Gesetzgeber schränkt Pflichten ein

Das Finanzmarktstabilisierungsgesetz (FMSTG) beseitigt die Eigenkapitalanforderung. Denn für alle Unternehmen in Deutschland hat der Gesetzgeber jetzt die Pflicht zum Insolvenzantrag eingeschränkt. Was das für die Praxis bedeutet.

Die Finanzmarktkrise ist für alle Unternehmen ein fundamentaler Einschnitt. Viele Firmen wurden bereits in die Insolvenz getrieben. Noch viel mehr Unternehmen steht diese Entwicklung bevor. Der Gesetzgeber hat gehandelt. Salopp formuliert können Unternehmen, die eigentlich längst pleite sind, beruhigt weiterwirtschaften – bis sie den Zustand der Zahlungsunfähigkeit erreicht haben.

Die maßgebliche gesetzliche Vorschrift ist § 19 II der Insolvenzordnung (InsO), die nunmehr so lautet:

„Überschuldung liegt vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn, die Fortführung des Unternehmens ist nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich.“

Danach wäre sogar das Schneeballsystem eines Bernard Madoff fast noch ein solides Unternehmen gewesen, solange er wahrscheinlich noch genug neue Anleger gefunden hätte, mit deren Geld er die alten auszahlen konnte. Die Änderung der Insolvenzordnung bedeutet zunächst einmal, dass jeder Geschäftsleiter einer Kapitalgesellschaft, dessen Unternehmen in den Zustand der überschuldung geraten ist, nicht mehr fürchten muss wegen versäumter Frist zur Insolvenzanmeldung bestraft zu werden oder mit seinem Privatvermögen zu haften. Wichtigste Voraussetzung dafür ist allerdings, dass ein unabhängiger Steuerberater bzw. Wirtschaftsprüfer eine positive Prognose für die Unternehmensfortführung tunlichst schriftlich attestiert hat.

Daneben ist es ratsam, die Sanierung einzuleiten und eine juristische Begleitung sicherzustellen. Es kann nämlich beim Abschluss neuer Verträge durchaus zu Straftaten kommen, etwa einer betrügerischen Täuschung über die Zahlungsfähigkeit in der Zukunft.

 

Bedeutung für den Mittelstand

Für Unternehmer bzw. Geschäftsleiter bietet sich somit eine Option, auch noch nach Eintritt der Überschuldung das eigene Geschäftsmodell zu überprüfen, unrentable Tätigkeiten einzustellen und durch weitere Sanierungsmaßnahmen der Überschuldung entgegenzuwirken. Der Staat bekommt auch von überschuldeten Unternehmen weiterhin Steuerzahlungen – im Nachteil sind, sofern es später doch noch zur Pleite kommt, jene Gläubiger, deren Forderungen nicht durch Kreditsicherheiten unterlegt worden sind. Die Folge: Kein Geschäftspartner kann sich mehr darauf verlassen, dass er es mit einem solventen und bonitätsstarken Unternehmen zu tun hat. Das Misstrauen in der Wirtschaft nimmt zu. Lieferantenkredite werden tendenziell eingeschränkt. Banken sind mit der Ausreichung von neuen Kreditmitteln zurückhaltender. Durch die zunehmende Intransparenz hat die Politik genau das Gegenteil dessen erreicht, was sie angeblich anstrebt: erleichterte Kreditvergabe und Vertrauen der Marktteilnehmer. Daneben hat der Gesetzgeber nicht einmal bei seinen „Rettungspaketen“ sichergestellt, dass die Finanzhäuser über ein wirksames Risikomanagement – auch zur Sanierung – verfügen. Dabei stehen die Pflichten dazu bereits seit 1998 im Gesetzbuch. Banken und Versicherungen haben im engen Sinne keine Insolvenzantragspflicht. Sie müssen ihre Insolvenzreife lediglich der Finanzaufsicht anzeigen. Diese entscheidet dann, ob sie einen Insolvenzantrag stellen will. Nach den neuen Regelungen hätte die am Ende von der Branchenlösung Protektor aufgefangene Mannheimer Lebensversicherung vermutlich noch als solide gegolten.

 

Reale Verluste

Zusätzlich hat der Gesetzgeber seit 2002 und 2008 Regelungen eingeführt, damit Finanzhäuser ihre „realen“ Verluste durch Gift-Papiere bzw. Börsen-Casino-Wetten nicht in den Bilanzen auszuweisen haben. Zahlreiche Finanzhäuser, auch im deutschsprachigen Raum, wissen noch gar nicht, wie groß ihre Risiken und Verluste sind. Aus der Sicht von Bank- und Versicherungskunden kommt es darauf an, sich von den weniger solventen Finanzhäusern rechtzeitig zu trennen. Auch langfristige sowie an und für sich sogar unkündbare Verträge können Kunden gegebenenfalls fristlos beenden. Wo früher wegen der Insolvenz ein Zahlungsverbot bestanden hätte, kann der Kunde heute vielleicht auf ein nun „zahlungsfähiges“ Unternehmen treffen und sein Geld noch abziehen. Die Versicherer sind jedoch nicht wehrlos: Wenn zu viele Kunden kündigen, können sie die Rückkaufswerte weiter reduzieren und so an den Marktwert ihrer Kapitalanlagen angleichen und die Kunden von Kündigungen abschrecken. Die Aktuare der Deutschen Aktuarsvereinigung (DAV) erarbeiten derzeit einen konkreten Hinweis, wie die Rückkaufswerte zusätzlich gekürzt werden können. Gesetzlich ist dies nach § 169 (6) VVG – und ohnehin auch schon gemäß der für Altverträge geltenden Regelung über den Zeitwert – möglich. Der Wert von Lebensversicherungen als Kreditsicherheiten wird dadurch allerdings auch fraglich.

 

von Dr. Johannes Fiala und Dipl.-Math. Peter A. Schramm

mit freundlicher Genehmigung von

www.performance-online.de (veröffentlicht in Performance 03/2009, Seite 86-87)

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Über den Autor

Dr. Johannes Fiala Dr. Johannes Fiala
PhD, MBA, MM

Dr. Johannes Fiala ist seit mehr als 25 Jahren als Jurist und Rechts­anwalt mit eigener Kanzlei in München tätig. Er beschäftigt sich unter anderem intensiv mit den Themen Immobilien­wirtschaft, Finanz­recht sowie Steuer- und Versicherungs­recht. Die zahl­reichen Stationen seines beruf­lichen Werde­gangs ermöglichen es ihm, für seine Mandanten ganz­heitlich beratend und im Streit­fall juristisch tätig zu werden.
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