Lebensgestaltungsprodukte statt beaufsichtigter Versicherung

– Gesunderhaltung und Wellness: Absicherung statt Versicherung von Krankheit –

 

Bundesverwaltungsgericht (BVG) und Bundesaufsichtsamt für Finanzdienstleistungen (BaFin) entscheiden, ob ein privates Versicherungsgeschäft vorliegt.
Wer in Deutschland privates Versicherungsgeschäft betreibt, benötigt dazu eine Zulassung und wird staatlich beaufsichtigt. Darüber, was denn nun Versicherung eigentlich ist, gibt jedoch oft nur ein Bundesverwaltungsgerichtsurteil Klarheit. Wenn die Aufsichtsbehörde den Verdacht hat, dass beispielsweise eine verlängerte Garantie eines Haushaltsmaschinenherstellers eigentlich so etwas wie eine Reparaturkostenversicherung ist, kann sie dieses Angebot gegenüber dem Anbieter als unerlaubtes Versicherungsgeschäft untersagen. Wenn die Aufsichtsbehörde dann auch einen Widerspruch des Anbieters gegen eine solche Anordnung zurückweist, steht diesem der Klageweg bei den Verwaltungsgerichten offen, so dass letztlich das BVG entscheiden muss. Hierbei setzt sich durchaus nicht immer die Aufsichtsbehörde durch.

Verwaltungsgericht: Vorsorgekostenerstattung ist keine Versicherungsleistung

Nicht jede Leistung, die ein Versicherungsunternehmen als solche erbringt, ist deshalb auch allgemein stets als Versicherungsleistung anzusehen. So sind beispielsweise auch Vorsorgemaßnahmen vom Versicherungsschutz in der Krankenversicherung umfasst, wie die Musterbedingungen für die Krankheitskosten und Krankenhaustagegeldversicherung ergeben. Doch dazu hat das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main mit Urteil vom 01.06.2006 – Az.: VG 1 E 4837/05 (VersR 2007, 337) ausgeführt, dass es sich bei der Kostenerstattung für Vorsorgebehandlungen überhaupt nicht um eine Versicherungsleistung handele. Vorsorgebehandlungen dienten dem Zweck, das Risiko einer Erkrankung und damit das Versicherungsrisiko zu reduzieren. Sie stellten nicht selbst einen Versicherungsfall dar. Unter einer Versicherung verstehe man die planmäßige Deckung eines im Einzelnen ungewissen, im Ganzen aber schätzbaren Geldbedarfs auf der Grundlage eines kollektiven Risikoausgleichs. Bei der Kostenerstattung für Vorsorgemaßnahmen handele es sich dagegen um die Deckung eines im Einzelnen gewissen Geldbedarfs, der aufgrund eines Lebensplanes eintrete und nicht aufgrund eines Lebensrisikos.

 

Bundesverwaltungsgericht: Zahnprophylaxe gewillkürte Versicherungsleistung

Das BVG (Az.: 6 C 26.06) hat es dahingestellt sein lassen, ob die Leistung für Zahnprophylaxe gar keine Krankenversicherungsleitsung ist, sondern eine Leistung zur Verhinderung des Eintritts des Versicherungsfalles „Zahnbehandlung“ bzw. „Zahnersatz“, wie das Verwaltungsgericht gemeint hat. Jedenfalls wenn ein zugelassener Versicherer „diese Leistung eben als Krankenversicherungsleistung erbringen will, was zutrifft; unter diesen Umständen liegt es nicht fern, sie als Krankenversicherungsleistung anzusehen, auch wenn durch Prophylaxe die Erkrankung als solche gerade verhindert werden soll.“ Es gibt also Leistungen – wie die Zahnprophylaxe – die grundsätzlich keine Versicherungsleistungen sind, es sei denn möglicherweise beim betreffenden Versicherer, wenn sie von diesem als solche erbracht werden sollen. Zur Abgrenzung kommt es darauf an, ob sich durch einen bestimmten Versicherungsfall ein Lebensrisiko verwirklicht, das durch planmäßige Deckung eines im Einzelnen ungewissen, im Ganzen aber schätzbaren Geldbedarfs auf der Grundlage eines kollektiven Risikoausgleichs gedeckt wird.

 

Keine Versicherungsleistung ohne Verknüpfung mit einem Lebensrisiko

Die Leistung eines nominellen Geldbetrages oder die Deckung der Kosten für Maßnahmen, die im Einzelfall einen nicht zufallsbedingten Geldbedarf erfordern, der aufgrund eines Lebensplanes im Gegensatz zu einem Lebensrisiko eintritt, ist dagegen grundsätzlich keine Versicherung. Somit kann ein entsprechender Bedarf auch von Nicht-Versicherungsunternehmen gedeckt werden. Und auch die Vermittlung entsprechender Verträge stellt keine Versicherungsvermittlung dar und bedarf somit keiner entsprechenden Erlaubnis bzw. Zulassung. Beispiele – neben den genannten Vorsorgeuntersuchungen – sind Leistungen für Sehhilfen, die bis zu bestimmter Höhe unabhängig von medizinischem Bedarf und Eintritt bestimmter medizinischer Voraussetzungen erbracht werden, also z. B. einfach in regelmäßigen (Mindest-)Abständen. ähnlich verhält es sich bei manchen Handytarifen, die alle zwei Jahre die Möglichkeit für ein gesponsertes neues Handy vorsehen. Selbstverständlich gilt dies auch für Kurleistungen, Wellnessbehandlungen, Schönheitsoperationen u. a. . Es kommt darauf an, dass diese Leistungen – weder hinsichtlich des Eintritts der Leistungspflicht noch der Leistungshöhe – an den Eintritt eines Lebensrisikos geknüpft sind, sondern an andere Kriterien – so den Kundenwunsch im Rahmen der vorgegebenen Höchstgrenzen oder Intervalle.

 

Keine Versicherung, wenn unabhängig von Lebensrisiken geleistet wird

Doch auch wenn Lebensrisiken mit abgesichert werden, liegt nach Ansicht der BaFin keine Versicherung vor, wenn die Leistung auch in anderen Fällen aufgrund eines Kundenwunsches aus anderen Anlässen erbracht wird, und nicht nur aufgrund eines eingetreten Risikos. Wenn die Inanspruchnahme im wesentlichen vom Willen des Kunden abhängt, findet eine versicherungsspezifische Risikoübernahme nicht statt.

 

Effizientere Produktvermarktung durch Cross-Selling und Kundenbindung

Dies ermöglicht Anbietern, die keine Versicherungen sind, Leistungsangebote – auch über Vermittler – zu vermarkten, die heute nur teilweise in anderweitigem Versicherungsschutz eingeschlossen sind. Diese Angebote lassen sich dann auch mit anderen Produkten leicht verbinden – so mit Kundenoder Kreditkarten, Fitnessabonnements und – was durch Cross-Selling eine effiziente Vermarktung ermöglicht. Vorteil dieser Angebote ist zudem, dass sie nicht den aufsichtsrechtlichen Kalkulationsvorschriften unterliegen und damit verstärkt Methoden eines modernen Pricing einschließlich Quersubventionierungen eingesetzt werden können. Insbesondere aber lässt sich die Kundenbindung und die Vermarktung von Leistungen im Gesundheitswesen mit solchen Produkten verbessern, gerade weil die Inanspruchnahme nicht erst den Eintritt eines Versicherungsfalls voraussetzt und damit wesentlich besser auf die Wünsche und Bedürfnisse der Nachfrager eingehen kann – so für Wellnessbehandlungen, Individuelle Gesundheitsleistungen (IGeL), Vorsorge-Checkups und Behandlungen beim Anti-Aging-Arzt/–institut. Und auch die regelmäßige Bezahlung einer neuen Brille – unabhängig von veränderter Sehschärfe – fällt ebenso wenig unter den Versicherungsbegriff wie die professionelle Zahnreinigung. Schließlich handelt es sich nicht um Versicherungen für den Krankheitsfall, sondern um Produkte, die das Gesundbleiben finanzieren – und dies zu überschaubaren regelmäßigen Beiträgen.

 

Gesundheit erfordert zunächst keine Versicherung

Im alten China wurde der Arzt nur solange bezahlt, wie der „Patient“ gesund war. Bei Krankheit musste der Arzt ohne Bezahlung behandeln, oder sogar zusätzlich den Patienten entschädigen – sozusagen als Gewährleistungshaftung. Das laufende Bemühen des Arztes um die Gesundheitserhaltung seiner Patienten ist nicht von einem Lebensrisiko abhängig. Das Leistungsspektrum reicht von der Präventionsmedizin, über Nahrungsergänzung, bis hin zu Fitnessprogrammen und Erhöhung der Lebensqualität im Alter – alles keine Frage eines Lebensrisikos, sondern der individuellen Lebensplanung.

 

Gesundheits-Versicherung darf jeder anbieten – sich aber nicht so nennen

Wer nur leistet, wenn der Kunde krank ist, sichert ein Lebensrisiko ab- und betreibt damit Versicherung. Wer dagegen immer, also auch für vom gesunden Kunden – und natürlich auch vom kranken – gewollte Arztbesuche bezahlt, bietet keine versicherungsspezifische Risikoübernahme und betreibt damit keine Versicherung. Für solche Angebote – gegen laufende Prämien (nur nicht „Versicherungsprämien“) – bedürfen Gewerbetreibende daher keine aufsichtsrechtliche Erlaubnis. Sie dürfen es allerdings nicht Versicherung nennen – aber mit anderen wohlklingenden Namen versehen wie „plan for health“ oder „Gesundheitsplan“. Richtig eingesetzt könnte den Versicherern wirkliche Konkurrenz erwachsen. Und nebenbei: Auch die Vermittler solcher Produkte fallen nicht unter die Regulierung für Versicherungsvermittler.

 

von Dr. Johannes Fiala und  Peter A. Schramm

mit freundlicher Genehmigung von

www.kommunalverlag.de (Veröffentlicht in Kommunalwirtschaft 04/2009, 246-248)

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Über den Autor

Dr. Johannes Fiala Dr. Johannes Fiala
PhD, MBA, MM

Dr. Johannes Fiala ist seit mehr als 25 Jahren als Jurist und Rechts­anwalt mit eigener Kanzlei in München tätig. Er beschäftigt sich unter anderem intensiv mit den Themen Immobilien­wirtschaft, Finanz­recht sowie Steuer- und Versicherungs­recht. Die zahl­reichen Stationen seines beruf­lichen Werde­gangs ermöglichen es ihm, für seine Mandanten ganz­heitlich beratend und im Streit­fall juristisch tätig zu werden.
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