Vermittler- und Vertriebsrecht: Software ohne Qualitätsmanagement als Haftungsfalle !

Praktische Regel: Keine haftungssichere Beratungsprotokoll-Software?

 

„Das Schwerste an einer Idee ist nicht, sie zu haben, sondern zu erkennen, ob sie gut ist.“ (Chris Howland)

 

In der Werbung manches Software-Herstellers heißt es:

„Selbstverständlich mit haftungssicherem Beratungsprotokoll nach den aktuellen gesetzlichen Veränderungen.“

Doch bei genauer Prüfung kann sich herausstellen, dass durch den Software-Einsatz im wahrsten Sinne des Wortes für den Vermittler „die Haftung ganz sicher ist“. Hierin ist oft zusätzlich die Haftung des Software-Herstellers einzuschließen, denn dieser haftet nach § 434 Abs.1 S.3 BGB für seine Werbeaussagen, so als ob es eine zugesicherte Eigenschaft wäre. Im Gesetz steht:

„Zu der Beschaffenheit nach Satz 2 Nr. 2 gehören auch Eigenschaften, die der Käufer nach den öffentlichen Äußerungen des Verkäufers, des Herstellers” oder “seines Gehilfen insbesondere in der Werbung oder bei der Kennzeichnung über bestimmte Eigenschaften der Sache erwarten kann“.

Dabei ist vor allem auch das neue Urteil des Landgericht Augsburg (Az. 10 O 1933/05) vom 29.06.2006 in mehrfacher Hinsicht für Vermittler und Vertriebe, aber auch für Pools und Produktgeber sowie Softwarehersteller interessant.

 

Enthaftungs-Strategie für Vermittler im Haftungsfall: üblicherweise bleibt der gesamte Schaden aus einer Falschberatung am Vermittler hängen – hinzu kommen auch oft strafrechtliche Vorwürfe. Doch dies muss nicht so sein, denn in den allermeisten Fällen haben Produktgeber, Softwarehersteller, Pools und Vertriebe dem Schaden umfassend einen wesentlichen Vorschub geleistet.

In solchen Fällen genügt zunächst einmal die Frage, was ist das wertvollste bei meinem Geschäft – Eine richtige Antwort wäre: Mein Kunde!

Also liegt es nahe, dass sich Vermittler und Kunde gemeinsam den fehlerhaft schulenden bzw. lückenhaft informierenden Vertrieb, Pool oder (Software-)-Produktgeber vornehmen.

Der 100%-ige Erfolg des Vermittlers mit dieser Strategie wird durch das gewonnene Urteil vor dem LG Augsburg deutlich belegt. Im konkreten Falle hatten der Rechtsanwalt des Vermittlers und der Anwalt des geschädigten Kunden gemeinsam den Weg dafür bereitet.

Software als Haftungsfalle: Im konkreten Fall hatte die X-Vertrieb Deutschland AG eine wunderbare Software geliefert, bei welcher sich der jährliche Wertzuwachs einer britischen Versicherungspolice nur auf minimal 6% hatte einstellen lassen. Diese „falsch gestrickte“ Verkaufshilfe entpuppte sich denn als Haftungsfalle, denn die Realität sah anders aus – britische Policen könnten statt vielleicht beworbener „12,9% Wertzuwachs“, eben real auch „0,00%“ als Wertzuwachs besitzen, abzüglich der „Marktpreisanpassung“ bei vorzeitiger Vertragsbeendigung. Dies kann nicht nur bei einer Kreditfinanzierung zum Totalverlust aller eingezahlten Gelder führen.

 

Wer Software zur Verfügung stellt, ist dafür auch verantwortlich: Und dies gilt nicht nur für Vertrieb und Pools, sondern auch für Softwarehäuser und Vermittler-Vereine. Das Landgericht Augsburg stellte lapidar fest, dass v.a. die Software nicht geeignet war, den Kunden umfassend zu informieren. Dass auch die Schulungen des Vertriebs keine umfassenden Informationen geboten haben, wurde auch gleich mit festgestellt.

Qualitätsmanagement als Lösungsansatz: Ein Vermittler wird sich überlegen, ob er in der Lage ist die Funktion der Software auf Plausibilität zu überprüfen. Sind die Formeln, Rechen- und Entscheidungsschritte offengelegt, oder handelt es sich (einschließlich der Kunden- und Vermittlerdokumentation) um eine nicht nachvollziehbare „black-box“ – Das Landgericht Augsburg stellte eine Selbstverständlichkeit fest: Die Mängel der Software führen direkt und unmittelbar zur Haftung des Herstellers bzw. des diese verbreitenden Vertriebs.

 

Das bestehen einer ISO-Zertifizierung und eines Qualitätsmanagement-Systems für die Software kann als deutliches Indiz dafür gewertet werden, welcher Entwicklungsstand gegeben ist. Der Experte Klaus Seiler, MSc (www.qmhandbuch.de) beschreibt die Management-Pflichtaufgabe, u.a. nach § 91 II AktG:

„Mit einem Qualitätsmanagementsystem hätte der Entwickler bereits bei Beginn die möglichen Risiken systematisch erfasst, interessierte Parteien bei der Verifizierung einbezogen und einen Test der Software auf “Herz und Nieren” durchgeführt. Das Problem hätte leicht erkannt werden können.

 

Klassische Fehler in Beratungssoftware sind inhaltliche Mängel im Sinne von Lücken bezüglich der Beschreibung von Produkteigenschaften. Typisch ist auch, dass ein Beratungsprotokoll danach ausgedruckt werden kann, welches weder eine Aufnahme der IST-Situation noch eine fachliche Analyse derselben enthält.

Daran schließen sich dann „Wünsche, Bedürfnisse, Ergebnisse“ einer Beratung an, welche keinen Zusammenhang mit einem Gesprächsverlauf erkennen lassen – und auch damit die Haftung des Software-Herstellers und seiner Partner gleichsam sicher vorprogrammiert.

Solche Software-Produkte basieren auf der Fehlvorstellung, man könne unstrukturiert beraten, und nur die Ergebnisse festhalten, ohne die Grundlagen offen zu legen, und ohne im Vorfeld ein strukturiertes Arbeiten insgesamt sicher zu stellen.

Erst ganz am Schluss steht die Überlegung, ob der Partner, von dem der Vermittler die Software bekommen hat, ausreichend bonide und ausreichend versichert ist, um Haftungsfälle überstehen zu können. Übrigens haftet der Software-Hersteller selten allein, auch Vermittler, Pools, Vertriebe und Produktgeber kommen hier regelmäßig mit in die Verantwortung. Entscheidend ist dann die Frage, wer am Ende den Schaden zu welchem Anteil trägt?

Seiler betreut u.a. Versicherungsmakler im Qualitätsmanagement, und kennt die Probleme aus der Praxis: „Mit einer strukturierten Entwicklung, deren konsequenter Dokumentation und einer Marktanalyse, wäre das Problem nicht entstanden. In jedem Fall hätte das Unternehmen dann nur fahrlässig gehandelt, was für die Regulierung durch einen Haftpflichtversicherer vorteilhaft gewesen wäre. Qualitätsmanagement soll auch Risiken beherrschbar machen.“

 

Beispiele für Fragen an den Hersteller – erste Schritte zur Beurteilung:

  1. Besitzt Ihr Unternehmen für die Software-Entwicklung ein Qualitätsmanagement-System“ Ist es nach dem „Industrie-Standard DIN EN ISO 9001:2000“ zertifiziert“
  2. Welche alten und neuen Rechtsgrundsätze zur Vermittlerhaftung wurden bei der Software-Erstellung umgesetzt“ Stehen diese im Rahmen einer korrekten Anleitung zur Benutzung der Software mit Fundstellen (z.B. Haftungsurteile) im Handbuch?
  3. Ist die Software wegen denkbarer Vermögenschäden (Anleitungsverschulden, fehlerhafte Programmierung, etc.) durch den Verwender/Vermittler VSH-versichert?
  4. Stellt die Software sicher, dass folgende häufigen Haftungsgefahren sicher vermieden werden: Termine und systematische Abarbeitung (z.B. alter Vertrag gekündigt, neuer Antrag vergessen einzureichen, daher zeitlich eine Deckungslücke) werden berücksichtigt? Bedingungen/Tarife verschiedener Anbieter sind im Detail transparent für den Verwender, und stets aktuell“ Gibt es einen Zwang zur Versions- und Datensicherung“
  1. Wieso verwenden Sie ein Werbeschreiben der „Ehrenberufler-Kanzlei-XY“, obgleich dies in der Regel eine fahrlässig unversicherbare Prospekthaftung im engen Sinne bedeutet“ Gibt es stattdessen eine echte fachliche Qualitätsbegutachtung?
  2. Gibt es „versteckte Schalter“, um beispielsweise die Musterberechnung 2008 abbrechen zu lassen (damit der Kunde nicht erkennt, wie sich der Wegfall der Sozialversicherungsfreiheit auswirkt)“ Damit hätte der Vermittler im Zweifel „wegen wissentlichem Pflichtverstoß bzw. Intransparenz“ keine Versicherungsdeckung.
  3. Wurde der „Beratungsverzicht“ des Kunden irgendwo in den Kundenformularen „mit versteckt“, was praktisch eine rechtliche Wirkungslosigkeit nach sich zieht?
  4. Durch welche jahrzehntelange Rechtsprechung kann nachgewiesen werden, dass die Software tatsächlich ein „haftungssicheres Beratungsprotokoll“ liefert?

 

von Dr. Johannes Fiala

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Über den Autor

Dr. Johannes Fiala Dr. Johannes Fiala
PhD, MBA, MM

Dr. Johannes Fiala ist seit mehr als 25 Jahren als Jurist und Rechts­anwalt mit eigener Kanzlei in München tätig. Er beschäftigt sich unter anderem intensiv mit den Themen Immobilien­wirtschaft, Finanz­recht sowie Steuer- und Versicherungs­recht. Die zahl­reichen Stationen seines beruf­lichen Werde­gangs ermöglichen es ihm, für seine Mandanten ganz­heitlich beratend und im Streit­fall juristisch tätig zu werden.
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