Existenzbedrohende Konsequenzen

Wer hofft, dass die Verletzung von Beratungs- und Dokumentationspflichten ab dem 22. Mai 2007 lediglich ein Bußgeld nach sich ziehen kann, täuscht sich. Dies gilt bestenfalls bei Verletzungen von Informationspflichten. Wenn es jedoch um Beratungs- und Dokumentationspflichten geht, kann faktisch der Entzug einer Zulassung drohen.
Spätestens ab dem 22. Mai 2007 hat jeder Vermittler die Dokumentation seiner Beratung dem Versicherungsnehmer vor dem Vertragsabschluss zumindest in Textform zu überlassen. Kommt es zu wiederholten begründeten Beschwerden bei der IHK als Zulassungsbehörde oder zu Pflichtmeldungen des eigenen Versicherers bei der IHK über wiederholte Kundenbeschwerden beim Versicherer (vergleiche Paragrafen 80 a, 34 d I GewO) wegen mangelhafter oder gar fehlender Beratungsdokumentation, so ist die Frage der Zuverlässigkeit berührt. Diese ist ein Kriterium für seine Zulassung – und damit auch für den Entzug. Die Entzugsmaßnahmen der IHK müssen zwar verhältnismäßig sein. Im Streitfall kann der Weg durch die Instanzen zum Erhalt der Zulassung mühsam, zeitraubend und kostspielig sein. Allein diese Aussicht dürfte hinreichend abschreckend wirken. Eine weitere Möglichkeit, die Zulassung zu verlieren, ist der Vermögensverfall. Die Wiedererteilung der Zulassung kann Jahre dauern – selbst wenn eine überschuldung sich durch ein privates Insolvenzverfahren auf dem guten Wege zur Restschuldbefreiung befindet. Die Möglichkeiten – trotz Pflichtversicherung – in Vermögensverfall zu geraten, sind vielfältig. Fehler im Bereich von Beratungs- und Dokumentationspflichten können dabei eine geradezu durchschlagende Wirkung besitzen, bis hin zur Existenzvernichtung. Eine unzulängliche Beratung ist allein schon schlecht. Doch eine gute Dokumentation macht eine schlechte Beratung nicht besser – im Gegenteil! Es kann sein, dass der Kunde damit „den besten Beweis für den Beratungsfehler“ gleich schriftlich in die Hände bekommt. Ein Beispiel wäre die gut dokumentierte Vermittlung eines Rürup-Vertrages für die Ehefrau, bei dem die Anrechnung der Rürup-Rente im Falle der großen Witwenrente (neuer Art) völlig unberücksichtigt blieb. Noch häufiger ist die bAV-Beratung von Arbeitnehmern – ohne zuvorige Beratung des Arbeitgebers und/oder ohne dessen Auftrag. Wird der Arbeitnehmer dann gebeten, seinen Chef „mal eben alle Unterlagen abzeichnen zu lassen“, so hat der eigentliche Versicherungsnehmer (Arbeitgeber) gar nicht das Bewusstsein, ein betriebliches Versorgungswerk eingerichtet zu haben. Die Beratung „der richtigen Person“ ist völlig unterblieben. Wird der Vermittler erst im Schadensfall feststellen, dass in diesem Falle weder die Freistellung seines Produktgebers greift noch die eigene Vermögensschadenhaftpflicht (VSH) eine Deckung bietet – und dass er den Schaden selbst tragen muss?
Schadenersatz aus eigener Tasche
Bereits das Fehlen einer ausreichenden Dokumentation kann als „wissentlicher Pflichtverstoß“ im VSH-Bedingungswerk dazu führen, dass die Deckung verweigert wird. In die gleiche Kategorie fallen Renditeangaben, Prognosen, Garantien, das Abweichen vom Kundenauftrag, das Ignorieren gesetzlicher Gebote und Verbote oder Normen. Ein Schmankerl ist die IRRMethode: ein sicherer Weg, wenn die Anlage nicht läuft, den Kapitalanlagebetrug nach § 264a StGB – ohne VSH-Deckung – näher zu erkunden. Häufig fällt eine Freistellung des Produktgebers mit Ende der Agententätigkeit weg. Der Vermittler, der dies erst bemerkt, wenn „nach Jahren die bAV-Tretmine hochgegangen ist“, hat meist den Schaden aus der eigenen Tasche zu zahlen. ähnlich liegt der Fall, wenn die Nachhaftung beim Gesellschafterwechsel oder in der eigenen Erbfallgestaltung übersehen wurde: Schon manche Witwe landete beim Sozialamt, weil ein Gläubiger ihr die wirtschaftliche Grundlage der Altersversorgung weggepfändet hatte. Für den Vermittler wird auch ein eigenes Archiv überlebenswichtig – nicht zuletzt in Richtung seiner eigenen Produktlieferanten. Im Haftungsfall kann es wichtig werden, ob er vom Produktgeber falsch (zum Beispiel lückenhaft) geschult wurde (Anleitungsverschulden) oder ob die zur Verfügung gestellte Beratungssoftware überhaupt geeignet war. Besser noch ist, deren Eignung früh zu prüfen – und nicht erst im Schadensfall, wenn die Software meist nicht mehr aufrufbar oder auffindbar ist.
Vermeidung von Haftungsfällen primäres Ziel
Doch nicht die Schadensminderung muss das primäre Ziel sein, sondern vielmehr die Vermeidung von Haftungsfällen. Die Frage, was es „kostet“, wenn ein Fehler passiert, ist zweitrangig und gehört in den Bereich der eigenen Risikovorsorge. Entscheidend ist zunächst, dass der eigene Beratungs- und Dokumentationsprozess konsequent rechtssicher umgesetzt wird. Es wäre ein Irrtum zu glauben, dass dies erst ab dem 22. Mai 2007 ein Thema ist.
Dr. Johannes Fiala, Rechtsanwalt und geprüfter Finanz- und Anlageberater in München
(Versicherungsmagazin 4/2007, 56)
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Über den Autor

Dr. Johannes Fiala Dr. Johannes Fiala
PhD, MBA, MM

Dr. Johannes Fiala ist seit mehr als 25 Jahren als Jurist und Rechts­anwalt mit eigener Kanzlei in München tätig. Er beschäftigt sich unter anderem intensiv mit den Themen Immobilien­wirtschaft, Finanz­recht sowie Steuer- und Versicherungs­recht. Die zahl­reichen Stationen seines beruf­lichen Werde­gangs ermöglichen es ihm, für seine Mandanten ganz­heitlich beratend und im Streit­fall juristisch tätig zu werden.
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