So drängen Supermärkte in den Versicherungsvertrieb

Policenverkauf neben dem Pfandautomaten? Warum nicht! Anwalt Johannes Fiala und Aktuar Peter A. Schramm erläutern, wie Discounter und Vollsortimenter aus dem Einzelhandel die strengen Regeln für die Versicherungsvermittlung umgehen könnten.

 

Versicherungsvermittler müssen sich der wachsenden Konkurrenz durch Online-Vergleichsportale und –Makler sowie Direktversicherer stellen. Techgiganten wie Google und Amazon sind perspektivisch ebenfalls sehr ernst zu nehmende Rivalen. Weitere Gefahr droht zudem aus einer unvermuteten Ecke: Den Filialen großer, bundesweit vertretener Supermarktketten. Darauf machen Rechtsanwalt Johannes Fiala und Aktuar Peter A. Schramm in folgendem Originalbeitrag aufmerksam. (jb)

 

Versicherungsvertrieb im Massengeschäft und ganz ohne Beratungspflichten funktioniert durch einen sogenannten „closed-shop“. Hierbei wird einfach ein Verein gegründet, gerne in Form einer „Selbsthilfegruppe“. Beworben werden dann in dieser nicht direkt die Versicherungsprodukte. Im Vordergrund steht der Glaube an die „guten Konditionen“, über welche man erst informiert wird, wenn man einer solchen Gemeinschaft beigetreten ist. Die Vereine treten dabei als Tippgeber auf und werben mit Sonderkonditionen. Nebenbei können noch Provisionen fließen, vielleicht auch Kickbacks. Auf diese Weise werden neben Versicherern auch Telefonanbieter oder Autovermieter beworben.

 

Der nicht wirklich „neue“ Vertriebsansatz besteht also darin, die künftigen Kunden zu Mitgliedern zu machen. Dafür bedarf es eines Rechtsträgers für die Mitgliedschaft der Kunden – etwa einer Genossenschaft, eines Vereins, einer Stiftung oder auch einer gemeinnützigen GmbH. Für diese gelten nicht die Regeln der EU-Versicherungsvertriebsrichtlinie IDD, er braucht auch keine Zulassung durch eine Industrie- und Handelskammer. Der Discounter kann nun für seine „Selbsthilfe-Gruppe“ selbst die passende Rechtsform auswählen. Er wird dann auch einen passenden Namen dafür finden, damit sich alle Kunden geborgen fühlen.

 

Wie kommen die Policen genau an den Mann oder Frau? Der Verein kauft den Versicherungsschutz einfach bei einem oder mehreren Versicherern ein, wird also selbst der Versicherungsnehmer. Die Kunden des Discounters werden sodann nur „versicherte Personen“ in einem Gruppenvertrag. Das bietet zudem Kostenvorteile im Vertrieb mit potentiellen Alleinstellungsmerkmalen bei der Gestaltung des Deckungsumfangs und der Versicherungsprämien.

 

Vermittlung durch Filialisten ohne Beratungspflicht und ohne Dokumentation?

Ferner kann der Vertrieb über Discounter und/oder für Genossen schlank erfolgen, weil es gesetzlich nicht vorgesehen ist, dass derartige „closed-shops“ den strengen Regelungen mit Beratungspflichten und Dokumentationsobliegenheiten unterliegen. Das schon deshalb nicht, weil strenge Pflichten zur Versicherungsvermittlung nur gegenüber dem Versicherungsnehmer, nicht aber seitens diesem gegenüber einer versicherten Person bestehen. Es handelt sich bei der Gewinnung von versicherten Personen somit gar nicht um die Vermittlung eines Versicherungsvertrages, denn die versicherten Personen haben ja am Ende gar keinen solchen, sondern sind nur über den Versicherungsnehmer versichert.

 

Versicherungsdeckungen über Unterstützungskassen (UK) für Krankheitskosten oder Todesfall und andere Selbsthilfeorganisationen wie (Einkaufs-) Genossenschaften können wie die Angebote von Discountern ebenfalls ohne die Regeln der IDD angeboten werden. Denn auch in dem Fall sind die Einrichtungen die Versicherungsnehmer.

 

Erstinformation in Textform und Beratungsverzicht in Schriftform?

Welche regulatorischen Hürden müssen Discounter und Unterstützungskassen nicht nehmen? Versicherungs-Vermittler haben beim ersten Geschäftskontakt laut Paragraf 11 der Versicherungsvermittlungsverordnung den Inhalt der Erstinformation in Textform zu übermitteln. Dies bedeutet lesbar, dauerhaft, unterschriftslos – und seit 13.06.2014 mit Angabe der Person des Erklärenden und „auf dauerhaftem Datenträger“

 

Erst seit 23. Februar 2018 ist es gestattet, den Beratungs- und Dokumentationsverzicht im Fernabsatz gemäß Paragraf 312c Bürgerliches Gesetzbuch, auch in Textform erklären zu lassen – zeitlich früherer Verzicht wäre nur in Schriftform wirksam gewesen. Zeitlich vor dem Verzicht ist auch über den Schadensersatz rechtlich zu belehren – Paragraf 63 Versicherungsvertragsgesetz VVG. Daneben sind die Paragrafen 7b und 7c VVG zu beachten.

 

Daher noch einmal: Sämtliche derartige Hürden und Fallen im Versicherungsvertrieb lassen sich durch Discounter elegant umschiffen, sofern man außerhalb der regulierten Versicherungsvermittlung tätig wird.

 

von Dr. Johannes Fiala und Dipl.-Math. Peter A. Schramm

 

mit freundlicher Genehmigung von

www.fondsprofessionell.de (veröffentlicht am 30.11.2018)

Link: https://www.fondsprofessionell.de/news/recht/headline/jurist-so-draengen-supermaerkte-in-den-vertrieb-von-versicherungen-148762/

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Über den Autor

Dr. Johannes Fiala Dr. Johannes Fiala
PhD, MBA, MM

Dr. Johannes Fiala ist seit mehr als 25 Jahren als Jurist und Rechts­anwalt mit eigener Kanzlei in München tätig. Er beschäftigt sich unter anderem intensiv mit den Themen Immobilien­wirtschaft, Finanz­recht sowie Steuer- und Versicherungs­recht. Die zahl­reichen Stationen seines beruf­lichen Werde­gangs ermöglichen es ihm, für seine Mandanten ganz­heitlich beratend und im Streit­fall juristisch tätig zu werden.
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