Planung ersetzt den Zufall durch den Irrtum

Tod, Scheidung und Insolvenz – Was passiert mit der Lebensversicherung?

Mancher Versicherungsnehmer (VN) entscheidet zu spät, dass er das Bezugsrecht einer Lebensversicherung(en) ändern möchte. Beauftragt der VN seinen Makler mit der Änderung, kommt es darauf an, dass dies nach den Versicherungsbedingungen regelmäßig schriftlich erfolgt. Ist der VN bei Eingang der Anzeige beim Versicherer (VR) bereits verstorben, geht der Änderungswunsch ins Leere.

Dann hat der ursprünglich widerruflich Bezugsberechtigte mit dem Tode des VN das unentziehbare Recht auf die Versicherungsleistung bereits erworben (LG Dortmund, Urteil vom 28.02.2008 – 2 O 214/07). Hat der Makler die Verzögerung der änderungsanzeige zu verantworten, schuldet er oftmals dem „neuen“ Bezugsberechtigten die Versicherungssumme als Schadensersatz.

Wettlauf zwischen Bezugsberechtigtem und Erben

Oft hat der VN einen (widerruflich) Bezugsberechtigten dem VR benannt. Weiß der Bezugsberechtigte aber von seinem Glück noch gar nichts, so kommt gleichsam eine Schenkung nach dem Todesfall erst dadurch zustande, dass der VR als Bote des Verstorbenen die Versicherungsleistung anbietet. Weiß der Erbe vor dem VR, dass ein Todesfall eingetreten ist, so kann der Erbe gegenüber dem Versicherer den Botenauftrag und gegenüber dem Bezugsberechtigten das Schenkungsangebot wirksam widerrufen, sodass der Bezugsberechtigte die Herausgabe des Bezugsrechts schuldet (OLG Hamm, Urteil vom 03.12.2004 – 20 U 132/04).

Widerruf im Testament

ähnlich liegt der Fall, wenn der Bezugsberechtigte vor Zugang des Angebotes durch den Versicherer als Bote vom Widerruf des Bezugsrechts im Testament erfährt (BGH Urteil vom 14.07.1993 – IV ZR 242/92). Wie sich der Fall am Ende darstellt, mag vom Zufall abhängen. Hatte der VN den Bezugsberechtigten jedoch bereits zu Lebzeiten über das Bezugsrecht selbst informiert, liegt darin ein Schenkungsvertrag, sodass ein späterer Widerruf in jedem Falle zu spät käme.

Überschuldung durch Lebensversicherung im Nachlass

Gelegentlich tritt eine Überschuldung des Nachlasses dadurch ein, dass der Rückkaufswert der Lebensversicherung entfällt, und „dafür“ ein Bezugsberechtigter die Versicherungssumme erhält. Dann wird etwa der Nachlasspfleger oder Insolvenzverwalter versuchen, zumindest die vom VN einbezahlten Prämien vom Bezugsberechtigten erstattet zu verlangen. ähnlich ist die Situation, wenn ein Pflichtteilsberechtigter vom Bezugsberechtigten eine Pflichtteilsergänzung fordert, weil die Versicherungsleistung den Nachlass in Höhe allerdings nur ihres Rückkaufswertes ausgehöhlt hatte. Bemessungsgrundlage ist dann oft der Rückkaufswert, nicht etwa die Versicherungssumme, und nicht die Summe der vom Erblasser bezahlten Versicherungsprämien (BGH Urteil vom 23.10.2003 – IR ZR 252/01).

Insolventer Erblasser begünstigt seine Witwe

Der BGH (Beschluss vom 27.04. 2010 – IX ZR 245/09) entschied jedoch, dass der (widerruflich) Begünstigte seinen Anspruch gegenüber der Lebensversicherung mit Eintritt des Versicherungsfalles originär selbst erwirbt. Dieses Vermögen (einer Risikolebensversicherung, daher ohne Rückkaufswert) befand sich mithin zu keiner Zeit in der Insolvenzmasse des Erblassers oder Nachlasses.

Mit Eintritt des Versicherungsfalles war das widerrufliche Bezugsrecht nach § 159 VVG, eine völlig ungesicherte Hoffnung auf künftigen Erwerb, vollständig entfallen. Allerdings kann der Insolvenzverwalter des Erblassers nach § 134 InO anfechten. Dann muss der Bezugsberechtigte die komplette Versicherungssumme stets herausgeben, denn die anfechtbare Handlung liegt zeitlich erst mit Eintritt des Versicherungsfalls vor (BGH Urteil vom 23.10.2003 – IX ZR 252/01).

Die Rechtswirkung der Gläubigerbenachteiligung tritt erst mit Eintritt des Versicherungsfalles ein, wenn das Bezugsrecht widerruflich war. Anders liegt der Fall, wenn die Bezugsrechtseinräumung unwiderruflich gewesen war, und wenn diese nicht in den anfechtbaren Vierjahres-Zeitraum vor dem Antrag auf Insolvenzeröffnung fällt, § 134 InsO. Nur in diesem Falle könnte der Insolvenzenzverwalter lediglich die im kritischen Zeitraum bezahlten Versicherungsprämien zurückverlangen. Wäre der Bezugsberechtigte selbst (ebenfalls) insolvent (geworden), besteht gegenüber diesem ein so genanntes Aussonderungsrecht.

 

Keine Kündigung durch Gläubiger eines unwiderruflich Bezugsberechtigten

In der betrieblichen Altersversorgung wird Mitarbeitern oftmals ein unwiderrufliches Bezugsrecht eingeräumt. Dennoch bleiben regelmäßig die Gestaltungsrechte, wie etwa Anfechtung und Kündigung, beim Versicherungsnehmer bzw. Arbeitgeber. Die Kündigung durch einen Gläubiger des Bezugsberechtigten nach Pfändung ist mithin unwirksam (BGH Urteil vom 02.12.2009 – IV ZR 65/09). Selbst wenn der Arbeitgeber insolvent würde, ändert sich hieran nichts.

Allerdings kann der Bezugsberechtigte gegen den früheren Arbeitgeber einen Anspruch auf Ausübung oder nachträgliche Übertragung des Kündigungsrechts besitzen, insbesondere wenn dem früheren Mitarbeiter ein „Recht zur Übernahme des Versicherungsvertrages“ zusteht. Dieses Recht ist pfändbar und kann im Einzelfall auch im Wege einer Nachtragsliquidation durchgesetzt werden. Dass der Arbeitgeber längst im Handelsregister gelöscht wurde, spielt keine Rolle.

 

Bezugsrecht für den (richtigen) Ehegatten

Wurde im Versicherungsvertrag nur „mein Ehegatte“ als Bezugsberechtigter angegeben, gilt dies jeweils für den letzten Ehegatten, ohne dass es eines Widerrufs des Bezugsrechts bedürfte. Bei nichtehelichen Lebensgemeinschaften muss das Bezugsrecht jedoch widerrufen werden (BGH Urteil vom 08.07.1996 – II ZR 340/95). Liegt jedoch eine Ehescheidung vor, und war der Bezugsberechtigte namentlich benannt, kann allenfalls ein so genannter „Wegfall der Geschäftsgrundlage“ dem Erben als Argument dienen, damit der Bezugsberechtigte die Leistung der Versicherung wieder her ausgibt. Als ausreichende Geschäftsgrundlage sieht die Rechtsprechung
beispielsweise eine (seinerzeit) nötige Kreditabsicherung oder gemeinsame Kinder an.

 

Herrenlose Millionen bei Finanzhäusern

Vor allem bei Umzügen gehen oftmals wichtige Unterlagen verloren. So kommt es vor, dass weder Erben noch Bezugsberechtigte jemals etwas über ihre Ansprüche gegenüber Lebensversicherern erfahren. Der Gesetzgeber hat den Finanzhäusern keine Nachforschungs- und Meldepflicht, etwa gegenüber dem Nachlassgericht auferlegt. Es gibt jüngere Fälle, in denen Versicherer ihren Bestand an Sterbegeldversicherungen meist weit über 100-Jähriger auf einen Schlag um mehrere tausend Versicherte bereinigten, nachdem jahrzehntelang keine Nachrichten mehr eingingen. ähnlich geht es Jahr für Jahr den Erben, wenn der Erblasser zwar Schwarzgeld in Liechtenstein oder der Schweiz hatte, jedoch niemand darüber ins Vertrauen gezogen wurde, und sich im Hausstand des Verstorbenen keine Unterlagen darüber auffinden lassen.

Gefahr und Chance: ausländisches Recht

Solche so genannten nachrichtenlosen Konten bei Versicherern und insbesondere Banken können allerdings für die Finanzinstitute zum Problem werden, sobald sie in einem ausländischen Rechtsraum angreifbar werden, . B. wegen Börsenzulassung in USA. So mussten für Holocaust-Opfer hohe Millionenbeträge von einigen Banken und Versicherern aufgebracht werden. Ins Rollen gebracht wurde dies durch einen einzelnen Mitarbeiter einer Schweizer Großbank, der mit dem Schreddern entsprechender Altakten zu namenlosen Konten befasst war.

Gestaltungs-Tipps

Besser abgesichert ist der (widerruflich) Bezugsberechtigte, wenn er einen schriftlichen Schenkungsvertrag als Beweismittel zu Lebzeiten bekommt. Das Testament sollte dazu allerdings im besten Fall nicht im Widerspruch stehen. Bei einer drohender Insolvenz sollte man lieber „mit warmen Händen geben“, anstatt dem Bezugsberechtigten am Ende völlig aussichtslose Hoffnung durch ein widerrufliches Bezugsrecht zu bereiten.

Eine Schenkung unter Vorbehalt der lebenslänglichen Nutzung der Erträge – außer im Insolvenzfall – kann das gewünschte Ergebnis sichern. Nicht alle Probleme können durch ein unwiderrufliches Bezugsrecht über Lebensversicherungen gelöst wer den. Auch der Weg über eine zu Lebzeiten einzurichtende gemeinnützige Treuhandstiftung unter einem Leibrentenvorbehalt oder zusätzlich lebenslänglichen Wohnrecht für sich selbst und/oder „Bezugsberechtigten“ kann gerade die versicherungseigenen Fallstricke vermeiden und das Vermögen gegen Insolvenz sichern, abgesehen von den Steuervorteilen durch Stiftungszuwendung.

Haben Sie nichts verstanden?

Wenn Sie nun zur Erkenntnis gelangt sind, dass die ganze Thematik wohl wichtig ist, Sie aber nicht wirklich verstanden haben, wie Sie mit Ihrer bestehenden Lebensversicherung verfahren sollten um wirklich alles richtig zu machen, dann sprechen Sie mit Ihrem Vermögens-, Steuerberater oder Rechtsanwalt.

 

von Dr. Johannes Fiala und Dipl.-Math. Peter A. Schramm

 

mit freundlicher Genehmigung von

www.network-karriere.com (veröffentlicht in Network Karriere 06/2011, Seiten 36-37)

und

www.dzw.de (veröffentlicht in Die Zahnarztwoche 08/2011, Seiten 28-29 unter der Überschrift: Mancher Versicherungsnehmer ändert sein Bezugsrecht der Lebensversicherung zu spät)

 

 

 

 

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Über den Autor

Dr. Johannes Fiala Dr. Johannes Fiala
PhD, MBA, MM

Dr. Johannes Fiala ist seit mehr als 25 Jahren als Jurist und Rechts­anwalt mit eigener Kanzlei in München tätig. Er beschäftigt sich unter anderem intensiv mit den Themen Immobilien­wirtschaft, Finanz­recht sowie Steuer- und Versicherungs­recht. Die zahl­reichen Stationen seines beruf­lichen Werde­gangs ermöglichen es ihm, für seine Mandanten ganz­heitlich beratend und im Streit­fall juristisch tätig zu werden.
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