Warum das Provisionsabgabeverbot nicht mehr anwendbar ist

Auch wenn das Provisionsabgabeverbot erstmal weiter gilt – etwas liegt in der Luft: So hatte das LG Köln entschieden, dass der Vermittler beziehungsweise Versicherungsmakler legal handelt, wenn er an Versicherte seine Provision oder Courtage ganz oder teilweise weitergibt. Bereits das Verwaltungsgericht Frankfurt hatte 2011 die Regelung zum Provisionsabgabeverbot als verfassungswidrig beurteilt. Diesbezügliche Anzeigen der BaFin gab es seither auch nicht mehr.

 

Entscheidungsfreiheit des Kunden, ob er keine Beratung benötigt?

Warum soll gerade bei Versicherungen dem Kunden nicht freigestellt sein, ob er sich die richtige Entscheidung selbst zutraut, und er dadurch sparen kann? Die Kannibalisierung der Vertriebsalternativen wird durch das Internet erleichtert. Eine Alternative zur ganz ohne Provisionen kalkulierten Nettopolice ist für einige Vermittler mit Maklerzulassung und Internetvertrieb die Provisionsabgabe. Dies verärgert Maklerverbände, denn zum Berufsbild gehört regelmäßig „die Pflicht zur individuellen Leistungs- und Bedarfsanalyse“ – also Objektuntersuchung und Risikoprüfung, statt „Provisionsabgabe gegen Beratungsverzicht“.

Bereits der Bundesgerichtshof, und nun auch das LG Köln, sind der Ansicht, dass ein Beratungsverzicht durch AGB bzw. Formulare – quasi im Gegenzug zur Provisionsabgabe – unzulässig ist. Damit ist bereits der Ausweg vorgezeichnet, etwa die Vermittlung über einen Berufsverband, einen Verein nur für Mitglieder, oder etwa als Mehrfachagent. Alternativ käme noch eine Individualvereinbarung mit dem (künftigen) VN in Frage – mit der Schwierigkeit bereits jedweden Anschein von AGB vermeiden zu müssen, damit die Vereinbarung wirksam ist.

 

Beratungsverzicht des VN im Rahmen der Privatautonomie

Bereits am 27.03.2007 hatte Professor Schwintowski dem Deutschen Bundestag erklärt, wie sich der Beratungsverzicht gemäß der EU-Vermittlerrichtlinie praktisch umsetzen lässt:

„Der Kunde verzichtet auf Beratung (und weitere Dokumentation), indem er dem Vermittler gegenüber erklärt, ein ganz bestimmtes Produkt (z.B. eine Privathaftpflichtversicherung von der Calamitas) zu wollen und ansonsten keine weiteren Wünsche und Bedürfnisse mehr zu haben.“ Wenn beides dokumentiert werde, sei die EU-Vermittlerrichtlinie eingehalten – im Unterschied zum damals vorgesehenen (bloßen) Wortlaut des VVG2008.

Selbstverständlich darf ein Makler an seine Tür schreiben, dass nur der Eintritt hat, der ganz genau weiß, was er will, und daher keiner Beratung bedarf. Genauso wäre es auch im Internet. Vorgelagert könnte dann ein „Informationsportal“ stehen, das den Kunden zu dieser Feststellung führt. Verbreitete (AGB-)Formulare zu Verzicht auf Dokumentation und Beratung erfüllen dies nicht, und werden von Gerichten bereits über das AGB-Recht kassiert, also ohne dass auf das höherrangige EU-Recht zurückgegriffen werden müsste.

 

Grenzen der Honorarberatung durch Versicherungsmakler

Der § 34d GewO gestattet die Honorarberatung durch den Makler, jedoch (noch) nicht ausdrücklich gegenüber Verbrauchern, und zudem gibt es diesbezüglich keine Regel für die Vergütung: Will man hierbei also von der bisherigen gesetzlichen Regel, der Erfolgsvergütung (ggü. Selbständigen) abweichen, so bedarf es besonderer juristischer Kenntnisse um dafür eine wirksame Individualvereinbarung abschließen zu können. Gegenüber Selbständigen mit Nettotarifen oder (teilweiser) Provisionsabgabe zu operieren, erscheint hingegen häufig recht unproblematisch.

In der Praxis arbeiten einige Strukturvertriebe gleichwohl massenhaft gegenüber Verbrauchern mit irgendwelchen nicht erfolgsbezogenen Honoraren – dies erscheint dann ebenso illegal, wie wenn dann den gleichen Kunden eine (teilweise) Erstattung bei Produktvermittlung versprochen wird.

Die Honorarberatung über Finanzinstrumente bzw. Honorar-Anlageberatung erlauben beispielsweise Zeitvergütung, Festpreis, Umsatzhonorar, Mengenhonorar oder einen Prozentsatz gemäß Kundenvermögen. Beim Versicherungsmakler ist demgegenüber traditionell die Erfolgsvergütung üblich etwas anderes auch per Formular vereinbaren zu können, hat der Gesetzgeber bisher nicht ausdrücklich gestattet – spätestens wenn EU-Recht die Provisionen verbietet, wird auch dieser Punkt zu regeln sein. Derweil kann sich der Makler auch jedwede Zulassung nach GewO und WpHG ersparen, indem er sich von seinem Auftraggeber (zeitweise) anstellen lässt und eine Lohnabrechnung bekommt.

 

Versicherungsberater als Ausweg?

Die geringe Zahl der praktisch tätigen Versicherungsberater zeigt das minimale Interesse der Kundschaft an einer Honorarberatung. Derartige Beratung zielt jedoch gerade nicht auf den Abschluss eines bestimmten Tarifes oder Vertrages, ist also eher produktvergleichend – eingeschlossen das Verbot eine Vertriebs(erfolgs)vergütung zu vereinbaren oder anzunehmen. Eine Vermittlung ist hier nur sehr gelegentlich, und allenfalls bei Angehörigen bzw. Familienmitgliedern gestattet. Zulässig sind jedoch Kooperationen zwischen Maklern und (Versicherungs-)Rechtsberatern, nach dem Motto getrennte Kassen (und Büros) – gute Freunde. Die Doppelzulassung als Makler und VB bzw. RA mündet meist darin, dass eine Zulassung wieder zurückgegeben werden muss. Eine Ausnahme wäre der VB oder RA als Geschäftsleiter eines Maklerunternehmens – sofern eine Tätigkeit im Vertrieb ausgeschlossen ist.

 

Die Courtage schuldet stets der VN – auch wenn der VR sie bezahlt

Im Jahr 2015 hat der Gesetzgeber für den Immobilienmakler ausdrücklich klargestellt, dass dem Makler (wie von jeher dem Versicherungsmakler) stets der Auftraggeber die Courtage schuldet. Und wie kann es sein dass der Versicherer dennoch (obwohl er ja zunächst mal gar kein Auftraggeber ist) die Courtage bezahlt? Der Kunstgriff: man sagt, dass konkludent der Versicherer dem Kunden verspricht, „wir werde dessen Courtage-Schuld beim Makler“ für ihn bezahlen. Dem Kunden ist also häufig gar nicht klar oder bewusst ob der Makler gleich für den Abschluss etwas bekommt, oder vielleicht erst später, oder vielleicht auch beides zutrifft. Dies hat zur Konsequenz, dass bei Treuepflichtverletzung die Courtage verwirkt werden kann, und dann der Kunde diese vom Makler erstattet bekommt. Das ist der gesetzliche Fall vollständiger Provisionsabgabe, und zwar auch dann, wenn dem Kunden durch die Treuepflichtverletzung gar kein Schaden entstanden ist.

 

 

von Dr. Johannes Fiala und Dipl.-Math. Peter A. Schramm

mit freundlicher Genehmigung von

www.experten.de (veröffentlicht in Experten Report am 21.01.2016)

Link: https://www.experten.de/2016/01/21/warum-das-provisionsabgabeverbot-nicht-mehr-anwendbar-ist/

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Über den Autor

Dr. Johannes Fiala Dr. Johannes Fiala
PhD, MBA, MM

Dr. Johannes Fiala ist seit mehr als 25 Jahren als Jurist und Rechts­anwalt mit eigener Kanzlei in München tätig. Er beschäftigt sich unter anderem intensiv mit den Themen Immobilien­wirtschaft, Finanz­recht sowie Steuer- und Versicherungs­recht. Die zahl­reichen Stationen seines beruf­lichen Werde­gangs ermöglichen es ihm, für seine Mandanten ganz­heitlich beratend und im Streit­fall juristisch tätig zu werden.
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