Garantien bei Briten meist erst zum Ablauf

 

Britische with-profits-Policen sehen geringere Garantien vor als die von deutschen Lebensversicherern angebotenen Kapitallebensversicherungen. Diese Garantien gehen zudem auf den planmäßigen Ablauftermin und gelten daher meist nicht bei vorzeitiger Kündigung oder Teilkündigung, zu Unrecht.

 

Britische Lebensversicherer investieren hauptsächlich in Aktien, in der Vergangenheit mit einem Anteil von 50 bis 70 Prozent durchschnittlich rund fünfmal so viel wie deutsche Lebensversicherer. Im Mittelpunkt steht das Erreichen einer hohen Rendite, wofür man auch ein höheres Risiko in Kauf nimmt. Um das höhere Kapitalanlage-Risiko für den Kunden abzufedern, wenden die britischen Versicherer ein Glättungsverfahren an. Im Rahmen des so genannten „Smoothing“ sollen dabei Rücklagen für schlechtere Jahre gebildet werden. So geben die Unternehmen während einer Hausse die Kursgewinne nicht vollständig an die Kunden weiter, um einen Puffer für Krisenzeiten aufzubauen.

Das Sicherheitskapital besteht zu einem Großteil aus den bereits erwirtschafteten Mitteln, die noch nicht endgültig garantiert an den Kunden weitergegeben wurden. Bei vorzeitigem Verkauf der Anteile gelten diese Garantien jedoch grundsätzlich gar nicht bzw. nur sehr eingeschränkt.

Dann gehen die auf den Ablauftermin gegebenen Garantien völlig verloren, denn beim Verkauf wird der Policenwert durch Marktpreisanpassungen an den tatsächlichen Wert der zugrunde liegenden Wertpapiere angepasst. Dessen Berechnung empfinden viele Kunden als nicht nachvollziehbar, willkürlich oder unfair. Anwendung britischer Methoden verstößt gegen deutsches Recht Ein gängiger Irrtum bei Vermittlern und Versicherungskunden ist die Meinung, britische Versicherer könnten nach dem zumeist unbekannten britischen Recht „abrechnen was und wie sie wollten“. Richtig ist hingegen, dass das deutsche Versicherungsvertragsrecht (VVG) anzuwenden ist. Doch das von den Briten praktizierte Verfahren entspricht nicht deutschem Recht, das einen ganz anders zu berechnenden so genannten „Zeitwert“ (ggf. abzüglich angemessener und vereinbarter versicherungsmathematischer Stornoabzüge) als Mindestrückkaufswert vorschreibt.

 

 

Britische Methoden weichen von Zeitwert-Berechnung ab

 

Bei den in Deutschland vertriebenen britischen so genannten „with profits“-Policen ist in aller Regel deutsches Recht vereinbart. Damit unterliegen diese Policen dem deutschen Versicherungsvertragsrecht.

Dieses sah nun seit 1995 bis 2007 in § 176 VVG vor, dass der Versicherer bei Kündigung einer Kapitallebensversicherung den Rückkaufswert zu erstatten hat, der „nach den anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik … als Zeitwert der Versicherung zu berechnen“ ist. Der Zeitwert einer Police ist nicht einfach der von den Briten per Marktpreisanpassung letztlich aus dem Wert der unterlegten Kapitalanlagen ermittelte „Rückkaufswert“ des Vertrags. Weil die Leistungen und auch die Dauer der Zahlung der Beiträge vom Eintritt bestimmter Ereignisse abhängen (Tod oder Erleben des Ablaufs) und auf den Zeitpunkt des Rückkaufs zu diskontieren ist, kommen übliche versicherungsmathematische Methoden und Berechnungsgrundlagen ins Spiel.

 

Zum Ablauf sehen die britischen Policen bestimmte Garantien vor, dazu kommen künftige laufende Überschüsse und der zu erwartende „geglättete“ Fälligkeitsbonus. Nicht nur die erreichten Mindestgarantien, sondern alles das, was realistischerweise beim Ablauf zu erwarten ist, muss auch in den gesetzlichen Zeitwert eingehen – so wie bei den deutschen Policen auch ein nicht garantierter Schlussüberschuss mit in den Zeitwert eingeht.

 

Beispiel: In einer beitragsfreien britischen Police sind ein Jahr vor Ablauf bereits 148 000 Euro zum Ablauftermin garantiert. Dazu kommen 2 000 Euro laufende Überschüsse und ein durch Smoothing geglätteter Fälligkeitsbonus von derzeit zu erwartenden 50 000 Euro, der aber noch nicht garantiert ist. Zusammen sind dies 200 000 Euro. Wegen einer Börsenschwäche werden jedoch – auch per Marktpreisanpassungen – bei Kündigung ein Jahr vor Ablauf nur 140 000 Euro ausgezahlt – Garantien zum Ablauf greifen ja dann nicht. Doch selbst wenn beim Zeitwert die zu erwartenden 200 000 Euro wegen der verbleibenden Unsicherheiten mit 7 Prozent auf den Kündigungstermin diskontiert würden, müssten mindestens fast 187 000 Euro ausgezahlt werden.

 

 

Kunden steht Zeitwert ihrer Versicherung zu

 

Nach deutschem Recht hat der Kunde also Anspruch auf den tatsächlichen fairen „Zeitwert“ seines Vertrags, der infolge der Garantien zum Ablauf auch bereits ein Jahr vor Ablauf deutlich über dem liegt, was der britische Versicherer aufgrund der derzeitigen schwachen Kapitalmarktlage berechnet hat. Der Kunde hat also – falls noch nicht verjährt – einen entsprechenden Nachforderungsanspruch. Abweichende Berechnungen der Briten entsprechen nicht deutschem Recht – der Kunde hat Anspruch auf den vollen Marktwert (Zeitwert) seiner Police. Marktabhängig ist dabei vor allem der Diskontierungszins, mit dem der Zeitwert aus den insbesondere bei Ablauf zu erwartenden Leistungen berechnet wird, und der von der Kapitalmarktsituation abhängt.

Auch wenn die Briten dies nicht beherzigt haben sollten – am gesetzlichen Mindestrückkaufswert – also vollen Zeitwert – kommen sie nach dem Mitte 1994 bis 2007 geltenden deutschen Versicherungsvertragsrecht nicht vorbei.

Der Zeitwert bestimmt sich ausschließlich aufgrund der Ansprüche und Verpflichtungen des Versicherungsnehmers gegenüber dem Versicherer, gleichgültig, was intern im Versicherer abläuft.

Dabei ist die gesamte Wirkung auch der künftigen Überschussbeteiligung einschl. Fälligkeitsbonus, der Garantien zum Ablauf und jeder anderen versprochenen Leistung zu berücksichtigen.

Kunden, die sich durch die von britischen Versicherern berechneten Rückkaufswerte unfair behandelt fühlen, sollten daher den Versicherer zunächst zu einer gesetzeskonformen Neuberechnung der Leistung als Zeitwert auffordern.

Begründungen von britischen Versicherern, dass der Wert der Kapitalanlagen gesunken sei und deshalb Marktpreisanpassungen vorzunehmen seien, liegen völlig neben deutschem Recht und sind daher unerheblich, wenn dies zu geringeren Leistungen als dem gesetzlichen Zeitwert führt.

 

 

 

Von Dr. Johannes Fiala, Dipl.-Math. Peter Schramm, Dipl.-Jur. Univ. Thomas Keppel

 

Veröffentlich in Versicherungsvertrieb 04/2008, Seite 34

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Über den Autor

Dr. Johannes Fiala Dr. Johannes Fiala
PhD, MBA, MM

Dr. Johannes Fiala ist seit mehr als 25 Jahren als Jurist und Rechts­anwalt mit eigener Kanzlei in München tätig. Er beschäftigt sich unter anderem intensiv mit den Themen Immobilien­wirtschaft, Finanz­recht sowie Steuer- und Versicherungs­recht. Die zahl­reichen Stationen seines beruf­lichen Werde­gangs ermöglichen es ihm, für seine Mandanten ganz­heitlich beratend und im Streit­fall juristisch tätig zu werden.
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