Sanktionen und ihre Auswirkungen, Teil 2

Im zweiten Teil über Sanktionen und ihre Auswirkungen zeigen Rechtsanwalt Dr. Johannes Fiala und Dipl.-Math. Peter A. Schramm weitere Fälle auf – von den Russland-Sanktionen über Kuba und die Türkei bis zum Immobilienerwerb durch Terroristen.

 

 

Auch Anti-Terror-Listen beziehungsweise Verordnungen könn(t)en nichtig sein?

 

Die Verordnungen 881/2002 und 2580/2001 kassierte der Europäische Gerichtshof (EuGH) in seinem zweitinstanzlichen Urteil vom 03.09.2008 (Az. C-402/05 und C-415/05) betreffend die dortigen Kläger. Das Grundrecht auf Verteidigung war mit Aufnahme in die Sanktionsliste ohne Mitteilung der diesbezüglichen Gründe verletzt worden, insbesondere das rechtliche Gehör und der Anspruch auf effektive gerichtliche Kontrolle. Das Einfrieren von Geldern verletzte die Eigentumsrechte.

Wer auf einer derartigen „Anti-Terror-Liste“ aufgeführt ist, darf auch keine Bezahlung erhalten – Gelder sind einzufrieren, § 34 IV Nr.2 AWG. Man könnte sich bei der Rechtsprüfung betreffend Sanktionen allein auf Software verlassen, und bekommt später vielleicht die Gelegenheit in Haft darüber nachzudenken, ob diese Fahrlässigkeit eine gute Entscheidung war. Gelder von lediglich Terrorverdächtigten einzufrieren, hatte der Generalanwalt für nichtig gehalten.

Die massenhaften Sanktionslisten weltweit, die Fehleranfälligkeit von Software, die Nichtversicherbarkeit wegen Nichtigkeit entsprechender Verträge im Zweifel – all dies wird die „Globalisierung und den freien Handel“ dämpfen, aber kaum den internationalen Geldtransfer. Gleichwohl gilt es zahlreiche internationale Sanktionslisten und Embargolisten zu beachten.

Seit 2017 gibt es eine neue „Terror-Liste“ von Ägypten, Saudi-Arabien, VAE und Bahrain – welche Personen und Organisationen mit Verbindungen zu Katar beinhaltet: Dies berührt beispielsweise Kontosperren und einen Zusammenbruch des Flugverkehrs.

Auch Deutsche landeten bereits auf der UN-Sanktionsliste, etwa wegen Förderung des IS, mit der Folge, dass Vermögen eingefroren wird, Zugang zum Finanzsystem verweigert und ein Reiseverbot auszusprechen ist.

 

 

Was national und in der EU legal ist, kann anderswo im Ausland strafbar sein

 

Mehrere sehr große deutsche Kreditinstitute mussten Milliarden Euro an Strafen in den USA bezahlen, und ausgewählte Mitarbeiter entlassen („Termination“), weil sie (angeblich) nicht wussten oder wissen wollten, welche Geschäfte gemäß den Sanktionen der USA strafbar sind. Spätestens ab 2014 kam ein deutscher Mittelständler auf die US-Terrorliste, und blieb gelistet – trotz Prüfungsfeststellung der Bundesbank, dass es sich beim Betroffenen nicht um verbotene Iran-Geschäfte gehandelt habe.

 

 

Auskünfte vom BAFA und Genehmigungen vom Zoll schützen nicht vor dem Strafrichter

 

Die Auskunft des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) über den Umfang eines EU-Handelsembargos, sowie die Ausfuhrgenehmigung der Zollverwaltung schützte Exporteure von Fischrogen (Kaviarersatz) und Schnaps nicht vor einer Verurteilung durch das Amtsgericht Chemnitz. Für die zweite strafrechtliche Instanz war fraglich, was am Ende straffrei als „noch kein Luxus-Gut“ exportiert werden darf: Dem LG Chemnitz (Urteil vom 20.03.2017, Az. 4 Ns 910 Js 11214/13) erschien eine Embargo-Vorschrift mangels Wertgrenze als zu unbestimmt für eine Verurteilung: Dies lässt den Schluss zu, dass bereits auf EU-Ebene das Personal die Embargovorschriften zu nebulös formuliert.

 

 

Europäischer Gerichtshof (EuGH) bestätigt Russland-Sanktionen als wirksam

 

Der EuGH (Urteil vom 28.03.2017, Az. C-72/15) entschied, dass die EU-Sanktionen gegen russische Ölkonzerne nicht zu beanstanden, mithin wirksam sind. Moniert wurde auch in diesem Verfahren sinngemäß, dass „die vom Rat der EU verwendeten Begrifflichkeiten“ nicht geklärt seien; insbesondere ein Widerspruch zwischen dem Wortlaut des EU-Beschlusses 2014/512/GASP bzw. 2014/872/GASP und jenem der EU-Verordnung Nr. 833/2014 bzw. Nr. 1290/2014 bestehe. Der EuGH stellte klar, dass die Abwicklung von Zahlungen keine „Finanzhilfe“ im Sinne der Verordnung ist.

GB hat sich an die EU-Sanktionen zu halten, solange der Brexit noch nicht umgesetzt wurde.

 

 

Verstoß gegen US-Iran-Sanktionen kostete deutsche Großbank 1,45 Milliarden Euro

 

US-Behörden verfolgen Sanktionsverstöße ebenso, wie Geldwäsche. Spätestens seit 2014 einigten sich bereits mehrere börsennotierte deutsche Unternehmen auf entsprechende Strafzahlungen. Gelistet werden auf Sanktionslisten neben Personen auch Gruppen, Gesellschaften bzw. Organisationen. Deren Mitglieder lassen sich nicht stets einfach feststellen (vgl. EU-Verordnungen Nr. 2580/2001, 881/2002, 83/2011). Bei Verstößen drohen nicht nur Geld- und Haftstrafen, sondern auch die gute Aussicht selbst auf einer Sanktionsliste zu landen.

Dies gilt auch für den Handel mit verbotenen „Dual-Use“-Wirtschaftsgütern. Sanktionen und Embargos können personen- und länderbezogen sein. Daneben sind die Vorschriften des US Office of Foreign Assets Control (OFAC) zu beachten, welche die Staatsbürgerschaft, den Aufenthaltsort und das Vermögen adressieren. Zahlreiche US Sanktionslisten gelten faktisch extraterritorial, mit Sanktionen wie etwa dem Ausschluss vom US-Finanz- oder Gütermarkt.

 

 

Zum Glück gibt es Compliance

 

Ergänzend besteht die Verpflichtung einen etwaigen Geldwäscheverdacht zu melden, oder sich im Inland strafbar zu machen Weis die Geschäftsleitung nichts über „schwarze Kassen zum Bestechen durch den Einkauf“, haftet der fahrlässige Gesamtvorstand gleichwohl auf Schadensersatz (LG München I, Urteil vom 10.12.2013, Az. 5 HKO 1387/10). Nach der Verurteilung i.H.v. 15 Millionen Euro schied der betroffene Finanzvorstand freiwillig aus dem Leben. Die Beweislastumkehr bei der Organhaftung erkannte der verurteilte Ex-Vorstand zu spät. Ein fehlendes Compliance-System, bereits ab mittelgroßer GmbH, soll nach § 130 OWiG im Inland unter Strafe stehen. Probleme durch Löse- und Schutzgelder nebst Wegezöllen haben auch Konzerne aus der EU, die in Syrien geschäftstägig sind.

Der BGH (Urteil vom 09.05.2017, Az. 1 StR 265/16) entschied bereits, dass der einen ausländischen Einkäufer bestechende Mitarbeiter in mittelbarer Täterschaft handeln kann, insbesondere als Steuerhinterzieher, denn auch verschleierte Bestechungsgelder sind bei uns nicht absetzbar, ebenso wie erpresste Schutzgelder.

Schon mancher deutsche Manager wurde in Miami bei der Einreise verhaftet, oder sein Urlaub im Ausland endete mit einer Auslieferung nach USA: Nach dem Prinzip der „Minimum Contacts“ braucht es dafür weder einen Wohn- oder Firmensitz, noch eine Staatsbürgerschaft oder Niederlassung.

 

 

Exekutive-Orders können unbeachtlich sein

 

EU-Niederlassungen eines US-Kreditinstitutes sind nur an das europäische Recht gebunden – auf eine Exekutive-Order des Präsidenten der USA können sie sich nicht berufen (OLG Frankfurt/Main, Urteil vom 09.05.2011, Az. 23 U 30/10). Im Ergebnis gleich entschied das LG Hamburg (Urteil vom 03.12.2014, Az. 401 HKO 7/14), zur Transportschaden-Regulierungspflicht der Tochergesellschaft eines US-Versicherers, betreffend eine rein zivile iranische Warenlieferung (kein Dual-Use).

Die EU-Verordnung 961/2010 postuliert in Art. 35 enge Ausnahmen vom Versicherungsverbot betreffend den Iran (ähnlich die EU-Verordnung 36/2012 betreffend Syrien); regelmäßig sind entsprechende Versicherungsverträge nichtig, § 134 BGB. Der Versuch derartige Verträge abzuschließen soll der Bundesbank gemeldet werden. Auch sogenannte Sanktionsklauseln bieten keine Rechtssicherheit, dass der Risikoträger im Schadensfall tatsächlich leisten wird.

Die normative Kraft des Faktischen erreichte die lettische ABLV-Bank, denn US-Vorwürfe der Geldwäsche zugunsten von Russland- und Ukraine-Kunden führten binnen Tagen zum Abziehen von Kundengeldern, und dann zum Versiegen der Finanzmittel. Hinzu kam Berührung mit Nordkorea-Geschäften zuwider UN-Sanktionen. Mangels „Systemrelevanz“ folgte die Abwicklung der ABLV.

Rechtsbeistände kommen als Beihelfer erst dann in Frage, wenn der Auftraggeber erkennbar tatgeneigt ist (BGH, Beschluss vom 20.09.1999, Az. 5 StR 729/98). Für eine Geldwäscheanzeige gegen den eigenen Mandanten bedarf es ausdrücklich positiver Kenntnis, dass die Dienste dafür oder zur Förderung des Terrorismus in Anspruch genommen wurden – ein Verdacht genügt hierbei nicht.

 

 

Kuba und Türkei als Beispiele für ungehorsame Verbündete

 

Nachdem Fidel Castro sich als Sozialist zu erkennen gab, verfügte Präsident Eisenhower sein erstes Embargo, ein „Gesetz über Handel mit dem Feind“ (TWEA vom 19.10.1960) gegen Kuba. Auf den Helms-Burton Act vom 12.03.1996 von Clinton reagierten die EU, Mexiko und Kanada durch „Blockier-Statuten“ (EU-Verordnung 2271/96 vom 22.11.1996), welche es den eigenen Firmen bei Strafe untersagte dem US-Embargo zu folgen. Diese Statuten verhinderten jedoch keine strafrechtliche Verurteilung wegen Verstoß gegen das TWEA in den USA. Und hierzulande ließen sich manche Banken eher von potentiellen US-Strafen beeindrucken, denn von der EU-Anti-Boykott-Versordnung (2271/96) – etwa wenn es um Überweisungen nach Kuba ging. Es kann ja niemand gezwungen werden, bestimmte Handelsgeschäfte abzuschließen, wenn er es nicht will – natürlich nur aus anderen Gründen als dem US-Embargo.

Verstöße gegen Iran-Sanktionen, Bankbetrug, Geldwäsche und Goldschmuggel wird manchem Türken vorgeworfen („Operation Midas“), der in den USA bei der Einreise ab 2015 verhaftet wurde. Der Iran fand geschäftliche Unterstützer auch in China, VAE, Russland, Usbekistan, Malaysia, Frankreich, Schweiz und Deutschland. Nachdem der Iran am 17.03.2012 vom Datenverkehr mit SWIFT gekappt wurde, suchte man Zahlungswege ohne Datenspuren: Daher das Gold, und traditionell vielleicht eher auch Edelsteine.

 

 

Kein Visum für potentielle Gefährder

 

Der EuGH (Urteil vom 04.04.2017, Az. C-544/15) unterstrich in seiner Entscheidung, dass Behörden für die Beurteilung ob von einer Person eine Bedrohung für die öffentliche Sicherheit ausgeht, einen weiten Ermessensspielraum besitzen. Eine lediglich potentielle Bedrohung reicht aus, einer Iranerin ein Studienvisum zu verweigern (EU-Richtlinie 2004/114/EG vom 13.122004).

 

 

Bürger landeten jahrelang und zu Unrecht auf einer Terrorliste

 

Rechtskräftige Erkenntnisse europäischer Gerichte führten bereits dazu, dass wiederholt die formell weiterbestehende Listung von Personen auf Sanktionslisten für nichtig erklärt wurde, wie z.B. bei der Moallem Insurance CO (Az. T-182/13) oder Naser Bateni (Az. T-45/14).

Ein bekanntes Beispiel ist Youssef Nada, der seit 2006 in den italienischen Enklave „Campione d’Italia“ umringt vom Schweizer Tessin festgesetzt war, da er nicht über Schweizer Gebiet reisen durfte. Erst am 12.09.2012 entschied der EGMR (Case No. 10593/08) für den Betroffenen, der zu Unrecht auf einer Sanktionsliste stand.

 

 

Immobilienerwerb durch Terroristen und andere Geldwäscher

 

Der EuGH (Urteil vom 11.10.2007, Az. C-117/06) entschied bereits, dass auf Sanktionslisten gegen u.a. Osama bin Laden stehende Personen, nach einem Immobilienverkauf nicht als Eigentümer im Grundbuch eingetragen werden müssen. Erfolgt gleichwohl ein Eintrag, so ist das Grundbuch unrichtig, und ein Widerspruch wäre „von Amts wegen“ angebracht, § 53GBO. Die absolute Verfügungsbeschränkung ist in der Grundakte zum Grundbuch vorzumerken (BayObLG, DNotZ 1988, 784). Für Beamte beim Grundbuchamt und Notare ist die Prüfung aller Sanktionslisten mühevoll, auch weil meist kaum gut funktionierende Software vorhanden ist. Ob die Kaufpreiszahlung etwa von Oligarchen „arrestiert“ wird ist gerichtlich bisher nicht geklärt, aber denkbar nach § 74c StGB.

Bei der Frage nach Geldwäsche und Terror-Finanzierung das Mantra aus 2015 „Wir schaffen das“ zu bemühen erscheint unzutreffend. Der BGH (Beschluss vom 28. April 2011, Az. V ZB 194/10) erleichterte es durch seine Entscheidung „Nachweise der Existenz, der Identität und der Vertretungsverhältnisse dieser GbR bedarf es gegenüber dem Grundbuchamt nicht“ auch im Inland über Gesellschafter-Verhältnisse zur Tarnung, einen vielleicht nur scheinbar ganz legalen Immobilienerwerb durchzuführen.

 

von Dr. Johannes Fiala und Dipl.-Math, Peter A. Schramm

 

mit freundlicher Genehmigung von

www.experten.de (veröffentlicht am 18.06.2018)

 

Link: https://www.experten.de/2018/06/18/sanktionen-und-ihre-auswirkungen-teil-2/

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Über den Autor

Dr. Johannes Fiala Dr. Johannes Fiala
PhD, MBA, MM

Dr. Johannes Fiala ist seit mehr als 25 Jahren als Jurist und Rechts­anwalt mit eigener Kanzlei in München tätig. Er beschäftigt sich unter anderem intensiv mit den Themen Immobilien­wirtschaft, Finanz­recht sowie Steuer- und Versicherungs­recht. Die zahl­reichen Stationen seines beruf­lichen Werde­gangs ermöglichen es ihm, für seine Mandanten ganz­heitlich beratend und im Streit­fall juristisch tätig zu werden.
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