Steuerersparnis lockte in überteuerte Appartents

von RA Johannes Fiala und Klaus Wehrt
Dem Lockruf der Steuerersparnis erliegen viele Kapitalanleger. War es vormals die gutverdienende ärzteschaft, die sich in Bauherrenmodelle stürzte, so hat sich die Gruppe geschädigter Kapitalanleger in den letzten Jahren erheblich gewandelt. Zu den Opfern von Steuersparmodellen zählen immer häufiger Personenkreise, die weder über große Vermögen noch über Einkommen verfügen, die mit hohen Grenzsteuersätzen belastet sind. Angeboten wurde der Erwerb von Eigentumswohnungen. Weil die Finanzierung zu 100% erfolgen sollte, war kein Eigenkapital erforderlich. Somit konnte sich – nicht ohne Stolz – auch jener zum Kreis von Steuerpflichtigen zählen, die dem Staat ein Schnippchen schlagen, der kaum Steuern zahlte.
Verkauft wurden Ein-Zimmer-Appartements (ca. 30 m�) in großen Wohnanlagen. Der Gesamtaufwand betrug bspw. 150.000 DM. Das war zwar viel Geld, doch davon merkte der Anleger nichts, weil er die Immobilie vollständig über Kredit finanzierte (im Jahr 1991 z.B. zu 10% effektiv). Stattdessen wurde seine Aufmerksamkeit auf die immensen Steuervorteile gelenkt, die durchweg mit Grenzsteuersätzen von 45-55% (unter Einschluß von Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer) kalkuliert waren, also in Größenordnungen, von denen der Anleger im allgemeinen nur träumen konnte.
Nach altem Steuerrecht konnte im ersten Jahr eine hohe Steuerersparnis durch ein 10%iges Disagio erzielt werden. Vernachlässigte man in der Kalkulation den Kaufpreis – der war ja über Kredit finanziert -, so ergab sich schon zu Beginn des Engagements ein satter überschuß.
Trotz des Disagios standen in den Jahren der Vermietung den angeblich ortsüblichen Mieteinnahmen von 20 DM/m� – 600 DM bei 30 m� Wohnfläche – die immer noch höheren Zinsleistungen von 1.040 DM (nominal 7,5% auf 166.666 DM) gegenüber, die Tilgungsleistungen oder die Kapitallebensversicherungsbeiträge wurden dabei schlichtweg unterschlagen. Doch auch diese Unterdeckung von 440 DM sollte nicht schmerzen, denn eine alte Weisheit besagt, daß Steuervorteile nur derjenige erzielt, der Verluste macht.
Das Defizit auf Jahresbasis betrug somit ca. 5.300 DM, unter Einschluß von Verwaltungskosten und Instandhaltungspauschale sogar ca. 6.500 DM. Schon daraus konnte – Grenzsteuersatz von 55% vorausgesetzt – ein Steuervorteil von 3.575 DM gezogen werden. Zusätzlich würde nach § 7 Abs. 5 Einkommensteuergesetz für die ersten drei Jahre nach Fertigstellung eine 7% ige Abschreibung auf die Herstellungskosten von ca. 130.000 DM gelten – Steuerersparnis: 130.000 DM * 0,07 * 0,55 = 5.005 DM. Statt der Unterdeckung ein überschuß: Das jährliche Defizit von 6.500 DM sollte durch avisierte Steuervorteile in Höhe von 8.580 DM ausgeglichen werden.
So weit, so gut. Kein Wort verloren die Initiatoren über die künftigen Jahre, in denen die Vorteile der hohen Abschreibungssätze sukzessive entfallen würden. Spätestens ab dem 10. Jahr, in dem nur noch ein Afa-Satz von 2% gilt, wird die Rechnung nicht mehr aufgehen. Der vorgezogene Verkauf der Immobilie stellt dabei keine Alternative dar. Einen Nettogewinn kann nämlich nur derjenige verbuchen, der einen Kaufpreis erzielt, der das geschuldete Restkapital von 166.666 DM übersteigt – die kontinuierlichen Tilgungsleistungen der Anleger sind dabei ausgeklammert, weil auch die Initiatoren sie in ihrer Modellrechnung unterschlugen.
Einen derartig hohen Preis kann wohl kaum jemand durch den Verkauf einer 30 m� großen Eigentumswohnung erzielen. Selbst für den Fall, daß die von den Initiatoren zumeist übertriebenen Nettokaltmieten tatsächlich eintreffen, beträgt der Ertragswert des o.a. Objekts gerade einmal 100.000 DM. Berücksichtigt man die tatsächlich erzielbaren Mieten von ca. 15 DM/m�, so resultiert gar nur ein Ertragswert von ca. 75.000 DM. Der Grundstücksmarktbericht der Stadt Kaiserslautern aus dem Jahr 1996 vermerkt deshalb, daß die unerfahrenen auswärtigen Eigentümer mit großen Abschlägen gegenüber dem Kaufpreis rechnen müssen.
Die Anleger sind enttäuscht. Verdient haben nur die Initiatoren. Die Situation ist jedoch nicht so aussichtslos, wie es zunächst erscheinen mag. Eigentümer, die den Rechtsweg beschreiten, wahren die Chance, noch mit einem blauen Auge davon zu kommen. Ansatzpunkte geben eine mögliche Sittenwidrigkeit des ursprünglichen Kaufvertrags, aber auch ein Beratungsverschulden bei Vertragsabschluß.
Am Verkauf der überteuerten Eigentumswohnung haben im allgemeinen viele Beteiligte verdient. Die Bauträgergesellschaft hat die Immobilie erstellt, der Finanzvermittler die Käufer angeworben, das Kreditinstitut hat die benötigten Darlehensmittel bereitgestellt, der Treuhänder hat im Auftrag des Käufers den Grundstückskaufvertrag unterzeichnet, der Notar hat diesen Vertrag beurkundet.
Grundsätzlich kann gegen jeden dieser Beteiligten, sofern er eine Pflicht in schuldhafter Weise verletzte, vorgegangen werden. Häufig ergeben sich die betrogenen Anleger jedoch ihrem Schicksal. Und auch von der Rechtspraxis wird zu wenig beachtet, daß das bestehende Recht den Betroffenen ausreichend Möglichkeiten einräumt, die Situation ohne Lehrgeldzahlung zu bereinigen.
Der einfachste Weg besteht darin, den Kaufvertrag nachträglich als unwirksam qualifizieren zu lassen, indem dem Verkäufer gegenüber die Sittenwidrigkeit des geschlossenen Kaufvertrags nachgewiesen wird. Die Folge ist, daß der Verkäufer die Wohnung zurückerhält, im Gegenzug hat er den Kaufpreis zu erstatten.
Nach der geltenden Rechtsprechung ist die Grenze der Sittenwidrigkeit beim Immobilienkauf unter Umständen bereits dann erreicht, wenn der Kaufpreis den gerechtfertigten Preis um mehr als 80% überschreitet. Um den Grad der Abweichung zwischen dem gerechtfertigten und dem tatsächlich gezahlten Kaufpreis festzustellen, ist in der Regel die Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Ertragswert der Immobilie erforderlich. Der Sachverständige erhebt die ortsübliche Nettokaltmiete für vergleichbare Immobilien. Bereinigt um die regelmäßigen Kosten der Bewirtschaftung und Instandhaltung wird er sodann einen prognostizierten Jahresertrag berechnen, den er über die Nutzungsdauer der Immobilie hochrechnet. Auf die Gegenwart diskontiert, resultiert sodann der Ertragswert des Objekts, der angibt, welcher Kaufpreis maximal hätte bezahlt werden dürfen, damit sich das Objekt unter dem Gesichtspunkt der Kapitalanlage, unter dem es erworben wurde, rentiert.
In den meisten Fällen gesellen sich zur Sittenwidrigkeit des Kaufvertrags weitere schuldhafte Pflichtverletzungen des Verkäufers oder seiner Vertreter. Damit macht sich der Verkäufer gegenüber dem Käufer obendrein noch schadensersatzpflichtig.
Einen Ansatzpunkt dafür stellt die Prospekthaftung dar. Ein Verkaufsprospekt muß drei Bedingungen genügen: Vollständigkeit, Richtigkeit, Verzicht auf Irreführungen. Gegebenenfalls besteht eine Pflicht zur Richtigstellung. Der Verkäufer haftet aber auch für die Pflichtverletzungen von Anlagevermittlern, derer er sich in der Regel zum Vertrieb der Immobilie bedient. Zwar wird vom Anlagevermittler – im Unterschied zum Anlageberater, der im allgemeinen auf Honorarbasis für den Anlageinteressenten tätig wird – stets auch ein werbendes Verhalten erwartet, gleichwohl dürfen keine irreführenden oder wahrheitswidrigen Auskünfte erteilt werden.
Die Aufklärungs- und Beratungspflichten werden denen eines Anlageberaters sogar angenähert, wenn der Vermittler gegenüber dem Anleger ein besonderes Vertrauen in Anspruch nahm. Bereits eine persönliche Bekanntschaft vermag diesen Vertrauensschutz zu rechtfertigen: Vereinskamerad, Arbeitskollege. ähnliches gilt, wenn der Vermittler auf Empfehlung tätig wurde.
Nicht selten scheitert der Immobilienkäufer mit der Durchsetzung seiner Ansprüche, weil die Verkaufs- oder Vermittlungsorganisation bereits aufgelöst wurde. Dann stellt sich für ihn das Problem, nach weiteren Verantwortlichen Ausschau zu halten, gegen die er seine Ansprüche durchsetzen kann. Als letzter Adressat für die Schadensersatzansprüche verbleibt regelmäßig die kreditgewährende Bank. Nach gängiger Rechtsprechung macht sie sich insbesondere dann einer Mitwirkung schuldig, wenn sie:
a) im Zusammenhang mit der Planung, der Durchführung und dem Vertrieb des Immobilienprojekts über ihre Rolle als reine Kreditgeberin hinausgegangen ist,
b) mit der Kreditgewährung einen zusätzlichen, über die allgemeinen wirtschaftlichen Risiken des Projekts hinausgehenden Gefährdungstatbestand für den Käufer schuf,
c) sich durch Kreditgewährungen an Käufer wie Verkäufer in schwerwiegende Interessenkonflikte begab,
d) in Bezug auf die Wirtschaftlichkeit des Projekts konkrete Wissensvorsprünge hatte, die sie nicht an den Käufer weitergab. Unterm Strich bestehen also durchaus Chancen, das verlustbringende Engagement mit einem blauen Auge zu beenden.

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Über den Autor

Dr. Johannes Fiala Dr. Johannes Fiala
PhD, MBA, MM

Dr. Johannes Fiala ist seit mehr als 25 Jahren als Jurist und Rechts­anwalt mit eigener Kanzlei in München tätig. Er beschäftigt sich unter anderem intensiv mit den Themen Immobilien­wirtschaft, Finanz­recht sowie Steuer- und Versicherungs­recht. Die zahl­reichen Stationen seines beruf­lichen Werde­gangs ermöglichen es ihm, für seine Mandanten ganz­heitlich beratend und im Streit­fall juristisch tätig zu werden.
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