Gestaltung und Alternativen zur Gruppenversicherung auch ohne Vermittlerzulassung

Wenn Anbieter von Gruppenversicherungsverträgen, wie etwa Vereine und Firmen, ein eigenes monetäres Interesse mit ihrem Angebot verfolgen, bedürfen sie gegebenenfalls der Registrierung als Versicherungsvermittler. Wie Gruppenversicherungen gestaltet und gegebenenfalls Alternativen geschaffen werden können, auch wenn die Vermittlerzulassung nach § 34 GeWo fehlt.

 

Versicherungsunternehmen als Vermittler

Der Bundesgerichtshof (BGH) entschied durch Urteil vom 15.12.2022 (Az. I ZR 8/19): „Ein Unternehmen, das als Versicherungsnehmer eine Auslandsreisekrankenversicherung sowie eine Auslands- und Inlands-Rückholkosten-Versicherung als Gruppenversicherung für seine Kunden bei einem Versicherungsunternehmen unterhält und gegenüber Verbrauchern Mitgliedschaften vertreibt, die zur Inanspruchnahme der Versicherungsleistungen im Fall einer Erkrankung oder eines Unfalls im Ausland berechtigen, und das von den geworbenen Mitgliedern eine Vergütung für den erworbenen Versicherungsschutz erhält, ist Versicherungsvermittler im Sinne von § 34d Abs. 1 Satz 1 GewO und bedarf deshalb der Erlaubnis der zuständigen Industrie- und Handelskammer.“.

Demnach stellt die Werbung für freiwilligen Beitritt ihrer eigenen Kunden (als versicherte Person, VP) gegen eine an sie (als Versicherungsnehmerin, VN) erfolgende Vergütung zu einem Gruppenversicherungsvertrag eine erlaubnispflichtige Versicherungsvermittlung dar (EuGH, Urteil vom 24.02.2022, C-143/20 und C-213/20). In letzter Konsequenz folgen daraus entsprechende Dokumentations- und Beratungspflichten, einschließlich üblicher Vermittlerhaftung.

 

Geschäftsmodelle auf dem Prüfstand

Dies gilt beispielsweise auch für die Vermittlung der Eigenschaft als versicherte Person, etwa wenn Kreditinstitute derart eine Versicherungsdeckung in einer Restschuldversicherung verschaffen.

Arbeitgeber, die den Beitritt zu einer betrieblichen Krankenversicherung (bKV) oder Direktversicherung (DV) vermitteln, könnten wenn nicht privilegiert, auch betroffen sein, außer sie zahlen den Beitrag selbst. Früher gab es an der Garderobe einen Zettel, wonach man mit den 50 Pfennig Garderobengebühr gegen Mantelverlust etc. versichert war – ob dort heute auch eine Vermittlerzulassung benötigt wird?

Die reine Rückdeckungsversicherung einer betrieblichen Pensionszusage wird hingegen nicht darunter fallen. Denn wenn der Versicherungsnehmer (VN) eine eigene Verpflichtung gegenüber der VP nur rückdeckt, fällt dies nicht unter obige Fallgestaltung.

Allerdings wer etwa nicht als Arbeitgeber oder anderer durch ein andres Nebengeschäft (etwa Immobilienkauf gegen – rückgedeckte – Leibrente) ausreichend “privilegiert” ist, wird durch solche Zusage eines Leistungsanspruchs selbst zum Versicherungsunternehmen, und fällt dann als solches unter Versicherungsaufsicht. Und muss wegen ggf. unerlaubtem Versicherungsgeschäft rückabwickeln.

Da hilft allerdings, den Rechtsanspruch gegen sich – als sogenannte Unterstützungskasse (UK) – auszuschließen. Verpfändung bzw. Sicherheitsabtretung der Rückdeckung ginge dann aber auch ins Leere, mangels zu sicherndem Rechtsanspruch gegen die UK. Abtretung der Rückdeckung wiederum wäre keine reine solche mehr, weil ja damit erst der Rechtsanspruch auf die Versicherungsleistung verschafft wird. Womit es wieder “Versicherungsvermittlung” wird.

Die UK, die Leistungen für ungewisse Risiken anbietet, ohne Rechtsanspruch, fällt unter das VersStG – womit keine USt. anfällt. Im steuerlichen Sinn ist sie nämlich Versicherungsunternehmen, denn es soll nicht die VersSt umgangen werden können, indem formal einfach kein Rechtsanspruch eingeräumt wird. Sie wird diese Nummer  auch angeben müssen, auf Beitragsrechnungen, und dazu noch das Übliche bezüglich der USt-Freiheit erklären.

 

Zulässige Vermittlung von Versicherungsschutz für lediglich mitversicherte Personen

Wenn ohnehin ein zugelassener Vermittler die VP für die Gruppenversicherung (GV) anwirbt, besteht kein Handlungsbedarf, außer dass diese ihre Pflichten nun gegenüber der VP genauso wahrnehmen müssen, als wäre er selbst VN.

Nicht betroffen ist, wenn die VP obligatorisch im GV mitversichert sind.

Also etwa jede VP, die “Mitglied” in einem Verein des VN ist. Etwa eine obligatorische Gruppenhaftpflicht für alle im Fahrradclub. Auch wenn sie extra Beitrag an den Verein kostet, neben dem Mitgliedsbeitrag im Verein. Dies hat indes noch nicht jeder derartige Verein in seinen Regularien und Dokumenten entsprechend abgebildet.

Alternativ, wenn der Verein den Beitrag zur Gruppenversicherung selbst trägt, und zwar der Beitritt zur Gruppenversicherung freiwillig ist, aber nichts extra kostet, sondern im Vereinsbeitrag für alle bereits schon enthalten ist, insofern also als Versicherungsdeckung unentgeltlich.

 

Die Unterstützungskasse (UK) als Königsweg?

Es gibt dann noch die Möglichkeit der Unterstützungskasse ohne Rechtsanspruch, die ihre eigenen Absicherungskonzepte anbietet, von jedem freiwillig abschließbar, denen dann aber jeweils eine Rückdeckungsversicherung unterlegt ist (was schon begrifflich keine Gruppenversicherung ist). Es wird dann die UK vermittelt, mit ggf. dem Hinweis auf die von ihr abgeschlossene Rückdeckung. Der Anspruch der UK – als VN der Rückdeckungsversicherung – kann dann durchaus an die VP zediert werden. Allerdings läuft dieses Sicherungsrecht einer Abtretung ins Leere, wenn – wie bei UK üblich – keine zu sichernde Hauptforderung (Rechtsanspruch auf eine Versicherungsleistung der UK) besteht. Dies läßt sich indes gestalten, indem an Leistungszusagen der UK im Einzelfall angeknüpft wird.

Die Zession bzw. Abtretung ist laut einer Äußerung der BaFin indes problematisch, weil durch die Zedierung eines solchen Rechtsanspruchs an den Versicherer (VR) die UK selbst einen Rechtsanspruch bietet und so selbst zum Versicherer würde. Womit sie aber jedenfalls kein Vermittler sein kann, sondern Versicherer, was für sich aber schlimm genug wäre, mit allen damit verbundenen Pflichten. Schließlich müssen Versicherer regelmäßig eine Erlaubnis der BaFin vor Geschäftsaufnahme besitzen – unerlaubtes Versicherungsgeschäft zu betreiben ist keine gute Idee.

 

Abtretung oder Verpfändung

Anstatt mit Versicherungsvermittlern zu arbeiten, könnten auch Rechtsbeistände gleichsam als Ventil-Lösung dienen; beispielsweise Versicherungsberater. Dies mag auch Komplikationen bieten.

Besser jedenfalls keine Zedierung der Rückdeckungsansprüche, sondern nur Werbung damit, dass die UK leistungsfähig ist, trotz Nichteinräumung eines Rechtsanspruch auf ihre Leistung, weil sie diese von der Rückdeckungsversicherung sicher erhält.

Verpfändung der Rückdeckung (analog der bei bAV) geht auch nicht, denn es besteht ja gegen die UK (anders als in der bAV gegen den Arbeitgeber, der damit privilegiert kein Versicherer wird) kein Rechtsanspruch, bei dessen Nichterfüllung die Verpfändung greifen könnte.

Die Rückdeckungsversicherung ist ja auch nicht freiwillig – wer das jeweilige UK-Produkt bei der UK abschließt, und für dieses den Beitrag zahlt, ist dann durch die UK zwangsweise in der Rückdeckung abgesichert. Und die UK erhält deren Leistungen selbst, um daraus ihre eigenen zu erbringen. Im konkreten Leistungsfall kann sie aber einen Direktanspruch an den Versicherer einräumen. Und sie kann sich auch des Versicherers als Dienstleister der UK bedienen, etwa um Leistungen für die UK zu regulieren.

Die Vermittlung einer UK ist natürlich selbst auch keine Versicherungsvermittlung laut VAG, VVG u.a. Steuerlich indes schon – so dass Vermittler einer UK auf Provisionen keine Umsatzsteuer zu erheben haben.

 

Unterstützungskasse als Versicherungsunternehmen im Steuerrecht

Laut Umsatzsteuergesetz und Versicherungssteuergesetz indes ist eine UK ein Versicherungsunternehmen, zahlt je nach Versicherungsart also Versicherungssteuer, oder ist davon etwa in Kranken-/Lebensversicherung befreit, und ist auch nicht umsatzsteuerpflichtig, dies für alles, was bei Rechtsanspruch Versicherung wäre. Ebenso ist der Vermittler der UK steuerlich gesehen Versicherungsvermittler, weil er mit der UK (unabhängig von evtl. Rückdeckung) eine steuerliche Versicherung vermittelt. Zulassung braucht er dazu nicht, denn gewerbe- und aufsichtsrechtlich wiederum vermittelt er keine Versicherung. Das Finanzamt will nur vermeiden, dass etwa ein VR den Rechtsanspruch ausschließt, um sich als UK die Versicherungssteuer zu sparen.

Die Bezeichnungen im Rechtssystem sind nicht einheitlich. Im 19./Anfang 20. Jahrhundert meinte der Mörder im Strafgesetzbuch auch Frauen, als generisches Maskulin, der Bürger im Wahlgesetz indes nur Männer. Dr. Rita Süssmuth war die erst zugelassene Ärztin in Ausbildung, weil man ihr in Aussicht stellte, auf diese Karriere verzichten zu dürfen, wenn sie nicht als Arzt in Ausbildung unterschreibt, denn das bezeichne keine Männer, sondern eine Institution. Man gab aber auf, als sie fragte, ob denn Institutionen schwanger werden können, im Hinblick auf Regelungen zum schwangeren Arzt in Ausbildung. Nichtsdestoweniger bekam sie später noch vom Bundespräsidenten eine Ernennungsurkunde als Bundesminister.

 

Von Dr. Johannes Fiala und Dipl.-Math. Peter A. Schramm

 

mit freundlicher Genehmigung von

www.experten.de (veröffentlicht am 04.08.2023 unter der Überschrift: Wie Versicherungen ohne Vermittlerzulassung vertrieben werden können)

Link: www.experten.de/2023/08/wie-versicherungen-ohne-vermittlerzulassung-vertrieben-werden-koennen/

 

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Über den Autor

Dr. Johannes Fiala Dr. Johannes Fiala
PhD, MBA, MM

Dr. Johannes Fiala ist seit mehr als 25 Jahren als Jurist und Rechts­anwalt mit eigener Kanzlei in München tätig. Er beschäftigt sich unter anderem intensiv mit den Themen Immobilien­wirtschaft, Finanz­recht sowie Steuer- und Versicherungs­recht. Die zahl­reichen Stationen seines beruf­lichen Werde­gangs ermöglichen es ihm, für seine Mandanten ganz­heitlich beratend und im Streit­fall juristisch tätig zu werden.
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