Schwungvoll in die Rating-Haftungsfalle

Wie ist die Verquickung der Rating-Agentur Scope Group mit dem Fondsinitiator Interlife Management und der Vertriebsgesellschaft Deutsche Konsortial juristisch zu bewerten? portfolio international sprach mit dem Münchener Rechtsanwalt Johannes Fiala. Der Vertriebsexperte warnt vor einem möglichen Mitverschulden des Vertriebs bei fehlerhaften Urteilen von Rating-Agenturen.

Herr Fiala, sind personelle Verflechtungen wie sie zwischen der Fondscope/ Scope Group, dem Initiator Inter life Management und der Ver triebsfirma Deutsche Konsortial herrschten, eigentlich per Gesetz verboten? Nein, diese Verflechtungen sind grundsätzlich nicht verboten. Allerdings kann eine solche Konstellation ganz zielgerichtet auf das Problem der Rating-Haftung hinsteuern, denn die Verquickungen sind ja ganz offensichtlich. Im Juli vergangenen Jahres gab es einen ähnlichen Fall. Die Huk Coburg hatte ein Rating-Unternehmen wegen eines Krankenversicherungs- Ratings mit einer einstweiligen Verfügung belegt. Handelnde Personen bei dieser Ratingfirma waren zugleich auch im Vertrieb als Makler tätig. Darauf wurde bei den Ratings nicht hingewiesen. Die Nachrichtenagentur Reuters hat seinerzeit berichtet, dass der Richter am Landgericht Frankfurt in der mündlichen Verhandlung klargestellt hat, dass auf Verflechtungen, die eine mögliche Interessenkollision nach sich ziehen können, im Grundsatz hinzuweisen ist.

Das Pikante an dem Scope- Fall ist also, dass die Rating- Agentur nicht auf diese personellen Verflechtungen hingewiesen hat? Aus meiner persönlichen Einschätzung macht so eine Verflechtung ein Rating fehlerhaft, angreifbar, und letztlich führt so etwas zielgerichtet zu einer Haftung. „portfolio international“ und auch die „FAZ“ am 11. Februar haben berichtet, dass schon der erste Anleger auf der Matte steht und Vorwürfe in die Welt setzt nach dem Motto: „Hätte ich von der Verquickung gewusst, dann hätte ich mich keinesfalls an dem durch die Rating-Agentur letztlich beworbenen Produkt beteiligt“.
Inwiefern ist die Unterscheidung wichtig, ob die handelnden Personen bei Scope nur mittelbar involvierte Gesellschafter waren oder sind oder ob sie operativ für die Firmen tätig waren? Dies wird sicherlich zu der juristischen Frage führen, wie stark direkte oder indirekte Einflüsse offen zu legen sind. Grundsätzlich hat der Bundesgerichtshof am Beispiel der Stiftung Warentest entschieden, dass veröffentlichte Untersuchungen oder Ratings nach wissenschaftlicher Methode zu erfolgen haben. Sie müssen nachvollziehbar und im Kern – und das ist ganz wichtig – unparteiisch sein. Das heißt, schon die Durchführung, und hier sind auch die handelnden Personen gemeint, erfordert eine neutrale, objektive und sachkundige Herangehensweise. Mit der sachkundigen Durchführung sind wir auch bei dem im Raum stehenden Fehler beim Rating des ersten Fonds der Interlife Management angekommen. Wie in der „FAZ“ und bei „portfolio international“ zu lesen ist, sind Schwachpunkte bei diesem Fonds durch die Rating-Agentur Scope verkannt worden.
In öffentlichen Reaktionen versucht die Rating-Agentur die Rolle der handelnden Personen herunterzuspielen. Martin Passenheim wird beispielsweise in einem Rundschreiben von Scope an seine Lizenzpartner als „Mitarbeiter im Rechnungswesen“ bezeichnet, obwohl er die Finanzen und Organisation der Scope leitet. Wie glaubwürdig sind solche Statements? Dass die Rating-Agentur jetzt versucht, in der Presseund öffentlichkeitsarbeit die Tatsache der fraglichen Neutralität herunterzuspielen, halte ich für ein typisches Rückzugsgefecht. Man versucht, den Schaden durch so genannte Krisen-PR möglichst gering zu halten. Wir haben bei Scope zwei Fehlerbereiche. Der eine zu untersuchende Bereich ist die Frage des Handwerklichen, also die Frage, ob die Ratings aus diesem Hause generell einer wissenschaftlichen Methode folgen, also ob sie mit dem Verstande nachvollziehbar sind. Die Bafin hat ja bereits im Fall der offenen Immobilienfonds der Kanam Unterlagen von Scope angefordert, eingesehen und ein Prüfverfahren eingeleitet, wie diversen Medien zu entnehmen ist. Hier steht also ein Rating-Fehler als Verdacht im Raum. Auf der anderen Seite haben wir eine Interessenverquickung – und das macht die Sache so delikat – bei der ich davon ausgehe, dass in einem Verfahren jeder Richter zumindest die Nase wird rümpfen müssen. Diese personellen Verflechtungen sind objektive Tatsachen, und damit ist natürlich die Frage der Objektivität, der Neutralität und der Unabhängigkeit einer Rating- Agentur berührt. Beide Fehlerbereiche sind Einfallstore für eine Haftung gegenüber den betroffenen Personen, die sich auf derartige Auskünfte verlassen haben.
Zum Rating des ersten Interlife- Fonds: Es ist dokumentiert, dass der Initiator des Fonds keinerlei Erfahrungen hatte. Trotzdem wurde der Fonds gut geratet, was auch die Wettbewerber des Initiators seinerzeit erstaunt hat. Muss eigentlich die Rating- Agentur nachweisen, dass sie neutral agierte, oder muss ein Kläger ihr nachweisen, dass sie nicht neutral war? In einem solchen Fall wird es nicht um die Frage gehen „vor Gericht und auf hoher See“, sondern hier würde es in einem Haftungsprozess heißen „vor dem Sachverständigen und auf hoher See“. Mit anderen Worten: Den Fall würde sich ein Fachkundiger, den das Gericht als Experten zuzieht, sehr genau ansehen. Es gibt Mittel und Wege in der Zivilprozessordnung, beispielsweise das Material, das jetzt der Bafin vorliegt, auch im Prozess einem Kläger vorzulegen. Der Kläger muss nur ausreichend vortragen, welche Zweifel er an der Qualität des Ratings hat.
Die Rating-Agentur Scope hat erklärt, sich seit dem Jahr 2004 einem internationalen Standard für Rating-Agenturen, dem Code of Conduct der Iosco, angeschlossen zu haben. Was für eine Bedeutung hat diese Erklärung für Interessenkonflikte vor diesem erklärten Beitritt? Bewirkt diese Erklärung eine Art Haftungsfreistellung für die Jahre 2003 und 2004? Nein, genau das Gegenteil ist der Fall. Wenn sich eine Rating-Agentur solchen Qualitäts- oder Transparenzstandards unterwirft, so ist das nur eine schöne Absichtserklärung. Eine solche Selbstverpflichtungserklärung hat keine rechtliche Bedeutung in dem Sinne, dass für die Vergangenheit diese Anforderungen nicht zu erfüllen gewesen wären. Eine Selbstverpflichtung ab 2004 kann allerdings das Maß an Verantwortung seither noch steigern.
Die Scope Group hat Neutralitätsstatuten formuliert, von denen sie vorgibt, sie seien von einem Wirtschaftsprüfer testiert worden. Bislang hat die Rating-Agentur das aber nicht belegt. Wie ist das zu bewerten? Das ist eine äußerst heikle Frage. Zunächst einmal müsste man sich diese Statuten anschauen. Dann könnte sich die Frage stellen: Hat der Wirtschaftsprüfer etwas übersehen? In dem Fall müsste er für die Statuten gerade stehen. Aber natürlich könnte die Erklärung über Neutralitätsstatuten auch ein bloßer Marketing-Gag sein.
Was könnte das Einfallstor für Anlegerklagen im Fall des Ratings des ersten Interlife- Fonds sein? Das Einfallstor ist ein so genannter Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter. Bei einem Rating gibt es drei Beteiligte: Die Rating-Agentur, die Firma, deren Objekt geratet wird und die öffentlichkeit. Der Vertrag, der üblicherweise zwischen der Rating- Agentur und dem Initiator besteht, hat eine Ausstrahlungswirkung auf die öffentlichkeit, die typischerweise mit dem Ergebnis des Ratings in Kontakt kommt. Und so entwickelt die Tätigkeit der Rating-Agentur eine Schutzwirkung zugunsten der Anleger. Das heißt, in diesem Zusammenhang kann sich ein Anleger durchaus auf den Standpunkt stellen, dass er sich auf das Rating verlassen hat. Die Rating-Agentur haftet nach dem BGB im Grundsatz auch für leichteste Fahrlässigkeiten.
Gilt das auch, wenn die Rating- Agentur nicht vom Initiator bezahlt wird, sondern von Anlegern und Beratern, die Lizenzen zur Nutzung der Rating- Ergebnisse erwerben? Das spielt überhaupt keine Rolle. Wenn die Verträge zwischen der Rating-Agentur und der Vermittlerschaft bestehen, haben natürlich die Vermittler einen direkten Anspruch gegen die Rating- Agentur wegen mangelhafter Erledigung der ihr anvertrauten Rating-Aufgabe. Auch solch ein Vertragsmodus entfaltet eine zusätzliche Schutzwirkung zugunsten der betroffenen Anleger.
Wie groß ist jetzt die Gefahr eines Generalverdachts gegen die Scope-Ratings? Ein Pauschalurteil gegen alle Ratings dieser Agentur verbietet sich, weil das zu weit ginge. Allerdings berührt der Fall einer im Raum stehenden fehlerhaften Rating-Tätigkeit die Rating-Branche insgesamt. Auf Grund der sehr hohen Anforderungen an Ratings wird sich der betroffene Leser eines solchen Berichts in Zukunft fragen: Ist das denn qualitativ eine wertvolle Informationsquelle? Steht ein solcher Zweifel im Raum, dann befindet sich ein Vermittler gegenüber dem Kunden möglicherweise in einer wackeligen Position. Denn wenn sich das Rating für den Vertrieb als Black Box darstellt, dann kann das durchaus ein Mitverschulden des Vertriebs bei Fehlurteilen der Agentur bewirken. Denn anders als bei Privatkunden, bei denen ein Mitverschulden in aller Regel ausgeschlossen ist, handelt es sich bei dem Berater um einen Experten. Interessenkonflikte, die möglicherweise zu Rating-Fehlern führen, könnten zur Folge haben, dass gerade die Vermittlerschaft sich bei Ratings generell die Frage stellt: Wie kam es zu dieser Ratingnote?
Bei Ratings und Analysen liest man in den Fußzeilen der Berichte häufig sinngemäß „Irrtum vorbehalten“ oder „Haftung ausge schlossen“. Ist solch eine generelle Haftungsfreizeichnung möglich? Nein, eine Haftungsbegrenzung oder sogar ein Haftungsausschluss ist im Kerngeschäft eines Dienstleisters überhaupt nicht möglich. Im Kern der Tätigkeit kann niemand seine Haftung ausschließen, auch nicht für leichte Fahrlässigkeit. Alle derartigen Haftungsvermeidungsklauseln sind schlicht unwirksam. Im Gegenteil: Nach gesetzlicher Lage gilt, dass für Haupt- und Nebenpflichten der Rating- Agentur bereits für leichteste Fahrlässigkeit gehaftet wird. Insofern traue ich mir die Prognose zu, dass Rating-Agenturen in Fällen wie diesen große Probleme bekommen können und damit auch ihre Existenz gefährdet sein kann.

Das Interview führte Ali Masarwah
(portfolio-international 2.2006, 10)
Mit freundlicher Genehmigung von www.portfolio-international.de

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Über den Autor

Dr. Johannes Fiala Dr. Johannes Fiala
PhD, MBA, MM

Dr. Johannes Fiala ist seit mehr als 25 Jahren als Jurist und Rechts­anwalt mit eigener Kanzlei in München tätig. Er beschäftigt sich unter anderem intensiv mit den Themen Immobilien­wirtschaft, Finanz­recht sowie Steuer- und Versicherungs­recht. Die zahl­reichen Stationen seines beruf­lichen Werde­gangs ermöglichen es ihm, für seine Mandanten ganz­heitlich beratend und im Streit­fall juristisch tätig zu werden.
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