Das Bayerischen Landessozialgericht (LSG München, Urteil vom 03.06.2016, Az. L 1 R 679/14) bestätigte die Feststellung der Versicherungspflicht eines Poolmaklers in der gesetzlichen Rentenversicherung. Der Poolmakler war bereits in der Vorinstanz unterlegen: „Mit Urteil vom 9. Mai 2014 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Kläger sei auf Dauer und im Wesentlichen nur für die AG tätig. Die Kunden schieden als Auftraggeber aus, da der Kläger nicht Partei der von ihm über die AG vermittelten Verträge werde.“ (LSG, a.a.O.). Bei der AG handelt es sich um den Maklerpool.
Maklerverband und Makler verwechselten Sozialversicherungsrecht mit Maklerrecht
Ein Maklerverband äußerte beleidigt: „Das Urteil ist als grob fehlerhafte Einzelfallentscheidung anzusehen.“. Makler und Anwälte, die es nötig hätten, könnten sich an die Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV) wenden, um sich kostenlos im Sozialgesetzbuch (SGB VI) aus- und fortbilden zu lassen. Das Urteil ist weder fehlerhaft, noch ist es eine Einzelfallentscheidung – oder wie der Volksmund sagt „wer des Lesens von Texten mächtig war, ist deutlich im Vorteil“.
So gibt es den Scheinselbständigen (mit voller Sozialversicherungspflicht und Arbeitgeberhaftung), wie durch den Konkurs der Vertriebsgesellschaft MEG belegt. Mancher Maklerbetreuer von Versicherern und typischerweise Agenten können hiervon ebenfalls betroffen sein – sie sind dann in Wirklichkeit gar keine Selbständigen, sondern nur auf einem wertlosen Papier zum Schein.
In einfacher gelagerten Fällen, wenn der zweifelsfrei selbständige Poolmakler 5/6 oder mehr seiner Einnahmen aus einer Quelle (Pool) erhält und keinen Mitarbeiter normal angestellt hat, tritt meist volle eigene gesetzliche Rentenversicherungspflicht ein, wenn bei der Prüfung der Status als „Arbeitnehmerähnlicher Selbständiger“ festgestellt wird.
Die Formulierung des LSG “Er sei dauerhaft nur für einen Auftraggeber tätig.” und “Kunden schieden als Auftraggeber aus, da der Kläger nicht Partei, der von ihm vermittelten Verträge werde.” zeigt: Der Makler ist nicht im Auftrag des Kunden tätig, es ist nicht sein Kunde, er hat mit ihm keinen „echten“ Maklervertrag. So wenig wie der Kellner, der dem Gast die gewünschte Maß bringt, in dessen Auftrag tätig ist. Pools, die dem Makler Anderes weismachen wollen, führen ihn in die Irre. Diese Sicht des LSG stört – außer der finanziellen Komponente – das Selbstbild manches Maklers im Pool und die Akzeptanz von Pools.
Feststellung des Status durch die DRV
Mancher ausgeschiedene Agent oder Maklerbetreuer verschafft sich nachträglich eine gleichsam kostenlose Zusatzrente bei der DRV: Er lässt drei Monate nach seinem Ausscheiden – dann endet zeitlich die Regressmöglichkeit des Arbeitgebers – ein Statusfeststellungsverfahren durchführen.
Auch für Poolmakler ist die Statusfeststellung eine Möglichkeit zur Rechtssicherheit – schließlich wird bei Fahrlässigkeit für die Beiträge für das laufende Jahr, sowie die vier abgeschlossenen vorangegangenen Jahre gehaftet, also bis zu etwa 50.000 EUR Nachzahlung. Liegt ein Fall des (bedingten) Vorsatzes vor, kann die DRV bis zu 30 Jahre rückwirkend die Beiträge nacherheben. Die DRV wird Makler vielleicht als Fachleute ansehen, insbesondere wenn sie zur Altersvorsorge beraten – und bedingten Vorsatz erst mal annehmen?
Kürzlich monierte ein Makler in einem Forum, dass seine Kundin, eine selbständige Hebamme, keine Riesterzulage bekäme, weil sie ja keine Beiträge in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlt, was doch Voraussetzung für die Riesterzulage sei. Dem Makler wurde dann erklärt, dass die Kundin sehr wohl die Riesterzulage bekommt, weil es dazu nicht darauf ankommt, ob man Beiträge zur GRV zahlt, sondern ob man dort versicherungspflichtig ist, und das ist sie, ggf. mit Nachzahlungspflicht für bis zu fünf Jahre. Dies sollte man als Makler wissen.
Als arbeitnehmerähnliche Selbständige wurden auch bereits mit Urteil des BSG vom 24.11.2005 – Az.: B12 RA 1 /04 R die GmbH-Gesellschafter-Geschäftsführer beurteilt, denn sie sind nicht im Auftrag der Kunden der GmbH, sondern im Auftrag der GmbH tätig. Erst durch eine Gesetzesänderung wurden sie später wieder davon ausgenommen.
Arbeitnehmerähnliche – echte – Selbständige beziehen mindestens 5/6 ihrer Einnahmen aus einer Quelle, und beschäftigen keinen Arbeitnehmer (AN) – ein Minijob zählt dabei nicht. Solche Selbständigen schulden den vollen (z.B. Höchst- oder Regel-)Beitrag zur gesetzlichen Rentenversicherung.
Der Pool ist „Absatzherr“ des Poolmaklers
Das LSG vergleicht den Poolmakler mit einem Franchisenehmer – dabei handelt es sich um jahrzehntelange Rechtstradition des Bundessozialgerichts (BSG), so daß sich keine grundlegend neuen Fragen stellen, und daher auch keine Revision zugelassen worden war.
Das LSG öffnet dann noch die Tür für die Frage , ob Poolmakler überhaupt Makler sind, denn im Urteil steht u.a.: „Schließlich ist auch unerheblich, ob und inwieweit die IHK oder die BaFin bei der Zugrundelegung der hier vertretenen Auffassung, der Kläger sei selbstständiger Versicherungsmakler, werde aber nur für einen Auftraggeber tätig, ihre Aufsichtspflichten verletzen. Ob der Kläger mit der vorliegenden Vertragsgestaltung die gesetzlichen Bestimmungen einhält, über die von diesen Institutionen gewacht wird, ist allein von diesen zu entscheiden.“.
Vielleicht ist der Pool ein Mehrfachagent, der die Bestände auch des Poolmaklers besitzt, mit beschränktem Sortiment – und der Poolmakler nur Scheinmakler, der jeden „seiner“ Kunden nach § 60 I VVG „ausdrücklich auf eine eingeschränkte Versicherer- und Vertragsauswahl hinweist“?
Das LSG interessiert wenig, was auf dem Papier steht, sondern wie es tatsächlich gelebt wird. Von versuchten (Selbst-)Täuschungen lässt es sich nicht beeindrucken. Poolmakler müssen also zur Kenntnis nehmen, dass sie von Pools arbeitnehmerähnlich abhängig sein könnten. Ihr Auftraggeber ist der Pool – ihr vermeintlicher Kunde ist nicht ihrer.
Selbstverständlich ist der Poolmakler nicht unabhängig, nur weil er – genau wie der Arbeitnehmer seine Stelle – den Pool wechseln könnte, und wie der sein Wissen seine Bestände mitnehmen kann, theoretisch auch für eine Direktanbindung bei Versicherern. Abhängigkeit kann auch ein freiwilliger Zustand sein, der theoretisch jederzeit geändert werden könnte – aber eben solange dann fortbesteht. Makler, die hier eine Unabhängigkeit sehen, machen sich etwas vor, wie auch der Alkoholiker behauptet, nicht abhängig zu sein, weil er jederzeit mit dem Trinken aufhören könne.
Wirtschaftliche Folgen
Die Arbeitnehmerähnlichkeit des Poolmaklers berührt die Pools auch finanziell:
- Weil seine Makler RV-Beiträge zahlen müssen und vielleicht deshalb mehr Provision haben wollen?
- Weil die RV-Beiträge es für viele nicht mehr interessant erscheinen lassen, sich einem Pool anzuschließen – er verliert Makler.
- Weil Makler sich zwei Pools anschließen könnten – der Pool verliert Geschäft.
- Weil Pools das Bild vom selbständigen Makler, dem der Kunde gehört, so nicht mehr aufrechterhalten können – die Irreführung wird durch das LSG enttarnt.
Dies wird Maklern bei Pools gegebenenfalls nicht gefallen. Sie könnten zu Dienstleistern gehen, die nur Verwaltung anbieten – womit jedoch die Mehrwertsteuerpflicht meist berührt ist. Viele könnten angesichts der Alternativen – finanzieller oder organisatorischer Mehraufwand – schlicht aufgeben.
Neben der finanziellen Wirkung ist die psychologische relevant, weil Makler bei Pools nicht gerne hören werden, dass sie AN-ähnlich weil abhängig sind. Und Pools mögen es deshalb ungerne sagen.
Nach dem Motto: “Ich bin ein freier Mensch und kann mich frei entscheiden” – “Selbstverständlich: Möchten Sie eine Zelle mit Ausblick zum Hof oder zur Straße?”
Scheinselbständiger oder arbeitnehmerähnlicher Selbständiger?
Der Status ist sehr gut auseinanderhalten – auch ohne Versicherungsanwalt zu sein.
Die AN-ähnliche Person übt eine Tätigkeit aus, wie sie auch ein AN ausübt, ist aber kein AN.
Der AN ähnliche Selbständige ist zweifelsfrei Selbständiger, aber AN-ähnlich.
Der Scheinselbständige ist gar kein Selbständiger, sondern AN.
Scheinselbständige mit betrieblicher Eingliederung gab es bei MEG, aber wohl kaum bei Pools.
Poolmaklern gehören die Bestände des Pools regelmäßig nicht
Die vom Makler „betreuten“ Kunden sind auch nicht die Kunden des Maklers, denn er hat keine, nur der Pool. Ein Journalist zeigt sich über das LSG-Urteil verwundert, indem er schreibt: “Dabei beauftragt doch der Makler eigentlich den Pool, ihn zu unterstützen und bezahlt ihn auch dafür. So zumindest die gängige Annahme.”
Dies ist indes nur jenes Märchen, das zu Beruhigung erzählt wird. Die Wahrheit ist eine andere. Jeder Makler im Pool muss doch nur mal sich den (Makler-)Vertrag mit seinem Pool ansehen um zu realisieren, dass er kein Vertragspartner des Kunden ist. Es gehört schon große Überredungskunst dazu, wenn ein Pool dem Makler anderes glauben macht – offenbar erfolgreich, dass es nämlich dessen Kunde sei.
So wie man dem AN erlaubt, Bilder von Frau, Kind und Hund an die Wand zu hängen und seinen Namen neben die Tür, damit er glaubt, es sei sein Büro. Da kann man dann sagen “Manchen Sie mal die Augen zu – ich habe eine Überraschung für Sie! Nicht Blinzeln! Sehen Sie noch was? Gut – das ist das, was Ihnen hier gehört!”.
Spätestens im Konkurs des Pools wird der Poolmakler häufig bestätigt bekommen, dass die Bestände zur Insolvenzmasse gehören – ebenfalls ein Indiz für die Arbeitnehmerähnlichkeit. Diesbezüglich findet sich nichts im Urteil, was vielleicht als Variante zur Rechtsgestaltung übersehen worden war?
Systematische Prüfung der Pools durch die DRV?
„Rentenpflicht für Poolmakler ist Unsinn“ meinte kürzlich ein Jurist in seinem Kommentar zum LSG-Urteil. Dabei hätten der Jurist und der klagende Makler sich bei jeder einfach ausgebildeten Steuerfachangestellten über die Sozialversicherungspflichten problemlos orientieren können.
Das LSG-Urteil ist völlig korrekt, und niemand darf überrascht sein: Der Poolmakler hat sich vielmehr etwas vormachen lassen und selbst eingeredet, als wäre man frei, obgleich man in Wirklichkeit arbeitnehmerähnlich ist und abhängig vom Pool. Das Anliegen des Poolmaklers hatte offenbar von Anfang an kaum eine Chance auf Erfolg – einfacher wäre es gewesen jemanden anzustellen oder dem „Trend zum Zweitpool“ zu folgen.
Das Urteil hat Signalwirkung für den systematisch arbeitenden flächendeckenden Prüfdienst der DRV, mit zunehmender Aussicht der Poolmakler auf Nachzahlungen für bis zu fünf Jahre – ein Bärendienst für den Berufsstand? Behauptet ein Pool zur Beruhigung seiner Poolmakler, er sei schon geprüft, und die DRV habe gemeint es sei bei ihm alles in Ordnung, bezieht sich das ja nur auf die Scheinselbständigen, denn die AN-ähnlichen Pflichtversicherten tangieren den Pool nicht direkt, denn es gibt dann keine Haftung wie beim Scheinselbständigen. Er muss von diesen nicht einmal erfahren.
Wie viel verstand der klagende Makler von Altersversorgung?
Vermutlich hat der Poolmakler auch nicht verstanden, dass die Pflichtbeiträge zur DRV etwa im Sinne einer Risikostreuung durchaus sinnvoll sein könnten. Schließlich schreibt die DRV über die freiwillig an sie bezahlten Beiträge, dass diese zu 5,14% jährlich als Rente später ausbezahlt werden. Vielleicht bevorzugt der Makler eher „sichere Staatsanleihen“ mit Negativzins; als Lebensversicherung wegen der üblichen Verwaltungskosten mit noch niedrigerer Aussicht auf spätere Rückzahlung?
Vielleicht aber kann er sich schlicht weder Personal noch eigene Verwaltungssoftware, selbst organisierte Fortbildung und Zeit zum Aushandeln von Direktanbindungen an Versicherer leisten, und auch keine Altersvorsorge – daher seine Abhängigkeit vom Pool. Dann aber ist es erst recht richtig, ihn der Rentenversicherungspflicht zu unterwerfen, damit er im Alter dem Steuerzahler nicht zur Last fällt.
von Dr. Johannes Fiala und Dipl.-Math. Peter A. Schramm
mit freundlicher Genehmigung von
www.experten.de (veröffentlicht am 06.07.2016)
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Über den Autor

PhD, MBA, MM
Dr. Johannes Fiala ist seit mehr als 25 Jahren als Jurist und Rechtsanwalt mit eigener Kanzlei in München tätig. Er beschäftigt sich unter anderem intensiv mit den Themen Immobilienwirtschaft, Finanzrecht sowie Steuer- und Versicherungsrecht. Die zahlreichen Stationen seines beruflichen Werdegangs ermöglichen es ihm, für seine Mandanten ganzheitlich beratend und im Streitfall juristisch tätig zu werden.
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