Pfändungsschutz für Selbständige in der Altersvorsorge

Gesetz stellt auf das Ergebnis nicht auf die eingezahlten Beiträge ab
„Es gibt Dinge, die den meisten Menschen unglaublich erscheinen, die nicht Mathematik studiert haben.“ (Archimedes, Mathematiker, Ingenieur, technischer Berater der Tyrannen von Syrakus). Das vom deutschen Bundestag in erster Lesung am 11. Mai 2006 beratene neue Gesetz, welches insbesondere der Sicherung der privaten Altersvorsorge von Selbständigen dienen soll, ist am 31. März 2007 in Kraft getreten. Für selbständige Unternehmer stellt sich die Frage, welche wirtschaftlichen Folgen und Möglichkeiten mit dieser Neuregelung verbunden sind.
Ausgangslage
Unter anderem bei der betrieblichen Altersversorgung haben zahlreiche Unternehmer bereits bemerkt, dass von ihrer angeblich „konkursfesten“ Altersversorgung genau „null-komma- null“ übrige geblieben ist. Im Jahre 2005 wurde ein derartiger Fall vom Petitionsausschuss des Bundestages behandelt, wie in dessen Bericht nachzulesen ist. Betroffen sind hier mithin neben GmbH-Geschäftsführern und AG-Vorständen, auch Freiberufler und Selbständige, sowie Gesellschafter einer Personengesellschaft.
Blick über die Grenze
In einigen Ländern gibt es insbesondere für privat und/oder betrieblich abgeschlossene Versicherungsprodukte nachhaltigen Vermögensschutz – die Interessen der Gläubiger sind dort nachrangig gegenüber dem rechts- und gesellschaftspolitischen Ziel eines nahezu kompletten Schutzes der Altersvorsorge. Beispiele für derartige Regelungen finden sind in Liechtenstein und der Schweiz. In Gibraltar wird eine ähnliche Regelung diskutiert. In Deutschland sind rund 35 000 Unternehmensinsolvenzen jährlich zu beklagen: Potenziell sind die Betroffenen oft Kandidaten für Anträge auf Hartz IV, Sozialleistungen oder einen Platz unter der Brücke. Ein Vermögensschutz für Vermögen im Ausland bei einer Insolvenz ist jedoch zumeist nicht erreichbar, wenn der Vertrag durch eine deutsche „Mittelsperson“ zustande gekommen ist. Insofern ist es ratsam, die Spielregeln im internationalen Versicherungsrecht genau zu beachten. Die „Kapitalflucht“ alleine bedeutet also keine Sicherheit, denn es bestehen internationale Abkommen, damit der Insolvenzverwalter das ins Ausland transferierte Geld bei einer Insolvenz wieder zurück holen könnte.
Bisheriger Pfändungsschutz
Monatlich 990 Euro beim Ledigen und 1 360 Euro beim Verheirateten sind als Einkommen – auch bei Renten, derzeit grundsätzlich pfändungsfrei. Dies gilt auch im Falle einer Privatinsolvenz. Hinzu kommen besondere Freibeträge, auch solche auf Antrag, sowie solche bei Unterhaltspflicht insbesondere gegenüber Kindern. Durch das neue Gesetz werden diese Grenzen nicht erhöht – für neuerdings pfändungsfreie private Lebensversicherungen gelten diese Grenzen in der Leistungsphase gleichermaßen.
Neuerung im Inland nur für eine „Schicht“
Der Fachmann weiß, dass es steuerlich gesehen seit 2005 eine Schicht 1 (gesetzliche oder ähnliche Rente sowie die als „Rürup-Rente“ bekannte private Vorsorge), eine Schicht 2 (betriebliche Altersversorgung und die als „Riester-Förderung“ bekannten Möglichkeiten), und eine Schicht 3 (praktisch die restlichen privaten Vorsorgen) gibt. Der neu eingefügte § 851c der ZPO sieht Regelungen vor, die an die Schicht 1 im Rahmen der sogenannten „Rürup-Rente“ erinnern. Von der Höhe her ist das pfändungsgeschützte Vorsorgekapital je nach Alter des Berechtigen begrenzt ist: so soll man, nach Lebensaltersgruppen und weiter in steigenden Beträgen Vermögen unpfändbar in einer Lebensversicherung ansammeln können. In den Pfändungsschutz sollen Renten aus steuerlich geförderten Altersvorsorgevermögen einbezogen werden; erläutert der gerichtlich zugelassene Versicherungsberater Alfred Jani (www.jani. de) in seinem InformationsBrief 1/2006.
Fortbestehende Gefahr für Geschäftsführer und Vorstände
Versicherungsvermittler bezeichnen die Versorgung von Geschäftsführern und Vorständen gerne als insolvenzgeschützt: Vermutlich der weit überwiegende Teil ist es jedoch in der Praxis einer Insolvenz der Kapitalgesellschaft (GmbH/AG) nicht. Für diesen Personenkreis greift das neue Gesetz nicht ein, denn die Schicht 2 (betriebliche Altersversorgung) wird darin nicht angesprochen. Das Gesetz stellt in seiner Begründung und nach seinem Wortlaut nicht auf die eingezahlten Beiträge ab, sondern deren Ergebnis (Deckungskapital bzw. Rückkaufswert einer Lebensversicherung einschl. der überschüsse), das dann pfändungsfrei ist ! Der Gesetzgeber spricht von einem maximal pfändungsfreien Vermögen i.H.v. insgesamt und je nach Alter bis zu 238 000 Euro, welches als Ergebnis des Sparvorgangs angesammelt werden darf. Dieses Vermögen, also das entstehende angesammelte Deckungskapital (mit allen Zinsen und überschüssen) ist gesetzlich limitiert. Dieses Vermögen selbst ist je nach Alter gestaffelt begrenzt, insgesamt auf 238 000 Euro im Endalter von 65 Jahren. Im Einzelfall wird ein Betroffener nicht darum umhin kommen, sich genau ausrechnen lassen zu müssen, wie er seinen Vertrag und seine Einzahlungen entsprechend der neuen gesetzlichen Vorschrift optimiert kann.
Schon immer war eine rechtliche Optimierung im Inland möglich
Die neue gesetzliche Regelung lässt jedoch Fälle außer acht, bei denen die Grenze von bis zu 238 000 Euro als „angesammelte Gesamtsumme“ gar nicht eingreifen kann. Wenn nämlich vertraglich gar kein Rückkaufswert denkbar ist, entfällt die Bedeutung des Limits von 238 000 Euro komplett. Gepfändet werden kann nämlich ein Kapital der Lebensversicherung bzw. Rentenversicherung nur, wenn auch ein auszahlbarer Rückkaufswert – und nicht etwa nur ein angespartes Deckungskapital – vorhanden ist. In der Rentenversicherung gibt es aber gar keinen gesetzlichen Anspruch auf einen Rückkaufswert. Ist er auch vertraglich nicht vereinbart, so ist die Police für jeden Gläubiger wertlos – gepfändet werden kann dann nur der pfändbare Anteil einer eventuell zukünftigen Rente. Solche Policen ohne vertraglichen Rückkaufswert sind z. B. üblich, wenn auch keine Todesfallleistung vereinbart ist. Rechtlich umstritten ist, ob darüber hinaus unschädlich eine Option auf Kapitalabfindung zum Rentenbeginn eingeräumt werden kann. Wer sich Sorgen macht, dass das angesparte Kapital im Todesfall für die Erben verloren ist, kann dies über eine getrennte Todesfallversicherung absichern. So lässt sich – ohne Bedarf an neuen gesetzlichen Regelungen – eine unbegrenzte pfändungssichere Altersvorsorge aufbauen und evtl. sogar bei Rentenbeginn über das Kapital verfügen (sinnvollerweise nur, so die Insolvenz bis dahin abgeschlossen ist).
Beruht der Gesetzentwurf auf irrtümlichen Voraussetzungen?
Genau das – die Kapitalabfindung – lassen aber die weit engeren Regelungen nach dem neuen Gesetz nicht zu. Da auch ein Rückkauf ausgeschlossen ist, bietet das Gesetz keinerlei Vorteile gegenüber dem bisher schon Möglichen. Und sogar seine Begrenzung erweist sich als nutzlos für den Gläubiger, denn wenn er bei einer solchen Rentenversicherung anfragt, welcher Rückkaufswert denn nun ausgezahlt wird, so wird ihm gesagt: Null – denn auch das Recht auf Kündigung und Rückkauf muss ja nach dem Wortlaut des Gesetzes ausgeschlossen sein. Es gibt also gar nichts daraus zu pfänden. Einiges spricht dafür, dass die Ersteller des Gesetzesentwurfs irrtümlich unterstellen, dass die von ihnen beschriebenen Rentenversicherungen einen pfändbaren Rückkaufswert hätten. Dies ist allerdings verzeihlich, denn sogar der Gesamtverband der Versicherungswirtschaft hatte bis vor kurzem – vom Lebensausschuss der Aktuarvereinigung umgehend als haltlos beurteilt – irrtümlich noch die Meinung vertreten, dass es doch einen gesetzlichen Rückkaufswert für Rentenversicherungen gäbe. Ein Deckungskapital ist natürlich vorhanden, aber dieses selbst ist nicht pfändbar. Pfändbar ist eben nur das Recht auf Kündigung (so vertraglich nicht ausgeschlossen) verbunden mit dem dann (so – mangels gesetzlicher Regelung – allenfalls vertraglich vereinbart) auszuzahlenden Rückkaufswert. Bei den im Gesetz beschriebenen Rentenversicherungen ist aber bereits die Kündigung ausgeschlossen – stattdessen und statt Auszahlung des Rückkaufswertes ist daher nur die Umwandlung in eine dem erreichten Deckungskapital entsprechende beitragsfreie Rente möglich. Der Gläubiger geht also – nicht anders als bisher schon bei entsprechenden Gestaltungen – bis zum Rentenbeginn leer aus. Ab Rentenbeginn sind dann – mit Pfändungsfreigrenzen – die daraus gezahlten Renten pfändbar. Dann ist aber vermutlich das Insolvenzverfahren längst abgeschlossen. Ein neueres Urteil des BFH deutet allerdings an, dass u. U. auch das Recht auf eine Kapitalabfindung (nicht nur eine gewählte Kapitalabfindung selbst) pfändbar ist.
Zwischen Pfändungsschutz und Kreditwürdigkeit
Der Selbständige kann auch während einer Pfändung einen pfändungsgeschützten Altersvorsorgevertrag neu abschließen und entsprechend den jährlichen gesetzlichen Höchstgrenzen in diesen einzahlen. Dadurch erhöhen sich seine Pfändungsfreigrenzen um die nach Alter gestaffelten Höchstbeträge der Einzahlungen. So kann sogar noch in der Pfändung eine pfändungsgeschützte Altersvorsorge aufgebaut werden – die Gläubiger gehen insoweit leer aus. Doch dies ist für den Selbständigen zweischneidig – denn es vermindert seine Kreditwürdigkeit für Gläubiger. Eine einseitige Beratung des Selbständigen im Hinblick auf Pfändungsschutz kann dazu führen, dass er über sein Vermögen nur noch eingeschränkt verfügen darf und z. B. die „Verkehrsfähigkeit“ von Rentenversicherungsverträgen mangels Rückkaufswert nicht mehr gegeben ist. Braucht er später zur besseren Kreditwürdigkeit Sicherheiten, so sind diese Versicherungsverträge für den Gläubiger nichts wert. Entweder, er bekommt den erforderlichen Kredit dann nicht, oder er zahlt höhere Zinsen. So kann im Extremfall die Sorge um Pfändungssicherheit erst recht in die Insolvenz führen.
Die Autoren: Dr. Johannes Fiala, Rechtsanwalt (München), MBA Finanzdienstleistungen (Univ.), Lehrbeauftragter (BAHeidenhein, Univ. of Cooperative Education) (www.fiala.de) Diplom-Mathematiker Peter A. Schramm, Aktuar DAV (Diethardt), Versicherungsmathematischer Sachverständiger (www.pkv-gutachter.de)
(DTZ 1/2008, 9)
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Über den Autor

Dr. Johannes Fiala Dr. Johannes Fiala
PhD, MBA, MM

Dr. Johannes Fiala ist seit mehr als 25 Jahren als Jurist und Rechts­anwalt mit eigener Kanzlei in München tätig. Er beschäftigt sich unter anderem intensiv mit den Themen Immobilien­wirtschaft, Finanz­recht sowie Steuer- und Versicherungs­recht. Die zahl­reichen Stationen seines beruf­lichen Werde­gangs ermöglichen es ihm, für seine Mandanten ganz­heitlich beratend und im Streit­fall juristisch tätig zu werden.
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