Illegale Qualitäts-Werbung wiegt Beraterkompetenz nicht auf

Echte normierte Zertifizierung oder Marketing-Gag?

 

Immer wieder stehen „Ratingagenturen und Überwachungsvereine“ am Pranger, weil Studien deren Arbeit kritisieren. Mit Recht, argumentieren die Autoren und stellen die meisten dieser „Awards“ auf die gleiche Stufe wie Karnevalsorden und Ehrenmedaillen. (Red.)

Würde man außer den streng regulierten echten Zertifikaten (zum Beispiel basierend auf DIN-EN-ISO-Normen), keine Auszeichnungen, Beurteilungen oder Zeugnisse mehr zulassen, müsste man die freie Meinungsäußerung ganz verbieten, und jedes Zitat daraus auch. Sonst – wie Reinhard Mai sagt – „braucht man keine Klempner mehr, dann werd ich halt Installateur“.

Seriöse akkreditierte Anbieter indes stehen im Wettbewerb mit dem sogenannten unregulierten Bereich. Diesem ist es zwar nicht verboten, ebenso seriös zu arbeiten, aber er darf auch mit undurchsichtigen Vergabekriterien „Faschings- Orden für Finanzhäuser und ihre Mitarbeiter“ verteilen.

Umwelt-Zertifizierung ist jetzt auch bei der sizilianischen Mafia gefragt: Aufträge werden CO2-neutral erledigt. Man erschießt nur noch bleifrei und fährt mit Biodiesel. Leichen werden im Kamin mit nachwachsenden Rohstoffen – Holz aus dem eigenen Wald – beseitigt. Auch dafür hat der Gesetzgeber keine besondere Zertifizierungsregel geschaffen.

 

Selbstverantwortung der Kunden zählt

Kunden von Finanzhäusern wissen, dass die allermeisten Berater nicht „in ihrem Lager stehen“ – und dennoch verzichten sie zumeist auf eine wirksame überwachung der Produkte und Produktgeber. Nicht selten mündet dieses Geschäftsmodell des blinden Vertrauens in der schamlosen Erkenntnis eines Irrtums oder einer (Selbst-)Täuschung. Aber sollte der Gesetzgeber etwa darauf bestehen, dass man neben den vorgeschriebenen Produktinformationen auch noch ein bestimmtes Zertifikat haben muss?

Auch ein Verbot, dem Kunden solche „Informationen“ zu geben, die der Gesetzgeber nicht für nützlich erachtet, führt kaum zum Ziel. Vielleicht interessiert ja den Anleger doch das Siegel auf dem Anteilsschein, das nach eingetretener Geldvernichtung zumindest die unbedenkliche Kompostierbarkeit desselben verspricht? Der Gesetzgeber müsste zur Eindämmung unnützlicher, belastender Informationsflut eine Zensurbehörde zur Genehmigung nützlicher Informationen einrichten!

 

Irreführende Werbung in der Rechtsprechung

Beispiel „Europäische Wirtschaftskammer“:

Das OLG Dresden (Urteil vom 29. Februar 2000, Az.: 15 U 3716/99) verbot die Werbung mit Auszeichnungen (also Zertifikaten), wenn diese nicht auf „anerkannten und veröffentlichten Gütebedingungen beruht“. Wenn also ein Zertifikat auf kreativ selbstgeschaffenen Regeln beruht, ist es illegal, da wettbewerbswidrig, wenn der so Zertifizierte damit uneingeschränkt wirbt – und übrigens dann auch nach dem Wettbewerbsrecht (UWG) zumeist strafbar. Die Benutzer sollten sich über Risiken und Nebenwirkungen informieren.

Beispiel TüV-Siegel „GS – Geprüfte Sicherheit“: Das Landgericht München hat durch Urteil vom 19. November 2007 (Az.: 14 HK O 7323/07) entschieden, dass bei Erteilung einer „Bescheinigung“ der Aussteller haftet, wenn dies rechtlich unzulässig ist und es dadurch zu einem Schaden kommt. Beispiel „Zertifizierter Testamentsvollstrecker“: Der Niedersächsische Anwaltsgerichtshof hat mit Beschluss vom 12. Januar 2009 (Az.: AGH 23/08) entschieden, dass die Führung der Bezeichnung „Zertifizierter Testamentsvollstrecker (AGT)“ irreführend und damit unzulässig ist. Ein privater Verein hatte dieses Zertifikat „frei erfunden“.

Kassiert wurde die Werbung mit dieser „Erfindung“, weil sie eine amtliche Verleihung suggeriere, die es in Wahrheit nicht gibt. Beispiel „Dekra-zertifizierter Anwalt“: Das Landgericht Köln (Urteil vom 26. November 2009, Az.: 33 O 353/08) beziehungsweise Landgericht Berlin (Urteil vom 19. November 2009, Az.: 16 O 479/09) kassierten ähnlich die Werbung von Dekra-zertifizierten Anwälten mit ihrem Dekra-Zertifikat.

 

Aufgabe für Kunden der Finanzhäuser

Zertifikate und Siegel für die erstrebte „Unbedenklichkeit“ von Produkten oder Beratungen sind niemals eine ausreichende Entscheidungsgrundlage. Dies wäre ebenso ein Wunschtraum, wie etwa die Meinung manches Vermittlers: „Ein Produkt einer von der Aufsichtsbehörde überwachten Lebensversicherung kann ich doch immer unbedenklich anbieten!“

Im Schadensfall kostet es erfahrungsgemäß das 20-fache und mehr, wenn der Kunde auf vorherige Kontrolle durch unabhängige Experten verzichtet. Denn die Politik schafft es niemals, den alltäglichen Finanzbetrug oder die Vermittlung von für den Kunden ungeeigneten Produkten einfach abzuschaffen. Dazu sind auch Zertifikate – gleichgültig wie reguliert – gar nicht in der Lage, selbst wenn der Kunde dies irrtümlich meint.

 

Unverständliche Zertifikate Ignorieren

Das TüV-Siegel am Auto stellt keinesfalls sicher, dass ein völlig ungeeigneter Fahrer im Autohaus nach „Beratung“ einen Ferrari kauft, den er dann völlig überfordert gegen den nächsten Brückenpfeiler rammt. Auch schützt es nicht davor, dass der Halter nur für den TüV-Besuch die abgefahrenen Sommerreifen durch dafür ausgeliehene ersetzt – und Tage später anschließend betrunken mit Tempo 90 den nächsten Fußgänger auf dem Zebrastreifen von der Straße fegt.

Und der Tourist fragte sich mit heraushängender Zunge angesichts der schon wartenden Geier, was denn das TüV-Siegel wohl nützt, wenn man auf abgelegener Schotterstrecke im Death Valley mit zerfetzten Reifen liegen bleibt. In allen Fällen hätte wohl auch ein noch so ausgefeiltes und stärker reglementiertes TüV-Siegel nichts genutzt – letztlich muss sich der Kunde selbst um seine Angelegenheiten kümmern – und vielleicht kann er dann noch einem Berater einen Vorwurf machen.

 

Zertifikate können missbraucht werden

Kaum ein Kunde interessiert sich wirklich dafür, was ein Siegel oder Zertifikat eines Vertriebs, eines Anbieters oder Beraters tatsächlich für ihn bedeutet. Oft meint er, nun könne er das Produkt unbesehen kaufen, weil gar nichts mehr schief gehen kann. Gerade von solchen Einstellungen lebt die Zertifizierungsbranche – es erleichtert den Vertrieb, wenn der Kunde nicht mehr fragt.

Und weil dadurch eine Nachfrage der Vertriebe und Produktanbieter nach Siegeln und Zertifikaten besteht, wird es auch immer Unternehmen geben, die solche Zertifikatserstellungen anbieten. Soweit es dazu keine gesetzlichen Regulierungen gibt, sollte man ruhig jedem Zertifizierer dies ermöglichen – der Markt, Wettbewerbsrecht, Verbraucheraufklärung und Verbraucherakzeptanz werden dann dafür sorgen, dass sich nach vielen Versuchen die besten Zertifizierer durchsetzen.

Dann könnte man als Verbraucher eines Tages auch mehr – aber nie unbedingtes – Vertrauen in diese Zertifikate haben. Jegliche staatliche Regulierung würde diese Entwicklung frühzeitig behindern und die Beratungsqualität trotzdem nicht sichern. Das dann zwangsläufige Entstehen neuer Formen von nachgefragten Siegeln, Bestätigungen oder Zeugnissen und wie man es auch immer unreguliert noch nennen darf, kann ohnehin nicht aufgehalten werden.

 

von Dr. Johannes Fiala und Dipl.Math. Peter A. Schramm

mit freundlicher Genehmigung von

www.kreditwesen.de (veröffentlicht in Vermögen und Steuern, Ausgabe 04/2010, Seite 29)

und

www.experten.de (veröffentlicht im Experten Report, Ausgabe 02/2010,Seiten 66-67 unter der Überschrift: Finanz-Werbung – legal, illegal? Zertifikate, Gütesiegel, Awards, „geprüfte“ Auszeichnungen?)

 

 

 

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Über den Autor

Dr. Johannes Fiala Dr. Johannes Fiala
PhD, MBA, MM

Dr. Johannes Fiala ist seit mehr als 25 Jahren als Jurist und Rechts­anwalt mit eigener Kanzlei in München tätig. Er beschäftigt sich unter anderem intensiv mit den Themen Immobilien­wirtschaft, Finanz­recht sowie Steuer- und Versicherungs­recht. Die zahl­reichen Stationen seines beruf­lichen Werde­gangs ermöglichen es ihm, für seine Mandanten ganz­heitlich beratend und im Streit­fall juristisch tätig zu werden.
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