OLG Oldenburg: Versicherer kann sich nach 13 Jahren nicht auf Verjährung berufen

– Was Versicherungskunden im Schadensfall zu beachten haben, um Verjährung zu vermeiden –

 

Das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg hat durch Urteil vom 19.12.2013 (Az. 1 U 67/13) entschieden, dass sich ein Versicherer (VR) nicht nach Jahren bei Langfristschäden auf Verjährung berufen kann, wenn er zuvor ein qualifiziertes Anerkenntnis abgegeben hatte.

 

Verjährung regelmäßig nach drei Jahren zum Jahresende

Solange der Versicherungsnehmer (VN) mit dem VR wegen der Schadensregulierung korrespondiert, ist die Verjährung allenfalls gehemmt, was dem Anhalten einer Uhr gleichkommt. Hier hatte der VR zudem jedoch erklärt „Was die Ihrerseits erbetenen Erklärungen betreffend den materiellen sowie immateriellen Schaden Ihrer Mandantin anbelangt, so erkennen wir diesen an, wobei diesem Anerkenntnis die Wirkung eines Feststellungsurteils zukommt.”

Damit handelt es sich nicht um ein einfaches Anerkenntnis. Nachdem der VR nach 13 Jahren seine Leistungen zu Unrecht wegen Verjährung verweigerte, hatte die Feststellungsklage des VN auch schon alleine wegen des qualifizierten Anerkenntnisses Erfolg.

 

Entscheidender Inhalt des Anerkenntnisses

Keinesfalls sollte sich der VN im Schadensfall mit einem einfachen Anerkenntnis begnügen. Zudem sollte man sich inhaltlich auch nicht auf die versicherte Leistung beschränken lassen. Durch Kostensteigerungen und Inflation gerät man sonst in Gefahr, dass die Leistung zusehends entwertet wird.

Besser ist, auch den Haftenden selbst und nicht nur seinen Versicherer zu verpflichten. Der Versicherte haftet ja ggf. unbegrenzt, da ist eine Zusage nur des VR nur auf die – vom VN mit dem VR – vereinbarte Leistung nicht gleichwertig.

Außerdem könnte der VR insolvent werden: Für Zukunftsschäden müssen Rückstellungen gebildet werden, aber bei diesen darf Inflation steuerlich nicht eingerechnet werden, und auch der Diskontierungszinssatz, der auf die Rückstellungen verdient werden müsste, führt beim Niedrigzinsniveau zu Fehlbeträgen. Angesichts der von Sachversicherern oft auch sonst noch übernommenen hohen Risiken ist so eine Insolvenz sogar wahrscheinlicher als bei Kranken- oder Lebensversicherern – und es gibt dafür keinerlei Auffanglösung wie dort.

Nur bei Rentenverpflichtungen gibt es einen separaten Deckungsstock, aber auch der reicht ja ggf. wegen fehlender tatsächlicher Verzinsung und Inflation wohl eher nicht aus, selbst wenn er in der Insolvenz separiert wird. Wenn die Renten z. B. einen Einkommensverlust oder Aufwand für Pflegebedürftigkeit ausgleichen sollen, müssten sie ja im Laufe der Jahre steigen, was in den Rückstellungen ggf. unzureichend berücksichtigt ist.

Der schadenverursachende VN wird dann zu prüfen haben, ob sein VR verpflichtet ist ihn freizustellen, und beispielsweise dafür eine geeignete Sicherheit stellen muss, die dann später ggf. zu erhöhen wäre.

 

Notwendigkeit eines Anerkenntnisses durch den Schädiger und seinen Versicherer

Also sollte man vom VR eine unbegrenzte Verpflichtung wie bei einem Feststellungsurteil gegen den Schädiger selbst verlangen, nicht nur bis zur Versicherungssumme. Sollte dieser sich weigern, sollte man alleine schon wegen Insolvenzgefahr oder besser mit der Begründung, dass man so eine unbegrenzte Verpflichtung hat, eine solche Verpflichtung vom Schädiger selbst ergänzend verlangen, mit der Drohung der Feststellungsklage gegen ihn.

Der sicherste Weg wäre dabei, wenn das Anerkenntnis in notarieller Form erfolgt, und in geeigneten Fällen bestenfalls mit Unterwerfung unter die Zwangsvollstreckung, womit sich das Prozessrisiko umkehrt. Mit dem Anerkenntnis beginnt die Verjährung neuerlich. Durch geeignete Form und entsprechenden Inhalt mit einer Verjährungsfrist von später auch bis zu mehr als 30 Jahren.

 

Schadensfeststellungen, einschließlich Dauer- und Folgeschäden

Beispielsweise bei Feuerschäden, Berufsunfähigkeit, Wasserschäden, privater Krankenversicherung sowie Haftpflichtschäden bemühen sich bisweilen Versicherungsmakler und –berater um die Schadensregulierung betroffener Versicherungsnehmer. Während einige Makler dies als kostenlosen Service verstehen, können beim Honorarberater die x-fachen der üblichen Kosten anfallen. Immer wieder kommt es dann durch Fristversäumnisse zum Verlust der Rechtsansprüche, oder durch Zeitablauf zum Verlust der Beweismittel. Dies ist etwa dann der Fall, wenn der Versicherer den Schadensort nach seinen eigenen Feststellungen freigibt.

Eine solche Freigabe ist keinesfalls ein Anerkenntnis, das der VR leisten wird. Dem Versicherungsnehmer wird weder das mehr oder weniger zutreffende Gutachten eines Schadensregulierers des VR, noch das private Schadensgutachten ohne Einschaltung eines Gerichts wirklich bestmöglich weiterhelfen. Angezeigt wäre nicht selten ein rechtzeitiges selbständiges gerichtliches Beweisverfahren, bevor die Beweise z.B. durch Instandsetzung verlorengehen.

Oft wollen Geschädigte eine hohe Abfindung, während der Versicherer nur eine Rente und künftige Verpflichtungen übernehmen will. Gerade dafür ist das Verlangen eines qualifizierten Anerkenntnisses geeignet, um einen erheblichen Druck auf den Versicherer und seinen VN hinsichtlich einer Abfindungsregelung aufzubauen.

Dabei kommt es auf den genauen Wortlaut an, denn beispielsweise kann man „auf die Verjährung” nicht verzichten, weil diese Option gesetzlich unabdingbar festgeschrieben ist. Denkbar ist jedoch auf das Erheben dieser Einrede zu verzichten.

 

Anerkenntnis dem Grunde nach

Soweit ein – möglicherweise erst künftiger kausaler – Schaden noch nicht beziffert werden kann, kommt ein Anerkenntnis dem Grunde nach in Frage. Gerade nach Unfällen wird es wichtig ein, bevor man sich mit einem Versicherer außergerichtlich vergleicht, medizinisch prüfen zu lassen, ob der Fall ausgeheilt ist, denn anderenfalls trägt man spätere Kosten, beispielsweise der Sozialversicherungsträger oder der eigenen Privaten Krankenversicherung etwa für Reha oder Anschlussheilbehandlung selbst, denn nach Gesetz oder Versicherungsbedingungen darf man diesen nicht die Regressmöglichkeiten durch eigenen Verzicht abschneiden.

Mit etwas Glück hat dann der stets bemühte Versicherungsmakler bzw. –berater dafür einzustehen.

Inhaltlich sollte das Anerkenntnis auch noch beinhalten, dass damit der Ersatz eines Feststellungsurteils erfolgt. Die entsprechenden Feststellungen zum Schadensfall können dabei auch getroffen werden, oder auf ein entsprechendes Gutachten dabei als verbindlich verwiesen werden.

Selbstverständlich ist durch ein solches notarielles Anerkenntnis als Ersatz eines Feststellungsurteils auch z. B. zu regeln, dass der Versicherer sich später nicht auf andere Einwendungen berufen kann, die ihm irgendwann einmal erst aufgrund späterer Erkenntnisse einfallen, etwa dass er wegen Vorsatz u.ä. nicht leistungspflichtig wäre. Letztlich muss das Anerkenntnis der Versicherers nämlich so weit tragen wie ein Anerkenntnis des schadenverursachenden VN selbst.

 

Regressrisiko beim Versicherungsmakler und Versicherungsberater

Die Furcht vor Fehlern bei der Schadensregulierung ist beim Versicherungsberater und –makler offenbar recht verbreitet, so dass diese gerne auf eigene Kosten freiberuflich Anwälte einschalten. Letztere geraten spätestens dann in Kollision, wenn sie sich dann noch vom VN mit einer Anwaltsvollmacht ausstatten und mandatieren lassen, weil sie dann gleich zwei Herren dienen wollen. Im Zweifel sind die Verträge damit nichtig und ein Vergütungsanspruch besteht dann nicht mehr.

Einige Gewerbe- und Industriemakler kamen auf die Idee, ihre Schadensfälle an Versicherungsberater zu verkaufen, ähnlich einem Tippgeber. Sobald der Versicherungsberater dann die Tipprovision bezahlt, handelt es sich beim Versicherungsvermittler oder –makler um ein Kick-Back, welches er unaufgefordert gegenüber dem Kunden vollständig abzurechnen und herausgeben müsste, §§ 675, 667 BGB.

 

Haftungsumfang beim Versicherungsmakler und Versicherungsberater

Die Mehrheit der Vermittler bzw. Berater unterhält allenfalls eine gesetzliche Mindestdeckung in ihrer Haftpflichtversicherung über gut eine Mio. EUR. Bei den Haftungsgefahren, bereits durch Empfehlung eines Versicherungsberaters oder –maklers oder eigene Bemühungen um Schadensregulierung kann dies vielfach nur einen Bruchteil der Verantwortung abdecken.

Beim Versicherungsmakler würde der Haftpflichtversicherer feststellen, dass die Schadensregulierung gar nicht in seiner Police steht, und daher vielleicht gar nicht versichert wäre.

Beispielsweise für Unfallopfer könnte es das Ziel der Schadensregulierung sein, die Bereitschaft des Versicherers zur Zahlung einer hohen Abfindung zu fördern, statt einen Schaden jahrzehntelang vor sich herzuschleppen, mit der Gefahr, dass nach dem VR der VN weiterzahlt. Beispielhaft aus einem versicherungsmathematischen Schadengutachten folgendes Ergebnis zur Illustration:

Es ergibt sich ein kapitalisierter Barwert des lebenslang entgangenen Nettoeinkommens in Höhe von 2.215.476 EUR zum 01.03.2014.

Für die Pflegekosten insgesamt ergibt sich ein kapitalisierter Barwert der  lebenslangen Pflegekosten (persönliche zzgl. Sachkosten) in Höhe von 2.460.260 EUR zum 01.03.2014.

Dieser Betrag kann sich auf bis zu ca. 4.689.280 EUR erhöhen, wenn den obigen Ausführungen zu einem erhöhten Pflegeaufwand von bis zu ca. 12 Stunden täglich insgesamt gefolgt wird.

Dies wird sich ohne Volljuristen und versicherungsmathematischen Sachverständigen kaum ermitteln lassen, zumal vielfach auch Nebenansprüche bestehen, die zwar in den Versicherungsbedingungen oder im Gesetz aufzufinden sind, jedoch von Kaufleuten aus Unkenntnis gerne übersehen werden. Komplex wird die Schadensregulierung nicht erst wenn ein Beteiligter oder Versicherer insolvent würde, sondern bereits durch die verschiedenen Situationen eines gesetzlichen Forderungsübergangs, so dass ein Anerkenntnis nicht ohne weiteres vollumfänglich durchgesetzt werden kann, wenn der Erstattungsanspruch gesetzlich bereits in den Händen etwa einer Kranken- oder Pflegeversicherung liegt.

 

von Dr. Johannes Fiala und Dipl.-Math. Peter A. Schramm

 

mit freundlicher Genehmigung von

www.experten.de  (expertenReport 12/2014)

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Über den Autor

Dr. Johannes Fiala Dr. Johannes Fiala
PhD, MBA, MM

Dr. Johannes Fiala ist seit mehr als 25 Jahren als Jurist und Rechts­anwalt mit eigener Kanzlei in München tätig. Er beschäftigt sich unter anderem intensiv mit den Themen Immobilien­wirtschaft, Finanz­recht sowie Steuer- und Versicherungs­recht. Die zahl­reichen Stationen seines beruf­lichen Werde­gangs ermöglichen es ihm, für seine Mandanten ganz­heitlich beratend und im Streit­fall juristisch tätig zu werden.
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