Basistarif der Privatkassen schließt Kranke aus!

Die Gesundheitsreform ist verabschiedet. Offensichtlich sind den Reformern aber handwerkliche Fehler unterlaufen, weil man die Wirkungsweise von „Ausschlüssen“ und Versicherungen an sich nicht verstanden hat. Mit schwerwiegenden Folgen für die Versicherten, auf die Arbeitgeber wechselwillige Mitarbeiter unbedingt hinweisen sollten, wie die Autoren Dr.
Johannes Fiala und Peter A. Schramm meinen
Jedermann soll künftig nach der erneuten Gesundheitsreform (dem „Wettbewerbsstärkungsgesetz“) verpflichtet sein, sich gegen das Risiko Krankheit abzusichern. In der privaten Krankenversicherung wird dazu der sogenannte Basistarif zur Verfügung stehen. Jeder Versicherer muss hier jeden Berechtigten – freiwillig gesetzlich Krankenversicherte, Unversicherte, privat Krankenversicherte – unabhängig vom Gesundheitszustand aufnehmen und darf für Vorerkrankungen weder Risikozuschläge erheben noch Ausschlüsse vornehmen. Doch wenn der Gesetzgeber meint, nun könnten sich auch Kranke entsprechend versichern, so täuscht er sich. Für den Kranken kann der Basistarif zu einer unerwarteten Enttäuschung führen, wenn er erfährt, dass er für seine Krankheit gar keine Leistung erhält. Wer gesund ist, konnte heute schon in die private Krankenversicherung und zwischen den Unternehmen wechseln. Problematisch sind bestehende Vorerkrankungen, die nicht voll ausgeheilt sind. Also wird zum Beispiel eine Wirbelsäulenschädigung, die gelegentlich zu Beschwerden führt und dann bis zum jeweiligen Abklingen der Beschwerden behandelt werden muss, zu einem Risikozuschlag oder einem Ausschluss für diese Vorerkrankung führen.
Ein brennendes Haus wird auch nicht versichert …
Allerdings wird auch trotz Risikozuschlag und Einschluss der Vorerkrankung zum Beispiel für die soeben vor Antragstellung verschriebenen zehn Massagen nicht geleistet, ebensowenig wie brennende Häuser versichert werden. Die Vorerkrankungen – bzw. deren Folgen – sind zwar nicht „ausgeschlossen“, aber es handelt sich um einen laufenden Versicherungsfall, der bereits vor Versicherungsbeginn eingetreten war. Es geht dabei um das Wesen von Versicherungen überhaupt – man kann nichts versichern, was gar nicht ungewiss, sondern sicher ist, weil bereits vor Versicherungsbeginn eingetreten. Generell ist also die Wirbelsäulenerkrankung nicht ausgeschlossen, aber für den laufenden Versicherungsfall wird bis zu seiner Beendigung nicht geleistet. Auch die erneute Gesundheitsreform ändert daran nichts – dass keine Ausschlüsse erlaubt sind, geht insoweit ins Leere. Man benötigt keine ausdrücklichen Ausschlüsse, wo schon von Gesetzes wegen keine Leistungspflicht besteht. Zum Kern jedes privaten Versicherungsvertrages gehört nach dem Versicherungsvertragsgesetz (VVG) sowie dem Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG), dass es sich um ungewisse zukünftige Schäden handeln muss: Würden also die privaten Krankenversicherer gezwungen, sichere bekannte Schäden mit zu regulieren, wäre dies ein verfassungsrechtlich offenbar nicht mehr verhältnismäßiges Sonderopfer. Wäre dies für ein Versicherungsunternehmen noch „sozial“ gerechtfertigt? In der Krankenversicherung ist der Versicherungsfall – nach § 1 der Musterbedingungen des Verbandes der privaten Krankenversicherung – die medizinisch notwendige Heilbehandlung. Er beginnt daher bedingungsgemäß mit der Heilbehandlung und endet erst dann, wenn keine Behandlungsbedürftigkeit mehr besteht. Er ist also ein sogenannter „gedehnter“ Versicherungsfall. Besteht Behandlungsbedürftigkeit bis ans Lebensende, dann dehnt sich auch der Versicherungsfall bis dahin. Solange besteht äußerstenfalls für den vor Versicherungsbeginn bereits eingetretenen Versicherungsfall keine Leistungspflicht – auch wenn die Vorerkrankung nicht ausgeschlossen wurde oder – nach der erneuten Gesundheitsreform – gar nicht ausgeschlossen werden darf. „Für Versicherungsfälle, die vor Beginn des Versicherungsschutzes eingetreten sind, wird nicht geleistet.“ – so stellt es § 2 der Musterbedingungen für die Krankheitskosten- und Krankenhaustagegeldversicherung eindeutig klar. Bei dem Wirbelsäulengeschädigten liegt also eine nicht ausgeschlossene Vorerkrankung vor, aber wenn der Patient deshalb vor Versicherungsbeginn behandelt wird, ist dieser Versicherungsfall so lange ausgeschlossen, bis der Arzt feststellt, dass – vorläufig – erst einmal keine weitere Behandlungsbedürftigkeit besteht. Beim chronisch Kranken liegen die Verhältnisse jedoch anders. Der Diabetiker oder der Dialysepatient benötigt ständig weitere Behandlung – es gibt oft kein Ende der Behandlungsbedürftigkeit. Müssen laufend – unter Umständen lebenslang – Medikamente wegen der gleichen Krankheit genommen werden, so endet dieser Versicherungsfall erst mit dem Tod.
Enttäuschungen vorprogrammiert
Wechselt dieser Patient im Vertrauen auf die Gesundheitsreform und das Versprechen der Regierung, dass auch Kranke „ohne Ausschlüsse“ aufgenommen werden, in den Basistarif der privaten Krankenversicherung, so wird er zwar zunächst ohne Risikozuschlag und ohne Ausschlüsse aufgenommen. Wenn er aber dann Leistungen für sein chronische Krankheit möchte, erhält er diese mit Recht nicht. Er wird sich dann von allen – vor allem vom Gesetzgeber und den Verantwortlichen – getäuscht fühlen. Die Regierung lockt also bisher anderweitig Versicherte und zwingt sogar bisher Unversicherte in einen Basistarif, für den diese zwar Beiträge zahlen müssen, dann jedoch gar keine Leistungen für ihre bestehenden chronischen Krankheiten erhalten. Freiwillig kann die PKV für diese chronisch Kranken gar nicht zahlen – dies würde ja letztlich zu Lasten ihrer heute bereits Versicherten finanziert werden müssen, die auch schützenswerte Rechte haben. Das Versprechen, auch dem Kranken eine Versicherungsmöglichkeit in der privaten Krankenversicherung zu geben, wird so überhaupt nicht eingelöst. Der wirklich Kranke kann weiterhin nicht wechseln. Das angestrebte Ziel der Regierung, den Wettbewerb auch im Hinblick auf die nicht Gesunden zu stärken, wird in krasser – aber nur bei näherem Hinsehen erkennbarer – Weise verfehlt. Es erscheint doch kaum glaubhaft, dass dieser Umstand womöglich den Verantwortlichen im Gesundheitsministerium verborgen geblieben sein könnte. Wenn es aber dort bekannt ist, dass das Ziel, auch dem Kranken eine Wechselmöglichkeit in den Basistarif zu ermöglichen, gar nicht erreicht wird, was ist dann das Ziel dieser Gesundheitsreform im Hinblick auf die private Krankenversicherung? Möchte man sie – wie dort vermutet wird – fahrlässig schädigen, ohne damit irgendjemand – vor allem nicht den Kranken – etwas zu nutzen? Weshalb klafft hier der Anspruch der Reform und die tatsächliche Wirkung in so eklatanter Weise auseinander? Sollen vielleicht sogar chronisch Kranke in die private Krankenversicherung gelockt werden, damit es dann einen Aufschrei der Empörung über zwangsläufige Leistungsverweigerungen gibt, den man dann zur endgültigen Beseitigung der PKV nutzen kann?
Dr. Johannes Fiala | Dipl.-Math. Peter A. Schramm
(rationell reinigen 3/2007, 75)
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Über den Autor

Dr. Johannes Fiala Dr. Johannes Fiala
PhD, MBA, MM

Dr. Johannes Fiala ist seit mehr als 25 Jahren als Jurist und Rechts­anwalt mit eigener Kanzlei in München tätig. Er beschäftigt sich unter anderem intensiv mit den Themen Immobilien­wirtschaft, Finanz­recht sowie Steuer- und Versicherungs­recht. Die zahl­reichen Stationen seines beruf­lichen Werde­gangs ermöglichen es ihm, für seine Mandanten ganz­heitlich beratend und im Streit­fall juristisch tätig zu werden.
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