Haftungsrisiken für Arbeitgeber bei Jobwechsel und Übernahme betrieblicher Altersversorgung (bAV)

– Versorgungskapitalübertragung oder Versicherungsnehmerwechsel – Entscheidung zwischen Pest und Cholera –

 

Rein statistisch beträgt die Betriebszugehörigkeit eines Mitarbeiters knapp fünf Jahre. Besitzt der Mitarbeiter eine bAV, wird er diese zum neuen Arbeitgeber mitnehmen können,
jedoch nur wenn sich damit auch alter und neuer Arbeitgeber einverstanden erklären, § 4 BetrAVG.

 

Übertragung des Versorgungskapitals

Die Übertragung des Versorgungskapitals ist der klassische Weg, indem der neue Arbeitgeber eine neue bAV-Zusage ergänzend zum neuen Arbeitsvertrag erteilt.
Übertragen werden kann nach dem sogenannten Portabilitätsabkommen der Übertragungswert, einer Direktversicherung, eines Pensionsfonds, oder einer Pensionskasse.
Der § 4 BetrAVG gilt auch für den Übertragungswert einer Pensionszusage und einer Unterstützungskasse. Der Mitarbeiter hätte Anspruch auf Entgeltumwandlung.

 

Vielfach erkennen Mitarbeiter erst jetzt bei Auflösung der Versicherung zur bAV,  dass es bereits bisher ein Verlustgeschäft war, denn übertragen wird vielfach nur
bis zu weniger als die Hälfte der Einzahlungen. Später bei Renten- oder Kapitalauszahlung kommt vielfach eine Abgabenbelastung dazu, eingeschlossen die häufige Pflicht
noch Beiträge an die gesetzliche Krankenversicherung zu entrichten. Bis zur Auszahlung haben sich zudem die Ansprüche auf Krankengeld, gesetzliche Rente und Arbeitslosengeld vermindert.
Wer nachrechnet stellt oft fest,  dass es günstiger gewesen wäre, sich das Geld über die Lohnabrechnung ausbezahlen zu lassen, um es selbst anzulegen.

 

Sichere weitere Verluste durch neue Versicherungstarife

Vielfach wird der neue Arbeitgeber nur noch Versicherungsverträge mit geringerer garantierter Mindestverzinsung abschließen können, verbunden mit neuen Abschlusskosten.
Denn geringere Verzinsung bedeutet zwar geringere Garantieleistung für den Arbeitnehmer, aber auch geringere Haftung für den Arbeitgeber. Für den Arbeitnehmer ist bereits eine neue Direktversicherung absehbar ein Verlustgeschäft, denn die Kapitalerträge werden durch Verwaltungskosten und Inflation schlicht aufgefressen. Nicht jeder Arbeitgeber ist bereit,
die Verträge so zu gestalten,  dass etwa eine Versorgung von Hinterbliebenen und bei Berufsunfähigkeit sichergestellt ist. Besonders nachteilig sind die Versicherungstarife
seit 23.12.2012 wenn männliche Arbeitnehmer versichert werden, denn seither erhalten diese bis zu mehr als 20% niedrigere Leistungen aus sogenannten Unisex-Tarifen.
Der Arbeitgeber könnte dies nicht nur durch Auswahl eines Versicherers vermeiden, der nicht im politischen Europa beheimatet ist.

 

Unisex in der bAV nicht zwingend

In der betrieblichen Altersversorgung sind die für Männer ungünstigen Unisextarife nicht zwingend vorgeschrieben. Somit kann der Arbeitgeber Anbieter finden, die hier weiter geschlechtsabhängig kalkulierte Tarife anbieten. Doch selbst Unisexkalkulation wäre nur auf Ebene eines Arbeitgebers oder z. B. auch einer Gruppe von Arbeitgebern erforderlich.
Große Arbeitgeber mit einer Überzahl Männer können so für ihre Arbeitnehmer günstigere Unisextarife als Kollektivvertrag erhalten als der normale Einzelversicherte. Alternativ
kann es sich lohnen, wenn der Arbeitgeber ein Kollektivangebot einer Gruppe von Arbeitgebern nutzt, die z. B. als Branche einen größeren Anteil Männer unter den Arbeitnehmern
aufweisen. Wer sich die Suche nach geeigneten Angeboten als Arbeitgeber zu leicht macht, kann schnell in eine Haftung wegen zu ungünstiger Versorgungen kommen.

 

Versicherungsnehmerwechsel als Alternative?

Beim Versicherungsnehmerwechsel tritt der neue Arbeitgeber in jenen Versicherungsvertrag ein, den der alte Arbeitgeber abgeschlossen hat. Der neue Arbeitgeber ahnt vielfach nicht,
dass er damit die Verantwortung für die Auswahl des Trägers der bAV (Tarif, Versicherung, Unterstützungskasse, Pensionskasse, etc.) übernimmt, und eventuelle Defizite in der
Wertgleichheit fortführt. Üblicherweise werden dann auch die bisherigen Zusagen zur Vereinfachung vom neuen Arbeitgeber übernommen, eingeschlossen darin enthaltene zusätzliche
rechtliche Gestaltungsfehler und Haftungsrisiken. War bereits die alte bAV-Zusage nicht wertgleich, wird es der Übertragungswert selbst beim Versicherungsnehmerwechsel vielfach
auch nicht sein können. Einige Versicherungsgesellschaften unterstützen der Arbeitgeberwechsel mit bAV-Zusage durch Formularsammlungen, welche selbstredend nicht automatisch
haftungssicher sind, und den Arbeitgeber nicht von gesetzlichen Pflichten befreien.

 

Keine Haftungsfreiheit für alten und neuen Arbeitgeber

Kein Arbeitgeber kann sich sicher sein,  dass überhaupt jemals eine Zusage wie vom Gesetz gefordert wertgleich ist, egal ob zum umgewandelten Entgelt oder zum Übertragungswert.
Es wird dem Arbeitgeber keine Haftungsfreiheit gesetzlich versprochen. Die Ansprüche der Mitarbeiter gegen den alten und den neuen Arbeitgeber verjähren regelmäßig erst nach bis zu 30 Jahren, und zwar gerechnet nach Rentenbeginn. Dabei gibt es nach dem Betriebsrentengesetz keine gesetzliche Zusageart, welche den Arbeitgeber aus der Verantwortung entlässt.
Der Gesetzgeber hätte es den Arbeitnehmern überlassen können, ähnlich wie bei den Vermögenswirksamen Leistungen,  dass der Arbeitgeber mit geringster Verantwortung nur die
Bezahlung auf einen Sparvertrag übernimmt. Bei betrieblicher Altersversorgung über Lebensversicherungen wird nahezu allen Arbeitgebern verschwiegen,  dass es rund ein halbes
Dutzend Möglichkeiten gibt, die Versicherungsleistungen sogar nachträglich bis zu weit unterhalb der garantierten Leistungen zu kürzen. Setzen Pensionskassen oder Pensionsfonds
ihre Leistungen später satzungsgemäß herab, wird der Arbeitgeber ebenfalls für Differenzen einzustehen haben – ebenso, wenn sie schon von Beginn an nicht wertgleich sind, oder
dies spätestens mit einer vorzeitigen Beitragsfreistellung oder Herabsetzung werden. Zum Totalverlust kam es bereits bei einer Unterstützungskasse, deren Kapital veruntreut wurde,
und bei einer Industrie-Pensionskasse deren Vermögen durch Hacker unwiederbringlich in eine Steueroase überwiesen wurde. Der Arbeitgeber haftet – auch wenn es ihn anscheinend
schuldlos trifft.

 

Alternativen ohne Versicherungsdeckung und ohne Anrechnung im Alter

Die fragliche Rendite aus Arbeitnehmersicht, und eine sich im Laufe der Zeit auftürmende Arbeitgeberhaftung, legen es nahe nach Alternativen zu suchen. Für Mitarbeiter kann dies
schlicht darin bestehen, die Abgabenbelastung aktuell zu optimieren und sich die gesamten bAV-Leistungen bereits heute abfinden zu lassen. Für Arbeitgeber besteht die Alternative
darin, wie der Teufel das Weihwasser, die eigene gesetzlich zwingend Haftung nach dem Betriebsrentengesetz bei bAV-Modellen zu meiden. Mit versicherungsförmig organisierten Lösungen
von der Stange kann dies sicherlich kaum gelingen. Mit Angeboten der Mitarbeiterkapitalbeteiligung zur Vermögensbildung oder über Stiftungen organisierte Altersversorgungen
außerhalb der bAV wird jedoch die Nachfrage nach haftungsbelasteten Entgeltumwandlungen sich minimieren lassen.

 

Die Masse der Arbeitnehmer besitzen beste Aussichten auf Altersarmut und eine jährlich neu zu beantragende Grundsicherungsrente – dies übrigen bis in höhere Einkommensschichten
kaum eine Chance, den Lebensstandard im Alter annähernd zu halten. Dabei führt der heutige Konsumverzicht durch Riestersparen später im Alter bei vielen zu absolut keiner Verbesserung der Versorgungshöhe. Nach Verlautbarungen der Bundesregierung stellt es aber ohnehin eine angemessene Altersversorgung dar, wenn im Alter zumindest keine Sozialhilfe beantragt werden muss.
Mancher Arbeitgeber hat bereits erkannt,  dass es sich daher anbietet für derartige Situationen der Mitarbeiter aus Fürsorge eine Zusatzversorgung auf wohltätiger Basis zu organisieren, etwa über eine Stiftung. Der Vorteil für den Arbeitgeber kann steuerlich sein, für die Mitarbeiter liegt der Vorteil in flexibleren Leistungen. Auch kann dadurch Betriebstreue bis Rentenbeginn durch vom Betriebsrentengesetz abweichende Unverfallbarkeitsregelungen weit besser belohnt werden und so eine stärkere Bindungswirkung als in den üblichen bAV-Lösungen erreicht werden. Zumal hier ein Zielkonflikt mit aus EU-Sicht geforderter besserer Mobilität der Arbeitnehmer gegeben ist, der sich demnächst in auf drei Jahre verkürzten Unverfallbarkeitsfristen äußern wird.

 

von Dr. Johannes Fiala und Dipl.-Math. Peter A. Schramm

 

 

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Über den Autor

Dr. Johannes Fiala Dr. Johannes Fiala
PhD, MBA, MM

Dr. Johannes Fiala ist seit mehr als 25 Jahren als Jurist und Rechts­anwalt mit eigener Kanzlei in München tätig. Er beschäftigt sich unter anderem intensiv mit den Themen Immobilien­wirtschaft, Finanz­recht sowie Steuer- und Versicherungs­recht. Die zahl­reichen Stationen seines beruf­lichen Werde­gangs ermöglichen es ihm, für seine Mandanten ganz­heitlich beratend und im Streit­fall juristisch tätig zu werden.
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