Die zusätzliche Vergütungsvereinbarung kann widerrufen werden

Welche Vergütung der Kunde bei vorzeitigem Widerruf seiner Versicherungsbeiträge schuldet?

Der Bundesgerichtshof (BGH, Urteil vom 12.12.2013, Az. III ZR 124/13) entschied, dass sich nicht nur ein Makler, sondern auch ein Versicherungsvertreter von seinem Kunden für die Vermittlung einer Lebensversicherung mit Nettopolice eine Vergütung versprechen lassen kann. Kapitalanleger und Mittelstand nutzen zunehmend die Möglichkeit, bis zu mehr als 95 % Provisionen einzusparen. Dafür vereinbaren die Kunden mit dem Versicherungsmakler oder Versicherungsvertreter eine Vergütung, bisweilen verbunden mit einer Ratenzahlungsvereinbarung.

 

Preisvereinbarungen sind richterlicher Kontrolle entzogen

Versicherungsmakler und Versicherungsagenten können bei Nettopolicen mit ihren Kunden eine ggf. ratierlich zu bezahlende Vergütung wirksam vereinbaren. Leistung und Gegenleistung, als echte Preisabrede, sind der gerichtlichen Kontrolle entzogen (BGH, Urteil vom 13.05.2014, Az. XI ZR 405/12). Die Grenze findet dies beim Wucher – Zinswucher ebenso wie Provisionswucher. Versicherungsmathematische Gutachten zur üblichen Courtage- und Provisionshöhe werden von Gerichten regelmäßig im Zusammenhang mit Nettotarifen angefordert, wobei je nach Fallgestaltung nur das Übliche geschuldet wird, oder aber dies bis zur Wuchergrenze beim z.B. Doppelten überschritten werden kann. Bei Preisnebenabreden können Gerichte hingegen auch grundsätzlich die Wirksamkeit der Vereinbarung nach dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen überprüfen, so dass beispielsweise neben dem vereinbarten Darlehenszins zusätzliche Kreditbearbeitungsgebühren unzulässig sind (BGH, Urteile vom 13.05.2014, Az. XI ZR 405/12 und XI ZR 170/13). In der Versicherungsvermittlung wird es zulässig sein, auch seine Aufwendungen und Auslagen an den Kunden weiter zu berechnen, §§ 670 ff. BGB.

Nachdem die Preiskontrolle bezüglich der Gegenleistung, also des unmittelbaren Gegenstands der Hauptleistung des Kunden richterlich nicht nach dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen kontrollfähig ist (BGH, Urteil vom 06.02.1985, Az. VIII ZR 61/84; vom12.03.1987, Az. VII ZR 37/86), könnte ein Versicherungsvermittler oder Makler durchaus auch – bis zur Wuchergrenze – ein Vielfaches der üblichen Vergütung mit dem Kunden vereinbaren. Zusatzleistungen dürfen Gerichte grundsätzlich überprüfen, beispielsweise darauf, ob sie mit gesetzlichen Regelungen unvereinbar sind, oder mit dem Leitbild entsprechender Rechtsvorschriften noch im Einklang stehen. Derartige Rechtsvorschriften wären beispielsweise Gesetze, ungeschriebene Rechtsgrundsätze, Handelsbrauch und Richterrecht (BGH, Urteil vom 10.12.1992, Az. I ZR 186/90).

 

Keine Schicksalsteilung von Versicherungsprämie und Vermittlervergütung

Bei einer mit dem Vermittler vereinbarten Vergütung für die Vermittlung von Nettopolicen gilt nicht mehr der Schicksalsteilungsgrundsatz, wonach eine Provision nur solange zu bezahlen ist, wie für den Hauptvertrag eine Versicherungsprämie bezahlt wird. Damit muss die vereinbarte Vergütung auch dann bezahlt werden, wenn der Kunde später dem Versicherer vorzeitig kündigt oder den Versicherungsvertrag etwa später widerruft. Voraussetzung ist auch gegenüber Verbrauchern lediglich, dass die Versicherungsvermittlung erfolgreich gewesen war. So wie sich auch ein Fluchthelfer die nachträgliche ratenweise Bezahlung seiner Erfolgsvergütung versprechen lassen kann (BGH, Urteile vom 29.09.1977, BGHZ 69, 295; 69, 303).

 

Fehlerhafte Widerrufsbelehrung führt zum Wertersatz

Selbst wenn dem Verbraucher wegen fehlerhafter Widerrufsbelehrung noch ein Widerrufsrecht zusteht, kann bei erfolgreicher Versicherungsvermittlung eine vollständig erbrachte Maklerdienstleistung nicht mehr in Natur zurückgegeben werden. Dann schuldet der Verbraucher dem Vermittler einen Ersatz des objektiven Wertes der Beratungs- und Vermittlungsleistung, maximal jedoch in Höhe der vereinbarten Vergütung. Als Wertersatz kommt die übliche Vergütung in Frage, hilfsweise eine angemessene Entlohnung, ganz ohne Blick auf den individuellen Wert beim Versicherungskunden. Somit bleibt auch unberücksichtigt, dass der Kunde seinen Versicherungsvertrag vorzeitig gekündigt oder etwa widerrufen hat. Was allerdings das Übliche überschreitet, wird nicht geschuldet, auch wenn es wirksam vereinbart war und die Wuchergrenze nicht überschritten hat.

Beratungs- und Hinweispflichten bei selbständiger Vergütungsvereinbarung mit Nettopolice Der BGH weist darauf hin, dass den Vermittler bzw. Makler besondere Beratungs- und Hinweispflichten treffen, wenn es zum Abschluss einer selbständigen Vergütungsvereinbarung zwischen ihm und dem Kunden kommt. Der Vermittler von Nettopolicen ist verpflichtet seine privaten und gewerblichen Kunden auch über die Auswirkungen des Abschlusses einer Nettopolice im Fall einer vorzeitigen Kündigung aufzuklären. Fehlt es an einer solchen Belehrung, besteht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass der Kunde sich bei gehöriger Belehrung nicht für eine “Nettopolice” entschieden hätte. Dann mindert sich die Vergütung entsprechend, auf bis zu null.

So entschied das LG Düsseldorf durch Urteil vom 02.04.2014 (Az. 23S 150/13), dass mangels Hinweis des Vermittlers auf die Nachteile der Vergütungsvereinbarung bei vorzeitiger Versicherungsvertragsbeendigung von Nettopolicen ein Schadensersatzanspruch besteht, § 63 VVG. Dieser richtet sich auf Befreiung von der gesamten vereinbarten Vergütung, und mithin auch auf die Rückzahlung der dafür bereits ratenweise geleisteten Zahlungen.

 

Zur Bemessung des Wertersatzanspruchs des Versicherungsvertreters

Der Wert einer Versicherungsvertreterberatung beziehungsweise -vermittlung wird bei der eventuell gebotenen typisierten und objektivierten Betrachtungsweise deutlich unter dem Wert einer Versicherungsmaklerleistung liegen. Denn eine der wesentlichen Pflichten des Versicherungsmaklers, seiner Beratung eine größere Zahl von auf dem Markt angebotenen Versicherungsverträgen von verschiedensten Versicherern zugrunde zu legen, wird der Versicherungsvertreter nicht oder nur unzureichend erledigen, § 60 Abs. 1 Satz 1 VVG. Dies gilt auch bei dem durchaus häufigen Fall, dass die Nettopolice von einem Pseudo- oder Scheinmakler erbracht wird, der nur mit einem oder wenigen Versicherern zusammenarbeitet.

Allerdings kann es sich beim Vertreter auch um eine große Vertriebsorganisation handeln, der ein Versicherer z.B. seine gesamte Vertriebsorganisation übertragen hat, deren Kosten vom Versicherungsnehmer durch die Vermittlungsvergütungsvereinbarung zu tragen sind. Manchmal müssen solche Vertriebe für eine Ausschließlichkeitsvertrag sogar noch eine Lizenzgebühr an den Produktgeber zahlen, aus der dieser seine internen Vertriebskosten deckt, soweit diese Aufgaben nicht auch der Vertrieb übernommen hat, samt Aufbau und Schulung des Vertriebs, Risikoprüfung und Policierung. Dies erhöht trotz qualitativ nach außen gleicher Beratung den Wert der Vermittlungstätigkeit für den Versicherungsnehmer, weil er diese Kosten nicht an den Versicherer mit der Prämie zahlen muss. Eine einfache typisierende Einteilung in Makler und Vermittler verbietet sich daher.

 

Abschlusskostenvereinbarung mit Versicherer

Anders beurteilt der BGH separate – sonst sehr ähnliche – Abschlusskostenvereinbarungen des Versicherers selbst mit dem Versicherungsnehmer. Diese Kosten sind separat mit der Prämie oft ebenfalls in Raten über die ersten 60 Monate zu zahlen. Der BGH sieht dies als erlaubt, doch gilt danach der Schicksalsteilungsgrundsatz der Prämie. Somit entfällt die Pflicht zur Zahlung der restlichen Raten der Abschlusskosten mit einer Kündigung des zugrundeliegenden Versicherungsvertrages – auch die Abschlusskostenvereinbarung ist damit also gemeinsam mit dem Versicherungsvertrag kündbar.

 

von Dr. Johannes Fiala und Dipl.-Math. Peter A. Schramm

 

mit freundlicher Genehmigung von

 

www.experten.de (veröffentlicht am 04.10.2017)

 

Link: https://www.experten.de/2017/10/04/zusaetzliche-verguetungsvereinbarung-kann-widerrufen-werden/

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Über den Autor

Dr. Johannes Fiala Dr. Johannes Fiala
PhD, MBA, MM

Dr. Johannes Fiala ist seit mehr als 25 Jahren als Jurist und Rechts­anwalt mit eigener Kanzlei in München tätig. Er beschäftigt sich unter anderem intensiv mit den Themen Immobilien­wirtschaft, Finanz­recht sowie Steuer- und Versicherungs­recht. Die zahl­reichen Stationen seines beruf­lichen Werde­gangs ermöglichen es ihm, für seine Mandanten ganz­heitlich beratend und im Streit­fall juristisch tätig zu werden.
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