Bundesarbeitsgericht: Unwirksame Einschränkung bei der Witwenversorgung in der Betriebsrente

Das Bundesarbeitsgericht (BAG, Urteil vom 30.09.2014, Az. 3 AZR 930/12) entschied, dass die in einer Pensionszusage enthaltene Allgemeine Geschäftsbedingung, wonach die Gewährung einer Witwenrente voraussetzt, dass der Versorgungsberechtigte “den Unterhalt der Familie überwiegend bestritten hat”, wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot nach § 307 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Satz 2 BGB unwirksam ist.

 

 

Pensionssicherungsverein entscheidet illegal: Witwe geht leer aus!

 Vor dem Bundesarbeitsgericht hatten Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht die Klage auf Witwenversorgung gegen den Pensionssicherungsverein (PSV aG) abgewiesen. Entscheidend für das BAG war, dass die Klausel im Text der betrieblichen Versorgungszusage intransparent und damit unwirksam ist.

 

Eine sogenannte „Haupternährerklausel“ ist nicht generell unwirksam, sondern nur dann, wenn sie intransparent ist. Konkret lautete die Zusage der Witwenpension „Nach Ihrem Tod gewähren wir Ihrer Ehefrau eine Witwenpension in Höhe von 60 % der in § 3 zugesagten Alterspension bzw. der nach § 4 bezogenen Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeitspension, wenn Sie den Unterhalt Ihrer Familie überwiegend bestritten haben“. Nur ein Laie würde diesen Inhalt als verständlich beurteilen.

 

Im Streitfall hatte der Mann in einigen Jahren höhere, in einigen niedrigere Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit – die Frau aber mit Einkünften aus Kapitalvermögen stets höhere Einkünfte. Wer mit welchen Einkommensteilen zum Unterhalt der Familie tatsächlich beigetragen hatte, wurde vom PSV gar nicht erst erwogen. Die Regelung des Anspruchs auf Witwenpension knüpft nach dem Wortlaut daran an, ob der Ehemann den Unterhalt seiner Familie überwiegend bestritten hatte. Welche Voraussetzungen für das Vorliegen der „Haupternährereigenschaft“ des Versorgungsberechtigten genau vorliegen müssen, bleibt indes unklar.

 

 

Unklarer Klauselinhalt, ohne klare Regeln zur Auslegung und Anwendung, wird zur Falle

Unklar war beispielsweise der Zeitraum, sowie welche Einkünfte für den Unterhalt der Familie oder andere Zwecke herangezogen werden. Fraglich ist auch, wann denn die Verwendung eine solche zum Unterhalt der Familie ist? Etwa wenn die Eheleute gemeinsam eine Pauschalreise buchen, aber nicht, wenn die Ehefrau sich aus ihren Kapitaleinkünften eine Kreuzfahrt gönnt? Oder wenn jemand einem teuren Hobby nachgeht? Oder sich ein unnötiges Cabrio gönnt, bei dem der andere aber gerne mal eine Einladung zur sonntäglichen Ausfahrt annimmt. Oder Aufwand für eine teure Uhr, entweder für sich selbst, oder als Geschenk an den anderen? Sind Unterhalt und Lebenshaltungskosten das gleiche? Und stellen etwa die Beiträge für eine private Rentenversicherung Unterhalt dar?

 

Bezugnahme auf Begriffe des Sozialversicherungsrechts verstärken die Intransparenz

Die „Haupternährereigenschaft“ besitzt bereits nach dem allgemeinen Sprachgebrauch eine typisch sozialversicherungsrechtliche Bedeutung, ohne dass aber auf ggf. auch frühere sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen verwiesen wurde.

Betroffene Arbeitgeber tröstet es da wenig, wenn das BAG feststellt, dass eine solche Klausel auch unschwer transparent und wirksam formuliert werden könnte, ohne Unklarheiten oder Wertungsspielräume. Genau diese Möglichkeit bestärkte das BAG darin, die Klausel als intransparent zu beurteilen, denn wo nur wo Transparenz bei vertretbarem Aufwand besser gar nicht hergestellt werden kann, sind auch Abstriche bei den Anforderungen daran möglich. Man mag darüber spekulieren, ob der inzwischen insolvente Arbeitgeber es auch sonst vermied, qualifizierte Beratung in Anspruch zu nehmen.

 

Auslegungs-Roulette der Gerichte?

 Seit der Schuldrechtsform mit Wirkung seit 01.01.2002, unterstehen auch Formulararbeitsverträge einer AGB-Kontrolle. Vereinbarungen in Tarifverträgen, Betriebs- und Dienstvereinbarungen bleiben jedoch davon ausgenommen, § 310 Abs. 4 S. 3 BGB. Wenn also die Versorgungszusage in einer Betriebsvereinbarung festgelegt ist, dann wären es keine AGB, und die Klausel wäre wirksam, also auslegbar.

Eine weitere Frage ist, ob der Inhalt einer bAV-Zusage überhaupt der AGB-Kontrolle unterfällt? Denn die vertraglich vereinbarten Hauptleistungspflichten, also die Tätigkeiten als Mitarbeiter einerseits und die Entlohnung über Arbeitsentgelt einschließlich betriebliche Altersversorgung (bAV) anderseits, sind grundsätzlich nicht kontrollfähig, und die Normen des AGB-Rechts gar nicht erst anwendbar. Allerdings sind gesetzliche Verbote zu beachten, also Wucher und Sittenwidrigkeit.

AGB-Kontrollfähig wären allenfalls Nebenabreden zum Entgelt und die Hauptleistung beispielsweise einschränkende, verändernde oder ausgestaltende Klauseln. Versteht man die bAV-Zusage für die Witwe als Hauptleistung, hätte das BAG dogmatisch vorrangig versuchen können die Intransparenz durch Auslegung nach dem Empfängerhorizont des Arbeitnehmers zu schließen und hilfsweise über eine Vertragsanpassung der bAV-Zusage entscheiden können.

 

 

Arbeitgeber kassiert Versicherungsleistung alleine – ohne Beteiligung des Mitarbeiters

Zusagen auf betriebliche Altersversorgung erfolgen massenweise durch Formularverträge, welche Kreditinstitute und Versicherungsgesellschaften kostenfrei liefern. Mancher Unternehmer ist später überrascht, dass der Text durch Fachleute aus dem Marketing oder Vertrieb gestaltet wurde. Damit besteht für Anwärter auf Altersversorgung, einschließlich Witwen und Waisen das hohe Risiko, am Ende nicht die erhofften Leistungen im Alter zu erhalten, oder für den Unternehmer das Risiko, dort zahlen zu müssen, wo es eigentlich nicht beabsichtigt war. Klarheit hierüber lässt sich dann in jedem Einzelfall herstellen, indem man abwartet, was dereinst das Bundesarbeitsgericht dazu meint.

 

Genauso ergeht es jenen Versorgungsberechtigten, für die eine Berufsunfähigkeitsrente (BU) durch den Arbeitgeber abgeschlossen wurde, jedoch unter anderem das Ausscheiden aus dem Betrieb eine Rechtsbedingung für die bAV-Leistung im Text der Zusage ist. Scheidet der Mitarbeiter also nicht aus, bekommt die Versicherungs-Rentenleistung einer Rückdeckungsversicherung nur der Arbeitgeber, der diese Versicherungsleistung sofort in Höhe des gesamten Barwerts der Rente als Aktivwert (ohne gegenzurechnenden Passivwert, mangels BU laut Versorgungszusage) und damit als einmaligen Gewinn versteuern darf, was schon mal zu Liquiditätsproblemen führen kann. Der Mitarbeiter hingegen geht nach der bAV-Zusage leer aus, selbst wenn er im Rahmen einer Entgeltumwandlung die Versicherungsprämien auch für die BU-Rente aufgewendet hatte.

 

 

Insolvenz des Arbeitgebers durch nachlässige bAV

Häufiger ist beim Arbeitgeber der Fall drohender Insolvenz, weil die bAV-Zusage wesentlich mehr verspricht, als die zugehörige Versicherung leisten würde. Dann droht im volkstümlichen Sinne der Bankrott des Arbeitgebers.

 

Auch die Mischkalkulation bei den Pensionsrückstellungen, indem etwa ein fester Prozentsatz Verheirateter angenommen und die Witwe stets als z. B. 6 Jahre jünger unterstellt wird, kann zu einem schlagartigen Mehraufwand in Millionenhöhe bei der Pensionsrückstellung führen, wenn ein hochbezahlter Mitarbeiter eine 30 Jahre jüngere Witwe hinterlässt, für die dann lebenslang die Witwenrente zu zahlen ist.

 

 

Von Dr. Johannes Fiala und Dipl.-Math. Peter A. Schramm

 

mit freundlicher Genehmigung von

www.network-Karriere.com (Ausgabe 05/2015)

und

veröffentlicht in Cash-Online.de am 23.04.2015

Link: http://www.cash-online.de/versicherungen/2015/witwenpension/247128

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Über den Autor

Dr. Johannes Fiala Dr. Johannes Fiala
PhD, MBA, MM

Dr. Johannes Fiala ist seit mehr als 25 Jahren als Jurist und Rechts­anwalt mit eigener Kanzlei in München tätig. Er beschäftigt sich unter anderem intensiv mit den Themen Immobilien­wirtschaft, Finanz­recht sowie Steuer- und Versicherungs­recht. Die zahl­reichen Stationen seines beruf­lichen Werde­gangs ermöglichen es ihm, für seine Mandanten ganz­heitlich beratend und im Streit­fall juristisch tätig zu werden.
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