Roulette bei der Bezugsberechtigung in der Lebens- und Rentenversicherung

– Wann das Vermögen im Todesfall an den falschen Begünstigten fällt –

 

Der Wettlauf zwischen Erben und Bezugsberechtigten im Todesfall

Bereits im Normalfall des widerruflichen Bezugsrechts bedarf es nach dem Tode des Versicherungsnehmers noch einer Mitteilung des Versicherers an den Bezugsberechtigten, wonach dem Begünstigten nunmehr die Todesfall-Leistung angeboten wird. Widerruft der Erbe gegenüber dem Versicherer den Auftrag des Erblassers, dieses Angebot dem Bezugsberechtigten zu unterbreiten, so geht der Bezugsberechtigte vielfach völlig leer aus. Wird es nicht ausdrücklich anders geregelt, erfolgt die Begünstigung durch das Bezugsrecht im Zweifel nur widerruflich, § 159 Versicherungsvertragsgesetz (VVG). Standardformulare der Versicherer sehen nicht vor, dass der Widerruf nur höchstpersönlich bis zum Todesfall erfolgen kann – so wird auch das Widerrufsrecht womöglich ungewollt mit vererbt.

 

Nachlassplanung ersetzt den Zufall durch den Irrtum?

Vielfach hängt es allein vom Zufall ab, ob der Erbe rechtzeitig zur Legitimation gegenüber dem Versicherer einen Erbschein in Händen hält und von der Begünstigung des Bezugsberechtigten erfährt, weil sich ein Versicherungsschein im Nachlass befindet. Auch hängt es vielfach vom Zufall ab, ob der Versicherer rechtzeitig die Adresse des Bezugsberechtigten erfährt, um diesen dann über das Angebot einer Begünstigung durch Bezugsrecht zu informieren. Für Erben stellt es wiederum den sichersten Weg dar, jedwede Begünstigung durch Bezugsrechte unverzüglich zu widerrufen – selbst wenn sich diese nicht aus dem aufgefundenen Versicherungsschein ergibt.

 

Versicherungsgesellschaften arbeiten nicht wie Detektive

Der Bundesgerichtshof (BGH, Beschluss vom 10.04.2013, Az. IV ZR 38/12) entschied, daß ein Versicherer nicht schuldhaft handelt, wenn es nicht gelingt den neuen Familiennamen einer inzwischen wiederverheirateten ersten Ehefrau zu ermitteln. Die zweite Ehefrau hatte gegenüber dem Versicherer das Bezugsrecht zugunsten der ersten Ehefrau nach dem Tode infolge dieser Verzögerung noch rechtzeitig widerrufen.

 

Fachleute gehen davon aus, dass sich bei Finanzhäusern im In- und Ausland bis heute ein Milliardenvermögen befindet, ohne daß Erben oder Bezugsberechtigte sich jemals gemeldet hätten. Nur in manchen Ländern fällt solches Vermögen an den Staat. Damit die Einsetzung des Bezugsberechtigten nicht am Ende nur vom Zufall abhängt, bedarf es zusätzlicher Vereinbarungen, beispielsweise privatschriftlicher Verträge oder notarieller Urkunden.

 

Keine Absicherung durch Bestätigungsschreiben des Versicherers

Die Einräumung, der Widerruf und die Änderung eines Bezugsrechts bedürfen zunächst nur einer schriftlichen Anzeige beim Versicherer zu Lebzeiten. Eine Mitteilung an den Versicherungsmakler oder in einem Testament wäre vielfach nicht mehr rechtzeitig, also vor Eintritt des Versicherungsfalls. Ein Widerruf kann sich nach richterlicher Auslegung auch aus einem Testament ergeben (OLG Jena, Urteil vom 21.10.2003, Az. 8 U 410/03). Es wäre jedoch ein Irrtum zu glauben, dass ein Bestätigungsschreiben des Versicherers „wir haben gemäß Ihrer Mitteilung das Bezugsrecht vorgemerkt“ in jedem Falle absichert, dass damit das Bezugsrecht wirksam eingeräumt wurde.

 

Bezugsrechts-Roulette trotz Korrespondenz mit Versicherungsgesellschaft

Entscheidend ist, dass das Bezugsrecht in einem Versicherungsschein enthalten ist und nicht etwa in unverbindlichem Schriftverkehr, § 3 VVG. Stellt sich später eine Nachlaßssüberschuldung heraus, wird der Bezugsberechtigte eine Anfechtung erhalten, und muss die Versicherungsleistung an die Gläubiger des Erblassers oder den Nachlassinsolvenzverwalter erstatten.

 

Selbst wer im Versicherungsschein als Bezugsberechtigter genannt ist oder meint, genannt zu sein – a) Lebenspartner, b) gesetzlicher Erbe, c) Ehefrau – muss damit rechnen, dass ein Gericht es anders sieht – und an die a) gesetzlichen Erben, b) den testamentarischen Erben, c) die frühere Ehefrau bei Einrichtung des Bezugsrechts ausgezahlt wird. Selbst ein namentlich und unwiderruflich bezugsberechtigter Lebenspartner muss damit rechnen, dass er – auf Gerichtsbeschluss – nichts bekommt, wenn die Partnerschaft vorher geendet hat.

 

Risiko richterlicher Auslegung beim Bezugsrecht

Formulare der Versicherer führen meist in die Irre, wenn sie z. B. standardmäßig die gesetzlichen Erben aufführen. Man kann sich dann weder darauf verlassen, das diese das Geld bekommen, noch ein testamentarisch eingesetzter Alleinerbe, weil ein Gericht den Willen anders sehen kann. Von Mustern von der Stange ist daher abzuraten.

 

Wer den ehemaligen Lebenspartner auf jeden Fall begünstigen will, muss ihn nicht nur namentlich benennen, sondern auch darauf bestehen, dass im Versicherungsschein aufgeführt wird, dass dieser das Geld unter allen Umständen auch bei beendeter Partnerschaft bekommen soll. Ebenso, wer die gesetzlichen Erben auf jeden Fall begünstigen will, und nicht einen testamentarisch eingesetzten Erben. Ohne zusätzliche Klarstellung kann ein Gericht selbst in mageren Worten eindeutig formulierte Bezugsberechtigungen im Versicherungsschein umdeuten und dem VN einen anderen Willen unterstellen, von dem er sich womöglich niemals etwas geträumt hat.

 

Risiko fachlicher Überforderung beim Versicherer

Das Landgericht (LG Coburg, Urteil vom 15.04.2014, Az. 22 O 598/13) hatte über eine „Begünstigung der gesetzlichen Erben“ gemäß einem Bestätigungsschreiben des Versicherers zu entscheiden. Die Versicherungsleistung erhielt am Ende der eingesetzte Erbe, weil im „Versicherungsschein zu einer privaten Rentenversicherung keine Angaben zur Bezugsberechtigung im Fall des Todes zu finden“ war. Rechtlich konsequent argumentierte das Landgericht entsprechend der Beweislast: Denn ein Versicherungsschein gilt als Urkunde, eingeschlossen die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit des Inhaltes. Allerdings fügte das Gericht sogar an, dass es selbst bei eindeutiger Erwähnung der gesetzlichen Erben als Begünstigte im Versicherungsschein den Willen dahingehend beurteilt hätte, dass der testamentarisch eingesetzte Erbe bezugsberechtigt sein sollte.

Das Gericht hätte jedoch auch gegenteilig entscheiden können, denn das Bestätigungsschreiben des Versicherers stellt ebenfalls eine Urkunde dar. Bei der Testamentsauslegung, beispielsweise daß auch die Versicherungsleistung dem Erben zusteht anstatt den gesetzlichen Erben, hätte es nach der Beweislast sowie der sogenannten Andeutungstheorie des BGH eines Hinweises etwa im Testament bedurft. Das Urteil des LG Coburg ist rechtskräftig: Trotz womöglich fehlerhafter Auslegung kann es daher nicht mehr angegriffen werden.

 

von Dr. Johannes Fiala und Dipl.-Math. Peter A. Schramm

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Über den Autor

Dr. Johannes Fiala Dr. Johannes Fiala
PhD, MBA, MM

Dr. Johannes Fiala ist seit mehr als 25 Jahren als Jurist und Rechts­anwalt mit eigener Kanzlei in München tätig. Er beschäftigt sich unter anderem intensiv mit den Themen Immobilien­wirtschaft, Finanz­recht sowie Steuer- und Versicherungs­recht. Die zahl­reichen Stationen seines beruf­lichen Werde­gangs ermöglichen es ihm, für seine Mandanten ganz­heitlich beratend und im Streit­fall juristisch tätig zu werden.
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