Die Geschäfte mit den Gefühlen: Unseriöse Hilfsorganisationen erkennen

Weihnachten war es mal wieder so weit: Spendengalas auf allen Sendern, Spendenaufrufe in Provinzzeitungen und in den Briefkästen der Bundesbürger. Die spenden Jahr für Jahr rund vier Milliarden Euro – im Schnitt 115 Euro pro Kopf! Dass solche Hilfsbereitschaft auch Scharlatane auf den Plan ruft, versteht sich von selbst.

 

Wie sehr das Spendenwesen eine Sache der emotionalen Selbstverpflichtung geworden ist, zeigt sich daran, dass speziell in der Vorweihnachtszeit besonders viele Initiativen an unsere Mildtätigkeit appellieren.

Die senden uns Postkarten mit fussgemalten Bildern, personalisierte Absenderaufkleber mit unserem Namen und manches mehr. Kühl kalkuliert werden wir zum Spenden in die Pflicht genommen. Spenden wir nicht, bekommen wir die Zusendungen geschenkt. Damit verursachen wir einen Schaden an zuvor entrichteten Spendengeldern, wir fühlen uns schuldig.

Leisten können sich solche Werbekampagnen nur große Hilfsorganisationen. Wer aber für eine große Organisation gespendet hat und danach von einer kleineren erfährt, der fühlt sich schon wieder einer Unterlassung schuldig.

 

Spenden ist schick und beruhigend

„Fundraising“ ist ein Geschäft mit Gefühlen: Mit viel Phantasie möglichst viel Geld für die Organisationen besorgen. Dazu kommen gönnerhafte Gesten auf Spenderseite, mit denen häufig ein schlechtes Gewissen erleichtert wird.

Erst essen, dann spenden – eine Gala oder ein Charity-Bankett dient häufig dem Selbstzweck. Meist geht es um die Selbstpräsentation exklusiver Damen aus Sport- oder Showgeschäft, die in der richtigen Klatschspalte neben dem richtigen Platzhirsch abgebildet sein wollen. Nicht zu vergessen die selbsternannten Samariter, bei denen demonstriertes Mitleid allein der öffentlichen Imagepflege dient.

Das Elend derer, zu deren Nutzen man da zu tafeln vorgibt, gerät dabei schnell ins Vergessen. Statt das Geld fürs Schlemmen auszugeben, würde man es besser gleich für Sozialprojekte spenden. Um eine attraktive Veranstaltung zu bieten, wird häufig ein viel höherer Aufwand getrieben als bei reinen Spendensammlungen. Die eingesammelten Spenden fließen zu erheblichen Teilen – bis zu 35 Prozent – in die Eigenfinanzierung der jeweiligen Organisationen. Bei den zertifizierten Wohltätern liegen die Ausgaben für Werbung und Verwaltung bei durchschnittlich 16 Prozent.

Nur die wenigsten Menschen ziehen in Zweifel, dass Geldbeschaffung auch Geld kostet. Die Frage ist nur, ob diese Kosten transparent offengelegt werden, ob sie angemessen sind und ob sie im Einzelfall nicht reduziert werden können. Exklusive Bankette bringen zwar einen gewissen Ertrag für die jeweilige Organisation ein, der dann häufig pathetisch als Riesenscheck überreicht wird. Sie haben aber meist keine unmittelbare Breitenwirkung. Dabei werden von den Organisationen riesige Beträge in Kampagnen investiert, deren unmittelbares Ziel nicht die Behebung von Not und Elend ist, sondern das Aktivieren neuer Spenden.

In diesem Spendenmarketing verdienen viele ihren Lebensunterhalt. „Fundraiser“ lassen sich als Sozialmakler von den Spendern für die Illusion bezahlen, ihre Organisationen übernähmen eine Teilverantwortung für die Verbesserung der Welt. Elend und Mitgefühl werden zum Spendensammeln instrumentalisiert. Während die Organisationen Missstände aufzeigen und gleichzeitig Lösungen präsentieren, stellen die Spender Finanzmittel bereit und übergeben ihre menschliche Verantwortung. Spenden wird so zur Form des Massenkonsums.

 

Nur etwa die Hälfte der Spendensammler legt Rechenschaft über die Verwendung der Gelder ab

Die Hilfsbereitschaft der Bundesbürger hilft nicht nur vielen Bedürftigen. Die organisierte Menschenfreundlichkeit nährt zugleich eine gigantische Wohltäterindustrie. Die Großen der Branche, Caritas (katholisch) und Diakonisches Werk (evangelisch) beschäftigen fast zwei Millionen Mitarbeiter, das Rote Kreuz „nur“ 80 000.

Die Zahl der Arbeitsplätze bei den fünf großen Organisationen hat sich seit 1970 verdreifacht. Die Caritas ist mit knapp 500 000 Beschäftigten der größte private Arbeitgeber in Deutschland. Aber wer weiß das schon. Das liegt an der notorischen Verschwiegenheit der Wohltäter. über die guten Werke reden sie gerne, doch die Sozialunternehmen bleiben im Dunkeln. Umsätze und Kassenlage der Wohlfahrtsimperien sind in der Regel unbekannt. Und Vergleichsdaten darüber, wo effizient oder schludrig gearbeitet wird, gibt es nicht.

Nächstenliebe heiligt den Schleier der Intransparenz. Mangelnde Wirtschaftlichkeit ist die Folge. Sie verfügen über Spendengelder in Milliardenhöhe, doch nur etwa die Hälfte der Spendensammler legt Rechenschaft über dessen Verwendung ab. Daneben gibt es viele größere und kleine Hilfsorganisationen, die Hunger, Wasser, Kinder, Kranke oder Tiere auf ihre Fahne geschrieben haben. Sie alle versuchen mit ihren teils weltumspannenden Projekten über die von ihnen eingesammelten Gelder Elend, Mangel und andere Bedürftigkeiten zu lindern.

Ohne Spendengelder geht das nicht. Doch viele Menschen zahlen für den Kick, sich tief im Herzen als Gutmensch fühlen zu dürfen. Gleichzeitig trinken sie morgens Kaffee, der von armen Menschen, oft Kindern, in der Dritten Welt geerntet wird. Sie tragen Kleidung, die unter unmenschlichen Verhältnissen in asiatischen Sonderwirtschaftszonen hergestellt wurde, wo 14jährige im Leistungsakkord geschunden werden.

Das Spenden kauft uns von Schuldgefühlen frei – aber nur für den Augenblick. Ist man erst einmal zum Spender geworden, häufen sich die Anfragen: Potentiell missbrauchte Kinder, lepröse Kranke, zerfetzte Tierkadaver – Die Wohltäterbranche muss uns nur etwas mehr quälen, schon zahlen wir uns mit einer Spende wieder frei. Dabei wissen wir, dass die Nachfrage nach Kinderprostitution oder Kinderarbeit – vom Ende der Produktionskette gesehen – aus unseren Ländern kommt.

Die staatlich gewährten Privilegien sichern der Wohlfahrtspflege ihre kartellartige Marktstellung im Sozialbereich

  • Wofür spendet man?
  • Was geschieht mit den Spenden, wie wirken sie?
  • Was bringt unsere Spende wirklich?

Zu viele Spenden erreichen nicht das Ziel. Sie gehen für die Organisation und Akquisition von Spenden verloren. Es ist das Geld anderer Leute, welches Spenden- und Wohltätigkeitsorganisationen dafür ausgeben. Darunter sind neben Spenden von Privatpersonen und Unternehmen auch Ausschüttungen aus dem staatlichen Glücksspielmonopol, Zuwendungen von gerichtlich eingestrichenen Geldauflagen, Mittel aus der Pflege- und Krankenversicherung und Milliarden aus dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMW).

Dabei verzichten die Wohltäter darauf, ihre Gewinne eigennützig zu verwenden. Zur Belohnung werden sie als gemeinnützig anerkannt. Wer das Gütesiegel ergattert, wird vom Staat mit einer Fülle von Privilegien ausgestattet. Gemeinnützigkeit hat ihren Preis: Sie verführt zu teurer Ineffizienz, während gewinnorientierte private Anbieter zur Kostendisziplin verdammt sind.

Die staatlich gewährten Privilegien sichern der Wohlfahrtspflege ihre kartellartige Marktstellung im Sozialbereich. Im teuren Kartell wird Hand in Hand gearbeitet: Unbehelligt von Wettbewerbern handeln Caritas & Co. mit den Kostenträgern Pflegesätze für Altenheime oder Betreuungskosten für Kitas aus. Durch den Verweis auf ihren Non-Profit-Status fühlt sich die Wohltätigkeitsbranche immun.

 

Es gibt viele gute und redliche Hilfsorganisationen, die Spendern Gelegenheit geben zu helfen

Ob für Hilfsprojekte im Ausland oder Armutsprojekte in Deutschland – jeder Spenden-Euro kann nur einmal ausgegeben werden. Viele Spender sind gar nicht so wohlsituiert, dass sie mal eben etwas zu spenden hätten.

Sie tun es dennoch, aus ernsthaft empfundenem Mitleid, romantischer Selbstüberhöhung oder wenigstens aus der Einsicht, dass nur Solidarität einen anderen aus der Patsche helfen kann. Spender sollten sich aber über die Organisation und den Weg informieren, den ihre Spende nimmt. Es gibt viele gute und redliche Hilfsorganisationen, die Spendern Gelegenheit geben, sich freiwillig für die Unterstützung bestimmter gemeinnütziger Vorhaben zu entscheiden. Sie alle sind es wert, mit ihren Anliegen unterstützt zu werden.

Für sie zählt jede Spende. Unseriöse Spendenwerbung betreiben im Ganzen gesehen nur wenige Organisationen, denen es nicht um positive gemeinnützige Effekte, sondern nur um ihre persönliche Bereicherung geht. Anderen fehlt es an der nötigen Fachkompetenz, Projekte erfolgreich zu planen und durchzuführen. Diese gefährden durch ihre Praktiken den guten Ruf des gesamten Spendenwesens. Jede Spende zählt.

Doch Spenden sollte man, um Not zu lindern. Die gibt es weltweit reichlich. Aber kein Spender kann ernsthaft annehmen, durch seinen Beitrag irgendetwas an diesem Gesamtbild ändern zu können. Seine Hilfe ist gemessen an der Größe des Planeten nicht einmal ein Tropfen auf dem heißen Stein. Aber wenn wir mit der Lupe auf einen einzelnen Ort schauen, können wir sehen, dass diese winzige und unmaßgebliche Spende dort vieles verändern kann.

Viele Initiativen und Hilfswerke binden die Menschen in den Zielländern in die Gestaltung ihrer Projekte ein. Hilfe zur Selbsthilfe ist das Ziel.

 

von Dr. Johannes Fiala und Dipl.-Math. Peter A. Schramm

mit freundlicher Genehmigung von

www.kaden-verlag.de (veröffentlich in CHAZ Ausgabe 01/2010, Seiten 52-54)

 

 

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Über den Autor

Dr. Johannes Fiala Dr. Johannes Fiala
PhD, MBA, MM

Dr. Johannes Fiala ist seit mehr als 25 Jahren als Jurist und Rechts­anwalt mit eigener Kanzlei in München tätig. Er beschäftigt sich unter anderem intensiv mit den Themen Immobilien­wirtschaft, Finanz­recht sowie Steuer- und Versicherungs­recht. Die zahl­reichen Stationen seines beruf­lichen Werde­gangs ermöglichen es ihm, für seine Mandanten ganz­heitlich beratend und im Streit­fall juristisch tätig zu werden.
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