Stress-Test der Finanzaufsicht führt Lebensversicherungsgesellschaft in die Insolvenz

– Wie sehen die Szenarien einer Abwicklung bei Versicherungen wegen Niedrigzinsen aus ? –

 

Kunden von Lebensversicherern sind erschüttert: Am 16.12.2014 meldete die Wirtschaftspresse, dass ein Schweizer Lebensversicherer nun Insolvenz angemeldet habe, und Opfer der Niedrigzinsen geworden sei. Die 13.000 Policen wurden von einer Auffanggesellschaft übernommen. Dabei gelten Lebensversicherungsgesellschaften aus der Schweiz wegen ihrer höheren Kapitalausstattung
generell als statistisch etwa doppelt so sicher, wie solche aus Deutschland.

 

Finanzaufsicht genehmigt Bestandsübertragung

Steht in Deutschland ein Lebensversicherer vor dem Konkurs, kann die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) hoheitlich die Übertragung der Versicherungen auf einen anderen Versicherer, ein Konsortium oder eine Auffanggesellschaft genehmigen. Wenn sich die Pfefferminzia verspekuliert hat, kann der Kunde am Ende nur zur Kenntnis nehmen, dass sein Vertrag nun
bei der Banania fortgeführt wird. Dabei gehen nicht nur die Versicherungsverträge, sondern auch die zugehörigen Kapitalanlagen auf den neuen Risikoträger über.

 

Bestandsübertragung durch Insolvenzverwalter anfechtbar

Wegen Gläubigerbenachteiligung, könnte bei der Insolvenz eines Lebensversicherers der spätere Insolvenzverwalter, durchaus die Übertragung der Versicherungsbestände samt zugehörigen Kapitalanlagen für das Deckungskapital anfechten. Dass die Bestandsübertragung aufgrund eines Vertrages zwischen dem abgebendem (später insolventen) Versicherer und dem aufnehmenden Versicherer erfolgt, der ausdrücklich durch die Aufsichtsbehörde genehmigt wurde, ändert daran nichts. Denn diese Genehmigung ist nur eine zusätzliche Voraussetzung, macht das Ganze
aber nicht unanfechtbar.

 

Gläubigerbenachteiligung durch Verschenken künftiger Gewinne

In den Prämien – die nun der neue Versicherer vereinnahmt – sind auch Verwaltungskosten und Sicherheits- bzw. Gewinnmargen etc. enthalten, so dass daraus auch Gewinne generiert werden
können, welche den übrigen Gläubigern entgehen. Spätestens wenn sich sachverständig insofern ein messbarer Schaden für den vorherigen, also abgebenden Versicherer ermitteln lässt, sind
die Beteiligten dem Risiko einer Strafbarkeit wegen eines Insolvenzdeliktes bzw. einer Untreue ausgesetzt. Dies kann ebenso zu einer persönliche Verantwortung führen, wie der Vorwurf eines existenzvernichtenden Eingriffs, welcher sich auch auf länger zurückliegende Entscheidungen der Geschäftsleitung sowie des verantwortlichen Aktuars beziehen könnten – so wenn dieser das Unternehmen durch eine zu hoch vorgeschlagene Überschussbeteiligung gefährdet hatte.

 

Genehmigung der Finanzaufsicht bedeutet keinen Freibrief

Die Genehmigung der Aufsicht selbst ist nicht anfechtbar, weil eine Genehmigung nicht bedeutet, dass damit rechtlich gegen deren Umsetzung durch den Versicherer keine Einwände mehr möglich sind. Sie stellt die die Genehmigung umsetzenden nicht davon frei, zu prüfen, ob die Umsetzung rechtmäßig ist. So haben es Gerichte seit jeher gesehen – und auch die Aufsicht verweist bei Beanstandungen ihrer Genehmigungen an die ordentlichen Gerichte, wo der Versicherer zu verklagen ist, nie aber die Aufsicht.

 

Symbolischer Kaufpreis bei Bestandsübertrag als Indiz

Auch ein symbolischer Kaufpreis bei einer Bestandsübertragung, genügt nicht den Verdacht einer teilweisen bzw. gemischten Schenkung zu Lasten der übrigen Gläubiger zu beseitigen – der Tatbestand der sogenannten Gläubigerbenachteiligung. Die Anfechtbarkeit der Bestandsübertragung ergibt sich vor der Insolvenz für die Gläubiger aus § 4 Anfechtungsgesetz (AnfG) und ab
der Insolvenz durch den Insolvenz-Verwalter aus § 134 Insolvenzordnung (InsO).

Wenn der Bestand aus Versicherungsverträgen unter Mitgabe der zugehörigen Deckungsrückstellungen übertragen werden soll, wird man auch die stillen Reserven und stillen Lasten
berücksichtigen müssen, also auch wirtschaftliche Vermögenswerte außerhalb der Bilanz. Und auch der Bestand selbst, eingeschlossen die damit bereits geworbenen Kundenbeziehungen,
ist schließlich etwas wert, weil ja daraus künftige Gewinne generiert werden können.

 

Vier Jahre Anfechtungsfrist in Deutschland – ein Jahr in der Schweiz

Bei gemischten, also teilweisen Schenkungen beträgt die Anfechtungsfrist vier Jahre. In der Schweiz beträgt die Frist für derartige sogenannte paulianische Anfechtungen lediglich ein Jahr. Eine Genehmigung durch die BaFin kann sich damit am Ende als wertlos erweisen, um die Versicherungsnehmer davor zu schützen, doch noch Teil des Insolvenzverfahrens zu werden. Gesetzliche
Regel ist die Rückabwicklung, also die Rückübertragung der Versicherungsverträge auf den bisherigen bzw. vorherigen Versicherer. Eine Nachzahlung bzw. ein Wertersatz käme allenfalls
hilfsweise in Frage.

 

Abwicklung von Lebensversicherungsverträgen durch Insolvenzverwalter

Bei Finanzhäusern, also Banken und Versicherungen, hat die BaFin das alleinige Antragsrecht für das Insolvenzverfahren. Sobald der abgebende, frühere Versicherer seine Bestände übertragen
hat, wird keine Aufsicht und auch keine BaFin-Erlaubnis mehr benötigt und die Erlaubnis zum Versicherungsbetrieb erlischt. Damit aber ist die Geschäftsleitung selbst zum Insolvenzantrag berechtigt und ggf. verpflichtet ist, weil die BaFin-Erlaubnis entfällt.

Sobald ein Insolvenzverwalter nach Bestandsübertragung tätig wird, ist die BaFin also regelmäßig außen vor, und hat beispielsweise keine Möglichkeit mehr, durch Herabsetzung der Verpflichtungen inklusive der Garantien der Lebensversicherungsgesellschaft gegenüber Versicherungskunden – die Schulden an das noch vorhandene Kapital des Versicherers anzupassen und
eine Insolvenz damit abzuwenden.

Der Insolvenzverwalter wird nach Anfechtung der Bestandsübertragung, und Rückabwicklung, alle diese Verträge beenden. Die Erlaubnis zum Versicherungsbetrieb war schon mit der Bestandsübertragung erloschen und lebt durch deren Anfechtung nicht wieder auf. Das Deckungskapital steht zwar ausgesondert dann für die Versicherungsnehmer zur Verfügung, soweit es noch vorhanden ist, aber ohne weitere Zinsen und ggf. abzüglich dessen, was der Insolvenzverwalter aus dessen Verwertung an Gebühren gesetzlich für sich abziehen darf. Dies sind insbesondere
9% als Feststellungs- und Verwertungskosten, sowie ggf. noch dem Finanzamt geschuldete Mehrwertsteuer darauf. Dies vermindert den für die Versicherten verwertbaren Betrag nochmals. Es ist
ja schließlich mit Arbeit verbunden, die Immobilien, Beteiligungen, Baudarlehen und sonstigen Finanzanlagen in Bargeld zu verwandeln, das dann irgendwann den Versicherten für ihre längst beendeten Verträge überwiesen werden kann.

Die als beinahe sicher unterstellte Hoffnung, bei einer drohenden Insolvenzlage würde sich schon jemand finden, der die bisherigen Lebensversicherungsverträge einfach übernimmt und nachteilsfrei weiterführt, erweist sich dann als Fiktion.

 

Persönliche Haftung des Aktuars

Der verantwortliche Aktuar hat per Gesetz die Finanzlage des Lebensversicherers laufend zu überprüfen, insbesondere auf die dauernde Erfüllbarkeit der Versicherungsverträge unter Berücksichtigung der Finanzlage des Versicherers – dafür stehen ihm gesetzlich alle Informationen seitens des Vorstands zu. Er muss zwar bei Fehlern nicht mit einer Rückforderung seiner Gehaltszahlungen rechnen, nur schlimmstenfalls mit dem Wegfall seines Rechtsanspruchs auf betriebliche Altersversorgung, jedoch gewiss mit Schadensersatzforderungen.

 

Auch beim Sicherungsfonds bzw. Protektor sind Versicherungen nicht sicher

Werden die Lebensversicherungsverträge durch Anordnung der Aufsicht ganz ohne Bestandsübertragungsvertrag auf die Auffanggesellschaft „Protektor“ bzw. den staatlichen Sicherungsfonds übertragen, können die garantierten Ansprüche um bis zu 5% gekürzt werden, wenn das Vermögen im Deckungsstock zur Erfüllung der Zusagen und Garantien nicht ausreicht. Reicht es dann immer
noch nicht aus, haftet der Sicherungsfonds dennoch nur bis zur Höhe seines dafür bestimmten Vermögens. Es ist also keinesfalls sicher, dass der Sicherungsfonds nicht irgendwann seine vorgesehenen Mittel aufgebraucht hat und die übrigen Versicherten gar nichts mehr erhalten, denn weder Staat noch die übrige Versicherungsbranche möchten dafür unbegrenzt haften.

Überschüsse für die Versicherten fallen bis zu einer späteren Sanierung des Versicherungsbestandes durch den Sicherungsfonds ohnehin nicht mehr an, werden also bis auf weiteres zur Finanzierung der Garantieleistungen verwendet. Potentielle Kündiger können dabei durch eine Verminderung ihrer garantierten Rückkaufswerte oder gleich durch ein Kündigungsverbot abgeschreckt werden. Als saniert gilt der Bestand jedoch erst, wenn auch alle dem Sicherungsfonds zwangsweise bereitgestellten Mittel der dafür zahlenden anderen Versicherer wieder zurückgezahlt wurden. Der dereinst vielleicht verbleibende  Versicherungsbestand soll dann nach der eventuell gelingenden Sanierung gesetzlich auf ein Versicherungsunternehmen übertragen werden – sofern sich ein Interessent dafür findet.

 

von Dr. Johannes Fiala und Dipl.-Math. Peter A. Schramm

 

 

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Über den Autor

Dr. Johannes Fiala Dr. Johannes Fiala
PhD, MBA, MM

Dr. Johannes Fiala ist seit mehr als 25 Jahren als Jurist und Rechts­anwalt mit eigener Kanzlei in München tätig. Er beschäftigt sich unter anderem intensiv mit den Themen Immobilien­wirtschaft, Finanz­recht sowie Steuer- und Versicherungs­recht. Die zahl­reichen Stationen seines beruf­lichen Werde­gangs ermöglichen es ihm, für seine Mandanten ganz­heitlich beratend und im Streit­fall juristisch tätig zu werden.
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