Vorsorge – Fonds als Anlagefalle auch für die Generation 80-plus

Bisweilen – zum Glück nicht durchgängig – kommt es vor, dass Anleger in Vermögensfragen nicht unbedingt die Dispositionssorgfalt für ihre Vermögenswerte erfahren, die offensichtlich leicht erkennbar sein sollte. So im geschilderten Fall. Dann ist es wichtig, das Drehbuch einer Rückabwicklungsberatung vor Augen zu haben. (Red.)

 

Der unrühmliche Fall: Als Rosalinde von Altenthann (Name geändert) 85 Jahre alt geworden war, wird sie von der Beraterin ihrer Großbank angesprochen. Laut Beratungsbogen wird der Anlagehorizont auf mehr als zwölf Jahre veranschlagt, und so wird ihr als „zusätzliche Altersvorsorge“ ein Geschlossener Fonds verkauft – Laufzeit 20 Jahre. Diese „Portfolio-Optimierung“ erfolgt gemäß dem internen Beratungsbogen „auch unter steuerlichen Aspekten“ – obgleich die Rentnerin so gut wie keine Steuern zahlt.

Der Nachfolger dieser schmerzfreien Bankberaterin, ein Sizilianer, macht es nicht besser – er überführt die verbliebenen Depotwerte in Zertifikate und Derivate. Wenn die heute 93-jährige Anlegerin Glück hat, bekommt sie dieses Geld (abzüglich üblicher Provisionen, inklusive Kickbacks um die acht Prozent) etwa im Jahre 2013 zurück.

Ganz selbstverständlich kann sich die Rentnerin nicht daran erinnern, dass sie darüber aufgeklärt wurde, dass neben einem Ausgabeaufschlag (Agio genannt) an die Fondsgesellschaft auch eine Innenprovision (auch als Kickback bezeichnet) von der Fondsgesellschaft an die vermittelnde Bank geflossen ist.

Nachdem das einbezahlte Kapital für rund 20 Jahre unkündbar fest angelegt wurde, bekam die Kundin damit keinesfalls eine „Altersvorsorge“. Fakt war eine „fesselnde Beratung“ nach dem Motto: „Sie sehen Ihr Geld zu Lebzeiten nicht wieder – und Ihre Erben werden abwarten können, bis Sie etwa 105 Jahre alt geworden wären.“

 

Anlage mit Totalverlustrisiko –offenbar ohne Prospektübergabe

Geschlossene Beteiligungen sind mit einem unternehmerischen Risiko verbunden, welches oftmals bis hin zum Totalverlust reichen kann. Die Beraterin dokumentierte jedoch im Beratungsbogen eine „begrenzte Risikobereitschaft“. Hinzu kommt, dass die Anlegerin sich nicht daran erinnern kann, jemals – auch nicht vor der Zeichnung dieser Beteiligung – einen Prospekt bekommen zu haben.

 

Sittenwidrige Schädigung

In einer Klage (LG München I, Az.: 28 O 16819/10) gegen die Bank schreibt der anwaltliche Vertreter, Rechtsanwalt Thomas Keppel: „Derartige Anlageempfehlungen erfüllen ohne Weiteres den Tatbestand einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung im Sinne von § 826 BGB, da sie durch nichts anderes als das Provisionsinteresse der Bank begründbar sind und die Pflicht zu einer anleger- und objektgerechten Beratung völlig außer Acht lassen.“

 

Kickbacks, Retrozessionen oder Rückvergütungen

Die eigenen Einnahmen „hinter dem Rücken und zulasten des Kunden“ zu steigern ist bei nahezu allen vermittelten Offenen und Geschlossenen Fonds die Regel. Kreditinstitute verstecken sich dann gerne hinter der Schutzbehauptung, von einer Rechtswidrigkeit nichts gewusst zu haben.

Das OLG Stuttgart (Urteil vom 16. März 2011, Az.: 9 U 129/10) konterte: „Diese Darstellung ist vor dem Hintergrund einer vollkommen eindeutigen Gesetzeslage einschließlich der Erläuterungen in den Standardkommentaren unhaltbar. Bereits die Entscheidung, Provisionsvereinbarungen zu treffen mit dem darin liegenden Vorsatz, die vereinnahmten Provisionen nicht an die Kunden weiterzugeben, wirft Fragen der Strafbarkeit der Organe der Beklagten auf (vgl. bereits BGH, Urteil v. 28. Februar 1989, XI ZR 70/88, Rn. 30; Beschluss vom 29. Juni 2010, Az.: XI ZR 308/09, Rn. 5). Dies gilt unabhängig von der Frage, ob es sich um sogenannte echte Rückvergütungen oder sonstige Innenprovisionen handelt.“

 

Bis zu über 90 Prozent Kickback an die Bank

Von den Kosten der Fondsgesellschaft in Höhe von 3,75 Prozent Ausgabeaufschlag und 1,25 Prozent Verwaltungsgebühr flossen 3,4 Prozent einmalig und 0,41 Prozent laufend an die Bank zurück. Diese hätte die Bank bei einem solchen Finanzkommissionsgeschäft als von Dritten – der Fondsgesellschaft – erlangte Vorteile an den Anleger herausgeben müssen – nach eindeutiger Gesetzeslage. Jedoch meinte die Bank – bestärkt durch ein Schreiben ihres Verbandes – dass es sich bei der Fondsgesellschaft gar nicht um einen solchen Dritten handelt. Dass es sich bei Bank und Fondsgesellschaft um unterschiedliche juristische Personen handelte und auch die gegenseitigen Zahlungen stets ordnungsgemäß verbucht wurden, kam ihr nicht in den Sinn, ebenso wenig wie die Widersprüche zu hinterfragen, die auch für einen juristischen Laien auf der Hand liegen.

 

Frage nach der BaFin-Aufsicht

Verbände von Banken und Versicherungen spielen eine unrühmliche Rolle, um Banken und Versicherungen in rechtlich unhaltbaren Ansichten zu bestärken. Nicht immer sind davon auch aufsichtsrechtliche Fragen berührt, denn zum Eingreifen der BaFin bedarf es eines gewissen Umfangs des Fehlverhaltens, der über nur den einzelnen Kunden betreffende Rechtsfragen hinausgeht.

Für andere verweist die BaFin selbst bei systematischen Fehlern – wie zum Beispiel bei unwirksamen Beitragsanpassungen in der Krankenversicherung – den Kunden auf den Weg zu den ordentlichen Gerichten. Eine Beschwerde bei der BaFin sei nämlich lediglich eine Anregung für die BaFin, tätig zu werden, und eine Erkenntnisquelle für die Aufsicht. Der Untergang von Banken und Versicherungen im Interesse einer Vielzahl auch berechtigter Kundenansprüche widerspricht den Aufsichtszielen und liegt auch nicht im Interesse der Kunden selbst. So bleibt der Einzelne darauf angewiesen, seine Ansprüche gerichtlich selbst durchzusetzen.

 

BaFin lässt unfähige Vorstände abberufen

Damit können Finanzhäuser großenteils ohne die Befürchtung aufsichtsrechtlicher Maßnahmen ihre Kunden benachteiligen – Untreue und Betrug eingeschlossen. Grundsätzlich wäre es für die BaFin nämlich möglich, auch die beaufsichtigten Banken anzuweisen, wie sie sich zu verhalten haben. Notfalls wäre durch die BaFin die Genehmigung für das aufsichtspflichtige Finanzkommissionsgeschäft zu widerrufen, die Entlassung unfähiger Vorstände zu verlangen oder auch gleich die gesamte Banklizenz zu entziehen. Es wäre nicht das erste Mal, dass ernste Zweifel an der Qualifikation eines Vorstands zu dessen Abberufung durch die BaFin und sogar Ersetzung des gesamten Vorstands durch einen Staatskommissar geführt hätte.

 

Bankenrettung auf Anlegerkosten

Allerdings sind auch Staatsanwälte weisungsgebunden, sodass man die Frage nach den politischen Interessen stellen sollte. Angesichts der Milliardenkosten zur Rettung angeschlagener Banken aus Steuergeldern darf man fragen, ob die Untätigkeit der BaFin, die ja dem Finanzministerium untersteht, System hat. Schließlich würden ohne die unrechtmäßig kassierten und nicht an den Anleger weitergegebenen Kickbacks noch viel mehr Steuergelder zur Bankenrettung benötigt.

Auch ist der Staat durch seine Beteiligung an geretteten Banken womöglich direkt an deren Profitabilität zulasten der Anleger interessiert – Forderungen nach gesetzeskonformem Verhalten inklusiver entsprechender Aufsichtsmaßnahmen der BaFin würden da vielleicht stören, bei allem grundsätzlich guten Willen dort. Nachdem der Anleger sich hier kaum etwas erhoffen darf, bleibt ihm nur der Rechtsweg und hoffentlich gute Anwälte und Sachverständige, die sich mit den Themen auskennen.

 

Banken-Tipp

Die Vermittlung von Fonds gegen Provisionen an die Bank wäre ganz einfach, wenn man das Ganze mit einer fondsgebundenen Lebensversicherung ummantelt. Dann würde das gleiche Ziel erreicht, nur dass es sich jetzt um Versicherungsvermittlung handelt, für die die Bank die Provision des Versicherers behalten darf, selbst wenn der Versicherer diese aus seinen Kickbacks der Fondsgesellschaft finanziert – und nicht mehr um ein Finanzkommissionsgeschäft.

Diese Ansicht mag sich zwar gerichtlich auch irgendwann als irrig herausstellen, doch gibt es die derzeitige herrschende Rechtsmeinung wenigstens her, dass die Bank sich nicht wegen Vorsatz strafbar macht.

 

von Dr. Johannes Fiala und Dipl.-Math. Peter A. Schramm

mit freundlicher Genehmigung von

www.kreditwesen.de (veröffentlicht in Vermögen & Steuern 8/2011, Seite 32-33)

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Über den Autor

Dr. Johannes Fiala Dr. Johannes Fiala
PhD, MBA, MM

Dr. Johannes Fiala ist seit mehr als 25 Jahren als Jurist und Rechts­anwalt mit eigener Kanzlei in München tätig. Er beschäftigt sich unter anderem intensiv mit den Themen Immobilien­wirtschaft, Finanz­recht sowie Steuer- und Versicherungs­recht. Die zahl­reichen Stationen seines beruf­lichen Werde­gangs ermöglichen es ihm, für seine Mandanten ganz­heitlich beratend und im Streit­fall juristisch tätig zu werden.
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