“Juristenstreit”: Makler können doch rentenversicherungspflichtig sein!

In einem Originalbeitrag für FONDS professionell ONLINE erläutern Rechtsanwalt Johannes Fiala und Aktuar Peter Schramm, warum sie die Entscheidung des bayerischen Landessozialgerichtes zu der Rentenbeitragspflicht eínes Maklers für korrekt halten.

Das Urteil des bayerischen Landessozialgerichtes (LSG) zu der Rentenversicherungspflicht bestimmter Makler hat in der Branche großes Aufsehen erregt. Der AfW Bundesverband Finanzdienstleitung hat das Urteil scharf kritisiert und es als Einzelfallentscheidung eingestuft. Dieser Einschätzung widersprechen der Münchner Fachanwalt für Versicherungsrecht Johanes Fiala und der Aktuar Peter Schramm. Sie halten die Argumentation des LSG, das einen Vergleich mit Franchiseunternehmen zieht, für korrekt und damit auch die Schlussfolgerung, dass sich formal selbstständige Makler unter Umständen in einem solchen Abhängigkeits-Verhältnis zu einem Maklerpool befinden. Lesen Sie nachfolgend den Original-Kommentar. (jb)


 

Ein aktuelles Urteil des Bayerischen Landessozialgericht (LSG München, Urteil vom 3. Juni 2016, Az. L 1 R 679/14) verurteilt im Ergebnis einen Versicherungsmakler zur Bezahlung gesetzlicher Rentenversicherungsbeiträge. Auf eine (angeblich andere) Rechtsbeziehung zwischen Versicherern, Pool und Versicherungsmakler kommt es gar nicht erst an. Die Realität schlägt den Schein des Wortlauts.

Versicherungsvertriebsrecht hat keinen Einfluss auf Sozialversicherungsrecht
Das LSG hat das analoge Beispiel des Franchisenehmers in den Urteilsgründen angeführt. Der Franchisenehmer ist ebenfalls arbeitnehmerähnlicher Selbständiger, weil wirtschaftlich faktisch abhängig vom Franchisegeber. Auch hier wird die Situation für die Franchisenehmer oft beschönigt, um ihnen ihre Abhängigkeit nicht allzu bewusst werden zu lassen, indem man sie mit schönen Worten übertüncht.

Im Sozialversicherungsrecht kommt es auf das Faktische an, die gelebte Praxis. Wenn beispielsweise ein Arbeitgeber keinen Lohn auszahlt, schuldet er gleichwohl wegen geleisteter Arbeit die Abführung der Sozialversicherungsbeiträge – nicht jedoch die Deklaration und Bezahlung von Lohnsteuer. Das Faktische ist der ungekündigte Arbeitsvertrag und die tatsächliche Mitarbeit. Fachleute sprechen vom “Phantom-Lohn” – der nicht bezahlt wird, von dem aber gleichwohl Sozialversicherung geschuldet wird.

Arbeitnehmerähnliche – echte – Selbständige beziehen mindestens 5/6 ihrer Einnahmen aus einer Quelle, und beschäftigen keinen Arbeitnehmer – ein Minijob zählt dabei nicht. Solche Selbständigen schulden den vollen Beitrag zur gesetzlichen Rentenversicherung.

 

Keine grob fehlerhafte Einzelfall-Entscheidung
Pools können nach den Urteilsgründen für den Poolmakler faktisch ein “Absatzherr” sein.

Wenn beispielsweise ein selbständiger Maurer mit der Hochtief AG einen Vertrag schließt, wonach Hochtief lediglich möglicher Subunternehmer ist, an den auch der komplette Auftrag weitergegebenen werden kann, und so auftritt, mit dem gesamten Angebot und allen Maschinen von Hochtief, aber eigentlich nur für Hochtief Aufträge vermittelt, mit ihm als Vertragspartner, die dann sofort auf Hochtief umgeschrieben werden, so würde Arbeitnehmerähnlichkeit als Selbständiger im Raum stehen, womöglich gar Scheinselbständigkeit.

Arbeitnehmerähnlichkeit faktisch beim Franchisenehmer und Pool-Makler
Der Franchisenehmer, beispielsweise in der Gastronomie, verkauft gegebenenfalls auch keine Produkte des Franchisegebers, sondern von Lieferanten, an die er nur über den Franchisegeber kommt. Mithin ist es für die Rentenversicherung auch irrelevant, dass über den Pool nicht dessen, sondern Produkte von vielen Versicherern vermittelt werden, zu denen der Pool nur den Zugang bietet.

Und natürlich ist der Franchisenehmer für die Kunden, die ihn aufsuchen, verantwortlich, beispielsweise dass sie nicht stürzen oder sich eine Lebensmittelvergiftung zuziehen. Er hat sogar eine große Verantwortung und bekommt die Kunden auch nicht vom Franchisegeber geschickt. Er trägt auch ein großes wirtschaftliches Risiko. Er ist damit zweifellos selbständig – aber eben wirtschaftlich vom Franchisegeber abhängig und damit arbeitnehmerähnlich. Mithin spielt es auch keine Rolle, dass der Makler rechtlich Sachwalter der einzelnen Versicherungsnehmer ist und für seinen Rat haftet.

Im Sinne des Sozialgesetzbuches (SGB) sind die vielen Kunden dennoch nicht seine Auftraggeber. Genauso wenig wie jener Kunde, der bittet, ihm doch auch noch eine rot-grün gestreifte Krawatte zu zeigen, Aufraggeber des angestellten Verkäufers ist. Der Versicherungsmakler weist nicht solche Sonderheiten auf, dass man ihn nicht ebenso nach üblichen Kriterien gemäß SGB beurteilen kann.

Natürlich geht es nur um diejenigen Makler, die über 5/6-tel ihres Geschäftes mit einem Pool machen. Dies können durchaus viele sein, denn es gibt Pools, die Maklern alles bieten, was sie brauchen. Gerade Makler, die für ihren Kunden eine Rundumbetreuung bieten, also nicht auf bestimmte Produkte spezialisiert sind, und alleine arbeiten, bekommen mangels Umsatz kaum genug Direktanbindungen an Versicherer und sind daher von Pools faktisch abhängig.

 

Selbst gewähltes Berufsbild führt zur Arbeitnehmerähnlichkeit

Dies ist gerade das Idealbild, das viele Makler von sich haben. Sie arbeiten denn auch tendenziell alleine. Es steht zu erwarten, dass diese Sozialversicherungsprüfungen nun System werden und kein Einzelfall bleiben. Der Prüfdienst der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRV) greift dies auf. Jeder Makler kann dann einschätzen, ob er einer derer (wie viele auch immer) ist, die betroffen sind. Gegebenenfalls muss der Makler sich dann auf Nachzahlung der RV-Beiträge für fünf Jahre oder eine Größenordnung in Höhe von 50.000 Euro einrichten.

Das LSG interessiert eben nicht, was auf dem Papier steht, sondern wie es tatsächlich gelebt wird. Von versuchten (Selbst-)Täuschungen lässt es sich nicht beeindrucken. Poolmakler müssen also zur Kenntnis nehmen, dass sie von Pools arbeitnehmerähnlich abhängig sein könnten. Ihr Auftraggeber ist der Pool – ihr vermeintlicher Kunde ist nicht ihrer.

Auch der Umstand, dass der Makler – oft nur theoretisch – den Pool wechseln kann oder direkt bei Versicherern angebunden sei macht ihn nicht unabhängig, solange er tatsächlich vom Pool abhängig ist. Auch alle abhängig Beschäftigten sind nicht unabhängig, nur weil sie den Arbeitgeber wechseln oder sich selbständig machen können – selbst wenn sie dabei die von ihnen geworbenen Kunden mitnehmen könnten.

 

mit freundlicher Genehmigung von

www.fondsprofessionell.de (veröffentlicht am 05.07.2016)

 

Link: http://www.fondsprofessionell.de/news/steuer-recht/nid/quotjuristenstreitquot-makler-koennen-wohl-rentenversicherungspflichtig-sein/gid/1027577/

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Über den Autor

Dr. Johannes Fiala Dr. Johannes Fiala
PhD, MBA, MM

Dr. Johannes Fiala ist seit mehr als 25 Jahren als Jurist und Rechts­anwalt mit eigener Kanzlei in München tätig. Er beschäftigt sich unter anderem intensiv mit den Themen Immobilien­wirtschaft, Finanz­recht sowie Steuer- und Versicherungs­recht. Die zahl­reichen Stationen seines beruf­lichen Werde­gangs ermöglichen es ihm, für seine Mandanten ganz­heitlich beratend und im Streit­fall juristisch tätig zu werden.
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