Bundesgerichtshof: Berater haften für sittenwidrige Anlegerschädigung persönlich

– Falsche Risiko- und Renditeangaben durch Banker, Versicherer und Schulungsleiter –

 

 

Falsche Versprechen und Provisionsgier führen zur persönlichen Haftung

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat durch Urteil vom 19.02.2008 (Az. XI ZR 170/07) einem Anlageberater die vorsätzliche sittenwidrige Schädigung ins Stammbuch geschrieben, § 826 BGB: Der Berater hatte eine Kapitalanlage empfohlen, die nicht zum Risikoprofil passte – dafür hatte der Kunde seine Lebensversicherungen zur Altersvorsorge gekündigt.

 

 

Spekulative Produkte nicht zur Altersvorsorge geeignet

Wie der BGH klarstellt, sind riskante Anlagen mit Totalausfallrisiko (z.B. geschlossene Beteiligungen, nicht börsennotierte Aktien) für eine zusätzliche Altersvorsorge ungeeignet. Auf dieser Linie liegen auch zahlreiche Oberlandesgerichte, die enttäuschten Anlegern die Rückabwicklung kreditfinanzierter fondsgebundener Lebensversicherungen, Aktienfonds, und anderer Steuersparmodelle zugesprochen haben. Bereits die Verschleierung des Totalverlustrisikos ist eine sittenwidrige Schädigung (BGH, Az. II ZR 13/03 vom 28.02.2005).

 

 

Eigenkapital bei Hebelgeschäft steht meist voll im Risiko des Totalverlusts

Die Provisionsgier führte meist dazu, dass der Hebel zwischen darlehensfinanzierter Anlage und investiertem Eigenkapital so hoch wie möglich gewählt wurde – z. B. 1 zu 7 oder gar 1 zu 13. Dadurch wurden bei gegebenen vorhandenen Eigenmitteln die maximale provisionsträchtige Versicherungssumme und das maximale Darlehen erreicht.

Die Höhe der erforderlichen Eigenmittel relativ zur Darlehenshöhe richtete sich danach, wie die Bank die Lebensversicherung als Sicherheit bewertete. Da Banken bekannt ist, dass die Rückkaufswerte unter das investierte Kapital fallen können, verlangte die Bank Eigenmittel in der Größenordnung der wahrscheinlich möglichen Verluste bei der Lebensversicherung. Das heißt aber, die Banken rechneten bei diesen Modellen bereits mit einem Totalverlustrisiko des vom Kunden eingesetzten Kapitalteils.

 

Vorsätzliche sittenwidrige Schädigung führt zur persönlichen Haftung

Voraussetzung für § 826 BGB ist die vorsätzliche falsche Empfehlung – die Absicht (Beweggrund, Ziel) einer Schädigung muss nicht bestehen, es genügt sie billigend in Kauf zu nehmen (bedingter Vorsatz, es für möglich halten). Bereits grob fahrlässig leichtfertig unrichtige Beratung ist sittenwidrig, wenn sie für die Anlegerentscheidung erkennbar von Bedeutung ist und die Verfolgung eigener Interessen in dem Bewusstsein einer möglichen Anlegerschädigung abgegeben wird. Bereits ein bloßes Verlustrisiko für den Anleger gilt hierbei als Schaden (BGH Urteil 13.09.2004, Az. II ZR 276/02).

 

 

Beispiel:

Kein Konkursschutz über Liechtenstein-Policen Massenhaft haben deutsche Banken und Vermögensberater den Anlegern Lebensversicherungen aus Liechtenstein vermittelt – angeblich mit liechtensteinischem Konkursschutz:

Der Vertrieb mit liechtensteinisches Recht ist unzulässig – die Rechtswahl unwirksam, was ebenfalls zur Haftung wegen vorsätzlicher Schädigung führen kann (BGH a.a.O.). Unrichtig ist ein Rat bereits dann, wenn die empfohlene Kapitalanlage nicht zur Risikobereitschaft des Anlegers passt (anleger- und objektwidrige Beratung, vgl. BGH „BOND“-Urteil, Az. XI ZR 12/93). Das eigene wirtschaftliche Interesse kann sich auch aus hohen Provisionen von Anleger und Initiator, oder Kick-Backs ergeben, wie sie in der Finanzbranche typisch sind, und den BGH wiederholt beschäftigt. Allein das „schinden“ von Provisionen genügt für eine Verurteilung (BGH Urteil 13.07.2004, Az.VI ZR 136/03).

Persönliche Beraterhaftung bei Täuschung über Risiken und falschen Versprechen Es haftet dann nicht nur die Sparkasse oder Bank, die Vertriebsgesellschaft oder Versicherungsvermittler-GmbH, sondern zusätzlich auch der Berater höchstpersönlich. Immer wieder beklagen Anleger, dass Sie mit falschen Versprechen bedient wurden – beispielsweise mit dem Hinweis auf Kapitalgarantien und Sicherungskonzepte, jederzeitige Verkäuflichkeit und sichere Wertsteigerungen, angeblich bankgeprüfter Anlagemodelle. Auch bei falschen Verkehrswertfestsetzungen oder versteckter Zinssubvention haften Vermittler und Banken wegen sittenwidriger Schädigung (OLG Celle „Badenia“-Urteil 16 U 5/06).

 

 

Schulungsleiter unterrichtet „sichere Geldanlage“ – die wertlos war

Dieses Risiko tragen auch Schulungsleiter, wenn sie Halbwahrheiten dem Vermittler beibringen, und es dadurch zur Falschberatung kommt. Grundlage dafür können auch die häufig falschen Prospekte – auch bei Versicherungen und betrieblicher Altersvorsorge – sein: Sie brauchen nicht übergeben werden – die Nutzung als Schulungsgrundlage im Vertriebskonzept genügt (BGH Urteil 03.12.2007, Az. II ZR 21/06).

Das Oberlandesgericht (OLG) Celle hatte in seinem Urteil vom 15.12.2005 (Az. 11 U 107/05) einen derartigen Fall zu beurteilen. Der Leiter eines Handelsvertretervertriebs hatte „seinen“ Agenten eine Kapitalanlage „als sicher wie eine Bankanlage“ dargestellt. Der Vertriebsleiter hatte jedoch hierfür keinerlei Beweise in der Hand, sondern begnügte sich im Prozess vorzutragen, dass er die Geschäftsräume der Anbieterin besucht habe. Eine fundierte Plausibilitätsprüfung der Kapitalanlage fehlte – dazu war der Vertriebsleiter auch gar nicht in der Lage gewesen, schrieb das OLG in seiner Entscheidung. Es wäre die Pflicht des Schulungs- und Vertriebsleiters gewesen, „den Vermittlern seiner Struktur einzuschärfen“, jedem Anlageinteressenten klar zu machen, dass man über die Ausgestaltung und Sicherheit des Kapitalanlageangebotes eben gar nichts wisse! Dies gilt natürlich auch entsprechend für angeblich pfändungssichere Lebensversicherungen.

 

Überzogene reißerische Werbung und Meinungsäußerungen sind unverbindlich

Vermittler nehmen oft unverbindliche Werbeaussagen – wie „Ideale Altersvorsorge“ oder „Super Rendite“ – und bloße Meinungsäußerungen für bare Münze und sichern dann bestimmte vermeintlich verstandene Eigenschaften des Produkts ihren Kunden in eigenen Worten zu. Diese Leichtgläubigkeit vieler Vermittler wird durchaus auch absichtlich von Versicherern und Vertrieben instrumentalisiert.

Diese wissen, dass man sie darauf später nicht festnageln kann – was soll z. B. die konkrete Eigenschaft einer „Idealen Altersvorsorge“ sein und wie hoch ist denn wohl eine Super Rendite? Offenbar sollte doch gerade nichts bestimmtes zugesichert werden – der Vermittler hatte es aber in der Schulung leider anders verstanden und so auch seine Kunden beraten.

 

 

Sparkassen und Banken besonders betroffen:

Falsche Rendite-Versprechen Nimmt das Kreditinstitut ein Beteiligungsmodell in den Vertrieb auf, so hat es dieses auf Plausibilität zu prüfen (BGH Urteile 04.03.1987 Az. IV a ZR 122/85, 13.01.2000 Az. III ZR 62/99).

Wie auch vom Anlageberater, wird kritischer Sachverstand bei der Prospektprüfung erwartet, um Gefahren eines Anlagemodells zu erkennen – denn diese Marktteilnehmer besitzen weitreichendere Nachfragemöglichkeiten. Die sittenwidrige Schädigung leiten Gerichte aus Indizien ab, insbesondere der Täuschung über Risiken und/oder Renditen. Auch die fehlerhafte Vertriebsschulung fällt darunter (LG München, Az. 12 O 5224/07, Urteil vom 24.08.2007).

 

Geldvernichtungshaftung: Verjährung noch immer bis zu 30 Jahre

Noch immer gelten altes und neues Schuldrecht nebeneinander:

Bei Falschberatung kann die Verjährung bis zu 30 Jahre dauern (BGH Urteil vom 11.12.2003, Az. III ZR 118/03). Prominente Haftungsfälle bei Großbanken sind „risikolose Private Equity-Fonds“ oder auch „Film-Fonds mit eingebauter Steuerhinterziehung“: Kreditinstitute bewegen Milliarden Anlegergelder – mit der fachlichen Prüfung der angebotenen Produkte sind die Verkäufer an der Front oft völlig überfordert, was am Ende erst mal die Anleger ausbaden dürfen.

 

 

Auch fehlerhafte Prospektrenditen ermöglichen Rückabwicklung

Massenhaft werden Kapitalanlagen, auch im Lebensversicherungsbereich, mit fehlerhaften Angaben zu Risiko und Rendite vermittelt. Ein Einfallstor für enttäuschte Anleger ist der fehlerhafte Ausweis von Renditen – bei britischen Lebensversicherungen etwa die Werbung mit 12,9 oder 32.1% „Wertsteigerung“, was angesichts heutiger 0,5% Rendite als Täuschung empfunden wird. Risiken werden gerne auch bei fondsgebundenen Lebensversicherungen oder „Pools“ geschönt (OLG Düsseldorf, Urteil vom 30.03.2004, Az. I-4 U 137/03) und stellen sich bei Finanzierung über Kredit auch als Verleiten zur Aktienspekulation dar (BGH Urteil vom 28.10.1997, Az. XI ZR 260/96.) – Grund genug für eine Rückabwicklung.

 

 

Banker und Anlageberater können selten rechnen

Bei geschlossenen Beteiligungen wird die Rentabilitätsprognose gerne durch die Verwendung des „fiktiven internen Zinsfußes“ optisch weit höher dargestellt, als ein finanzmathematisch korrekter Ausweis es gestatten würde. Nicht anders ist zu erklären, dass im Bereich der Altersvorsorgeberatung nach Erkenntnissen einer Fachjury seit Jahren rund 96% der eingesetzten Software unrichtig rechnet. Besserung ist kaum in Sicht.

 

 

Sachverständige decken fehlerhafte „Musterberechnungen“ auf

Wenn Banker, Makler und Berater nicht bemerken, wie falsch Ratings und Software gestrickt sind, und solche „Tools“ zur sicheren Falschberatung einsetzen, fehlt die Qualifikation – oder man nimmt leichtfertig und gewissenlos die Kundenschädigung in Kauf. Ein Massenphänomen, das Schadensersatz und Rückabwicklung erleichtern. Immer wieder haben Sachverständige vor Gericht die Gelegenheit, dem Berater vorzurechnen, dass bereits bei prospektgemäßem Verlauf von kreditfinanzierten Beteiligungen

(a) von vorne herein keine realistische Gewinnchance für den Anleger bestand – wie beim Optionsgeschäft folgt daraus die Sittenwidrigkeit (BGH Urteil 22.11.2005, Az. XI ZR 76/05), oder

(b) gegenüber besseren Alternativen eine ungünstige Finanzierungsform durch Einsatz einer Lebensversicherung zur Tilgung eines Festkredits am Laufzeitende gewählt wurde (LG Hamburg 322 O 138/97).

Die nicht existierende Gewinnchance betrifft auch oft die Vermittlung von Derivaten, oder den Handel mit nicht existierenden (ausländischen) SLC-Bankgarantien (LG Tübingen, 08.07.1998, Az. 7 O 1996/97).

 

 

Vorständen und freien Vermittlern droht Entzug der Zulassung

Im Vertrieb nimmt man derartige falsche Versprechen gegenüber Kunden gerne in Kauf, und begibt sich damit auf den Weg zur vorsätzlichen sittenwidrigen Anlegerschädigung. Der Bundesgerichtshof nimmt daher die Berater zunehmend persönlich in die Haftung. Daneben kommt bei Renditetäuschungen durch Handelsvertreter eine Haftung des Produktgebers für Verrichtungsgehilfen in Frage, § 823 BGB (OLG Köln, Urteil vom 05.04.2005, Az. 15 U 153/04). Aber auch Schulungsleiter und Vertriebsvorstände können hier ganz leicht in die persönliche Haftung als „Gehilfen“ kommen, § 830 BGB.

Dies setzt weder eine kommunikative Verständigung mit dem Berater/Vermittler über einen Tatplan noch eine Mitwirkung bei Tatausführung der falschen Beratung voraus. Auch eine Mitverursachung des Taterfolges ist nicht erforderlich – jede bewusste Förderung der sittenwidrigen Schädigung ist vielmehr bereits ausreichend (BGH Urteil vom 26.10.2004, Az. XI ZR 279/03).

 

von Dr. Johannes Fiala und Dipl.-Math. Peter A. Schramm

mit freundlicher Genehmigung von

www.experten.de (veröffentlicht am 22.10.2008)

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Über den Autor

Dr. Johannes Fiala Dr. Johannes Fiala
PhD, MBA, MM

Dr. Johannes Fiala ist seit mehr als 25 Jahren als Jurist und Rechts­anwalt mit eigener Kanzlei in München tätig. Er beschäftigt sich unter anderem intensiv mit den Themen Immobilien­wirtschaft, Finanz­recht sowie Steuer- und Versicherungs­recht. Die zahl­reichen Stationen seines beruf­lichen Werde­gangs ermöglichen es ihm, für seine Mandanten ganz­heitlich beratend und im Streit­fall juristisch tätig zu werden.
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