Drohen Verschlechterungen bei privaten Pflegezusatzversicherungen?

Der Verband der privaten Krankenkassen e.V. (PKV-Verband) hat sich bemüht, die kollektiven Grundsätze und das Produktkonzept der Pflege-Zusatzversicherung einschließlich der rechtlichen Grundlagen zu verstehen. Indes vergeblich, denn die für 2017 umzusetzenden Änderungen bei den Versicherungsbedingungen der privaten Pflege-Zusatzversicherung (PPZ) beruhen auf einem Verstoß gegen die Denkgesetze.

 

Doppelte Verschlechterungen in der Pflege-Zusatzversicherung

 

Im Fahrwasser des PKV-Verbandes, vermutlich auch nur mit halbem Verständnis der wiederum rechtlichen Grundlagen, bewegt sich eine Vereinigung der Aktuare: Denn beide setzen auf die Verschlechterungen in der Gesetzlichen Pflegeversicherung (GPV) eine gleichlaufende Verschlechterung in der privaten Pflege-Zusatzversicherung oben drauf. Statt dass die Finanzierungslücken der GPV wie bisher durch die PPZ geschlossen werden, sind sie nun für alle, die ihre Sinne noch zusammen haben, noch größer geworden.

Ab 2017 gibt es fünf Pflegegrade, welche die bisherigen drei Pflegestufen ablösen. Nur körperlich Pflegebedürftige erhalten dann bei gleicher Beeinträchtigung (bisher in Pflegestufe 1 bis 3) meist mehrere hundert Euro im Monat geringere Pflegeleistungen, sowohl bei ambulanter Pflege wie auch beim Umzug ab 2017 in ein Pflegeheim. Die Mehrzahl der künftig pflegebedürftig Werdenden, die nicht dement sind, erhalten weit weniger Leistungen als ihnen bisher zugestanden hätte, trotz  gleichem zu bezahlenden Pflegeaufwand.

Lediglich wenn bereits einen Pflegestufe bis Jahresende 2016 beantragt oder zugeteilt wurde, gilt ein Bestandsschutz – allerdings nicht sobald sich der Pflegegrad künftig ändert. Damit werden die Verschlechterungen zunächst verdeckt, damit das Ausmaß dieses Makels der Pflegereform nicht sofort offenbar wird.

„Im Umgang mit den pflegebedürftigen Alten hat Gröhe glaubhaft christliches wie soziales Engagement, das er nun für seine Partei reklamieren kann. Deshalb darf bei der Pflegereform im Jahr der Bundestagswahl nichts danebengehen. Entsprechend generalstabsmäßig wurde die Umstellung vorbereitet. Niemand soll in den kommenden Monaten sagen können, er habe weniger als vorher, niemand den Vorwurf erheben, es werde auf Kosten der pflegebedürftigen Alten gespart. Im Gegenteil: Das Motto heißt: Mehr für alle“, schrieb die FAZ am 29. Dezember 2016.

 

Doch es ist eine Lüge!

 

Die Mehrleistungen für die Dementen werden mit Kürzungen für die meisten anderen künftigen Pflegebedürftigen finanziert. Die Statistiken zum Ausmaß der Betroffenen liegen vor – doch werden sie vom Gesundheitsminister Gröhe und dem GKV-Spitzenverband unter Verschluss gehalten. Der PKV-Verband hat sie indes für Kalkulationszwecke erhalten, wodurch sie auszugsweise auch schon auf Vorträgen zu sehen waren. Wegen Gröhes Verbot, sie zu veröffentlichen, gibt es dazu aber kein Papier – der PKV-Verband schreibt schlicht, Gröhe habe ihm verboten, die Zahlen weiter zu geben.

Damit spielt man politischen Gegnern in die Hände, die Lügen der Politik für sich nutzen – zumindest die wirklich schlecht gemachten. Mit solcher Generalstabsarbeit hätte Napoleons Russlandfeldzug schon beim Rheinübergang geendet. Im Verteidigungsministerium wüsste man jetzt wenigstens, für was man eine Dienstpistole hat – im Gesundheitsministerium ist man mehr um die Gesundheit bemüht.

Wer z.B eine Pflegetagegeldversicherung (PTV) abgeschlossen hat, um solange er noch bei Sinnen ist anständig gepflegt zu werden, und nicht um den Staat zu entlasten, wenn er eh alles gleich wieder vergisst, der erhält nun weniger Leistungen schon in der gesetzlichen Pflegeversicherung. Mit Demenz würde er bei gleicher körperlicher Pflegebedürftigkeit (in Minuten) im höheren Grad eingestuft als ohne Demenz In der PTV nach Pflegegraden soll nach dem Willen des Gesetzgebers kollektiv der etwa gleiche Leistungsumfang herauskommen wie bisher nach Stufen kalkuliert. Umgesetzt wird dies von den privaten Krankenversicherungen, indem der geringere Grad (ohne Demenz) weniger, der höhere Grad (mit Demenz) aber mehr Pflegetagegeld erhält, als die gleiche Person bisher nach ihrer Pflegestufe bekommen hätte.

Nach ersten Informationen haben die Versicherer dies teils schon umgesetzt und den Kunden Anpassungen in teils geringer Höhe (bis um die 5 %) geschickt, die nur dadurch erreichbar waren, dass die Leistungszusage bei den Pflegefällen ohne Demenz sinkt.

 

Keine Wahrung der Belange aller Versicherten

 

Die Deutsche Akutarvereinigung (DAV) meint, es sei „gegebenenfalls auch eine Schlechterstellung einzelner Versicherter hinzunehmen“. Außerdem meint die DAV: “Bei der Anpassung der Leistungsstufen wird zusätzlich zu berücksichtigen sein, dass nach der gesetzlichen Wertung (und auch der praktischen Erfahrung) der Versorgungsbedarf mit zunehmender Pflegebedürftigkeit steigt. Es wäre daher mit den Interessen der Versicherten nicht zu vereinbaren, wenn bei der Umrechnung auf Pflegegrade bei höheren Pflegegraden niedrigere Pflegetagegelder gewährt würden. Das Pflegetagegeld wird daher mit zunehmender Pflegebedürftigkeit bis zur Vorleistung in Pflegegrad V (100 %) steigen müssen“ Doch dies ist ein Fehlschluss.

 

Fehlschluß der PKV-Aktuare

 

Denn bisher nach Stufen war in den Pflegetagegeldtarifen eine Zunahme der Leistungen vorgesehen. Bei stationärer Pflege stiegen auch die Leistungen der Pflichtpflegeversicherung mit der Pflegestufe, doch war die Finanzierungslücke zum tatsächlichen Bedarf bei höherer Stufe dennoch größer. Daher waren auch die Pflegetagegeldtarife gestaffelt, um diese Lücke bedarfsgerechter zu füllen. Jetzt aber nach Graden hat jeder stationär Gepflegte genau die gleiche Lücke in Euro (gleichsam gleich hoch kalkulierter Eigenanteil), in allen Pflegegraden. Diese nimmt in den niedrigeren Pflegegraden sogar zu (was gewollt ist, um diese Pflegebedürftigen in der häuslichen Pflege zu halten).

Eine Staffel in den Pflegetagegeldtarifen ist dann nicht mehr gerechtfertigt, da sie die Lücke in den höheren Graden weit mehr als bisher schließt, in den niedrigeren aber die – gestiegene – Lücke noch vergrößert.

Dies gilt analog auch in der ambulanten Pflege, denn wenn die Pflichtpflegeversicherung hier jetzt auch gerechter (bedarfsgerechter) nach Graden einstuft und gestaffelt leistet, wird auch hier der bisherige Anstieg der Lücke mit zunehmender Schwere der Pflegebedürftigkeit gegenüber bisher abgemildert.

Da aber die Pflegetagegeldtarife wie auch Pflegebahr gerade auf die Füllung dieser Lücke abstellen (so wurden sie ja beworben), ist es keinesfalls wie von der DAV unterstellt angemessen, ebenso bei höherem Grad wie bisher bei höherer Stufe mehr zu leisten. Die DAV sagt, dass  “der Versorgungsbedarf mit zunehmender Pflegebedürftigkeit steigt”.  Es kommt aber bei einer Ergänzungsversicherung nicht auf den Versorgungsbedarf insgesamt an, sondern auf die Lücke, die nach der nun versorgungsbedarfsgerechteren Änderung der Pflichtpflegeversicherung noch verbleibt.

 

Bedingungsänderungen und Beitragsanpassungen unwirksam?

 

Ggf. halten also erfolgte – aber unangemessene – Bedingungsänderungen einer gerichtlichen Überprüfung nicht stand. Eine zusätzliche Beitragsanpassung infolge durchschnittlicher Mehrleistungen infolge der Umstellung auf Pflegegrade war in diesem Zusammenhang gesetzlich gar nicht erlaubt. Merkliche Beitragserhöhungen sind also nur zulässig, wenn die strengen Voraussetzungen für eine Beitragsanpassung vorlagen. Mancher PKV-Versicherer mag riskieren, dass die Anpassungen von Beiträgen und Bedingungen für 2017 später gerichtlich als unwirksam festgestellt werden.

 

von Dr. Johannes Fiala und Dipl.-Math. Peter A. Schramm

 

mit freundlicher Genehmigung von

www.procontra-online.de (veröffentlicht am 09.01.2017)

 

Link: http://www.procontra-online.de/artikel/date/2017/01/drohen-verschlechterungen-bei-privaten-pflegezusatzversicherungen/

http://www.procontra-online.de/artikel/date/2017/01/drohen-verschlechterungen-bei-privaten-pflegezusatzversicherungen/?tx_news_pi1%5BcurrentPage%5D=1&cHash=0fea8db620a612e27da5a04ec8aed5ef

http://www.procontra-online.de/artikel/date/2017/01/drohen-verschlechterungen-bei-privaten-pflegezusatzversicherungen/?tx_news_pi1%5BcurrentPage%5D=2&cHash=1e83ac7fd03e4eb4792bf5ff1b31c32d

 

 

 

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Über den Autor

Dr. Johannes Fiala Dr. Johannes Fiala
PhD, MBA, MM

Dr. Johannes Fiala ist seit mehr als 25 Jahren als Jurist und Rechts­anwalt mit eigener Kanzlei in München tätig. Er beschäftigt sich unter anderem intensiv mit den Themen Immobilien­wirtschaft, Finanz­recht sowie Steuer- und Versicherungs­recht. Die zahl­reichen Stationen seines beruf­lichen Werde­gangs ermöglichen es ihm, für seine Mandanten ganz­heitlich beratend und im Streit­fall juristisch tätig zu werden.
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