Einwände der Versicherungswirtschaft – Urteil des LAG München (Gezillmerte Tarife bei Entgeltumwandlung)

    In seinem Urteil vom 15.03.2007 entschied das Landesarbeitsgericht (LAG)
    München, dass gezillmerte Tarife im Rahmen der arbeitnehmerfinanzierten
    betrieblichen Altersversorgung unzulässig und entsprechende
    Entgeltumwandlungsvereinbarungen unwirksam sind. Das LAG begründete
    seine Entscheidung zum einen mit in dem Betriebsrentengesetz (BetrAVG)
    enthaltenen Gebot der Wertgleichheit (§ 1 Abs. 2 Nr. 3 BetrAVG). Die
    Zillmerung bei Entgeltumwandlung stelle ferner einen Verstoß gegen das
    Verbot unangemessener Benachteiligung (§ 307 BGB) sowie den
    Grundgedanken der Portabilität (§ 4 BetrAVG) dar. Gezillmerte Tarife bei der
    arbeitnehmerfinanzierten bAV stehen zudem nicht im Einklang mit den
    Grundsätzen der neueren Rechtsprechung des BGH und des BVerfG, wonach
    die Abschlusskosten verhältnismäßig und die Zielsetzung einer
    Vermögensbildung nicht vereiteln dürfen.
    Die Versicherungswirtschaft wendet hiergegen ein, mit gezillmerten Tarifen
    erreiche man höhere Ablaufleistungen und bei hinreichender Aufklärung des
    Arbeitnehmers liege eine privatautonome, freiwillige (Individual-)Abrede vor, so
    dass auch die §§ 307 ff. BGB nicht greifen würden. Zudem hätte der BGH in
    der von dem LAG herangezogenen Entscheidung festgestellt, dass das
    Zillmerverfahren grundsätzlich keine unangemessene Benachteiligung im
    Sinne des § 307 BGB darstelle. Ferner sei zu berücksichtigen, dass der
    Gesetzgeber im Rahmen der anstehenden Novellierung des VVG selbst von
    der Zulässigkeit einer Verrechnung von Abschlusskosten ausgehe.
    Diese gegen die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts München
    vorgebrachten Argumente überzeugen indes nicht. Das gesetzliche Gebot der
    Wertgleichheit kann nicht mit der Begründung einer angeblich höheren
    Ablaufleistung bei gezillmerten Verträgen umgangen werden, zumal hierdurch
    die von dem Betriebsrentengesetz geforderte Portabilität und damit Flexibilität
    für die Arbeitnehmer, die durchschnittlich nur knappe fünf Jahre für einen
    Arbeitgeber tätig sind, nicht erreicht werden würde.
    Auch ein ausdrücklicher Hinweis auf die Zillmerung führt ferner nicht dazu,
    dass eine allgemeine Geschäftsbedingung zur Individualabrede wird.
    Gesetzliche Vorschriften können nicht privatautonom abbedungen werden –
    sofern angesichts der Intransparenz der Produkte hier überhaupt eine
    Grundlage für freiwillige privatautonome Entscheidung gegeben ist. Das
    Wertgleichheitsgebot stellt gerade eine der Besonderheiten des Arbeitsrechts
    dar, die nach § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB bei der Bestimmung der Wirksamkeit
    einer AGB-Klausel zu beachten sind. Dies lässt der GDV bei seiner
    Stellungnahme zu der Entscheidung außer Acht.
    In den von dem BGH entschiedenen Fällen ging es um
    Lebensversicherungsverträge ohne Bezug zur (arbeitnehmerfinanzierten) bAV.
    Der BGH stellte fest, dass Versicherungsnehmern bei vorzeitiger
    Vertragsbeendigung ein bestimmter Mindestrückkaufwert (knapp die Hälfte
    der eingezahlten Beiträge) zustehen muss, wenn die
    Abschlusskostenverrechnungsklausel intransparent und damit unwirksam war.
    Der BGH erkannte nämlich, dass man einem Versicherten im Kollektiv weniger
    zahlen muss, wenn man einem anderen mehr zuspricht, weil insgesamt nicht
    mehr Geld vorhanden ist – daher musste ein Kompromiss gefunden werden.
    Im Arbeitsrecht braucht man solche Kompromisse nicht.
    Die Abschlusskosten müssen laut BGH verhältnismäßig sein und das Ziel
    einer Vermögensbildung darf nicht vereitelt werden. Diese Rechtsprechung
    wurde von dem BVerfG bestätigt. Erst recht müssen die diesen
    Entscheidungen zugrundeliegenden Gesichtspunkte gelten, wenn der
    Arbeitgeber dem Arbeitnehmer zustehendes Entgelt in eine Anwartschaft auf
    bAV umwandelt. Im Rahmen des hierbei durch den Arbeitgeber mit dem
    Produktgeber geschlossenen Vertrags zugunsten Dritter hat daher die Wahl
    eines gezillmerten Vertrages zu unterbleiben, da das Ziel einer
    Vermögensbildung zur Altersversorgung bei einer vorzeitigen Beendigung des
    Arbeitsverhältnisses (zur Erinnerung: die durchschnittliche Dauer liegt bei
    nicht einmal fünf Jahren!) dadurch unmöglich wird, wie der von dem LAG
    entschiedene Fall (6.230 Euro an Beiträgen einbezahlt, nach drei Jahren
    betrug der Rückkaufwert der Rückdeckungsversicherung lediglich 639 Euro)
    zeigte. Angesichts solcher Fallkonstellationen aufgrund gezillmerter Tarife von
    Wertgleichheit zu sprechen, wie es der GDV in seiner Stellungnahme
    unternimmt, ist daher wenig überzeugend und zeugt von mangelnder
    Auseinandersetzung mit den von dem LAG München vorgebrachten Gründen
    für die Unwirksamkeit der Zillmerung bei der Entgeltumwandlung.
    Auch aus der grundsätzlichen Zulässigkeit zillmerähnlicher (eine Zillmerung
    i.e.S. erlaubt das Versicherungsvertragsrecht nämlich nach der gegenwärtig
    anstehenden VVG-Reform gerade nicht mehr)
    Abschlusskostenverrechnungsmethoden – z. B. über fünf Jahre – nach dem
    VVG kann nicht auf die Wirksamkeit entsprechender Regelungen im Rahmen
    der arbeitnehmerfinanzierten bAV geschlossen werden. Auch hier übersieht
    die Versicherungswirtschaft das Gebot der Wertgleichheit als im Arbeitsrecht
    insoweit vorrangiges lex specialis.
    Es ist daher entgegen der Auffassung des GDV keinesfalls davon
    auszugehen, dass das BAG, sollte es zu einer Revision durch den beklagten
    Arbeitgeber kommen, das Urteil des LAG München abändert. Gründe hieran
    Zweifel zu haben, ergeben sich bereits daraus, dass sich die Entscheidung in
    wesentlichen Punkten auf die Ansichten des Vorsitzenden Richters am BAG,
    Dr. Gerhard Reinecke, stützt.

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    Über den Autor

    Portrait Dr. Fiala
    Dr. Johannes Fiala PhD, MBA, MM

    Dr. Johannes Fiala ist seit mehr als 25 Jahren als Jurist und Rechts­anwalt mit eigener Kanzlei in München tätig. Er beschäftigt sich unter anderem intensiv mit den Themen Immobilien­wirtschaft, Finanz­recht sowie Steuer- und Versicherungs­recht. Die zahl­reichen Stationen seines beruf­lichen Werde­gangs ermöglichen es ihm, für seine Mandanten ganz­heitlich beratend und im Streit­fall juristisch tätig zu werden.
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