vorteil gereichen, können sie diese indes weiterhin verwenden und auf Papierform verzichten. Viele AN werden die digitale Form ja vorziehen, zumal wenn sie überall aktuell darauf zugreifen können, eventuell gar durchsuchbar und untereinander verlinkt. Und etwa auch weil wie Reinhard Mey sang, er „Papiere immer verliere“. Denn wie § 6 NachweisG besagt, kann ja unter dieser Voraussetzung von der Schriftform abgewichen werden:

 

Unabdingbarkeit: Von den Vorschriften dieses Gesetzes kann nicht zuungunsten des Arbeitnehmers abgewichen warden (§ 6 NachweisG).

 

Gemeint ist wohl der Einzelne, nicht alle; und der Einzelne kann ja äußern, ob ihm Textform lieber ist. Es bleibt Sache des AG zu entscheiden, ob die digitale Textform (die ja noch anwenderfreundlicher gestaltbar auch mit Zwangs-Download oder ständigem Portal-Zugang ist) aus objektiven Gründen für alle oder typisierbare AN als nicht benachteiligend darstellbar ist. Ein Problem damit hätte allenfalls, wer der Überzeugung ist, dass die Textform – oder eine ihm derzeit verfügbare anwenderunfreundliche – gegenüber der Schriftform dem AN zum Nachteil gereicht. Welcher AG sich also zur Schriftform verpflichtet fühlt, gesteht dies mithin so selbst zum eigenen Nachteil ein – indem er sich selbst dem Schutzheiligen „St. Bürokratius“ verpflichtet sieht. Selbst wenn er nur Zweifel hätte, ob die digitale Form für den AN von Vorteil ist.

 

Benachteiligung durch digitale Textform?

Wer indes die Digitalisierung mit papierloser Textform als den Betroffenen benachteiligend ansieht, muss sich fragen lassen, ob dies nicht durch Zweifel an der Zweckmäßigkeit der Digitalisierung diese insgesamt sehr in Frage stellt.

Anders gesagt: Die Textform statt der Schriftform ist nicht verboten, außer sie fällt konkret zuungunsten des AN aus. Und wer als AG jammert, den fragt man: „Ist das denn bei Ihnen so? Und warum wollen Sie dann lieber die Textform, wenn Sie doch meinen, sie sei für den AN nachteilig?“.

 

Niemand hat die Absicht, den AN das Leben zu erschweren. Wenn die papierlose Form für den AN besser ist, kann man sie verwenden.

Wenn jemand sich beschwert, dass er nicht weis, ob es später ein Gericht genauso sieht, ist dies albern. Denn das weis er ja bei Wahl der Schriftform hinsichtlich der übrigen Forderungen des Gesetzes auch nicht, und bei allen anderen Gesetzen ebenso wenig, bis ihm ein oberstes Gericht dies sagt. Da bliebe ihm wohl nur übrig, sich hinzusetzen und gegen die Decke zu starren, und abzuwarten, bis jemand dies auffällt und man sich um ihn kümmert. Wer als Arbeitgeber glaubte, die bisher doch als vorteilhaft bevorzugte digitale Textform nicht mehr nutzen zu dürfen, stellte sich selbst ins logische Abseits. Zumal wenn er auch nicht einmal eine Möglichkeit sieht, die Digitalisierung ausreichend arbeitnehmerfreundlich zu gestalten.

Die legal mögliche Vermeidung von Papierbergen und die Ermöglichung von digitaler Form, wird regelmäßig von den Parteien des Arbeitsvertrags und der bAV-Vereinbarungen dankbar als Erleichterung aufgenommen.

Niemand hat die Absicht, hier eine Mauer zu errichten! Der deutsche Gesetzgeber erlaubt es, er will nur erreichen, dass die Digitalisierungs-Praxis nicht am Ende noch nachteiliger als die Papierform ausfällt. Und das sollte doch bei gutem Umsetzungs-Standard der Digitalisierung auch leicht erreichbar sein.

 

von Dr. Johannes Fiala und Dipl.-Math. Peter A. Schramm

 

mit freundlicher Genehmigung von

www.experten.de (veröffentlicht im ExpertenReport 12-2022, Seite 28 und 29)

 

 

 

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Über den Autor

Dr. Johannes Fiala Dr. Johannes Fiala
PhD, MBA, MM

Dr. Johannes Fiala ist seit mehr als 25 Jahren als Jurist und Rechts­anwalt mit eigener Kanzlei in München tätig. Er beschäftigt sich unter anderem intensiv mit den Themen Immobilien­wirtschaft, Finanz­recht sowie Steuer- und Versicherungs­recht. Die zahl­reichen Stationen seines beruf­lichen Werde­gangs ermöglichen es ihm, für seine Mandanten ganz­heitlich beratend und im Streit­fall juristisch tätig zu werden.
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