Versicherer benachteiligen ihre Aktionäre – oder ihre Kunden?

Damit aber kein Streit bei der Teilung entsteht, so soll dir gehören, was über der Erde ist und mir, was unter der Erde ist.“ (Gebr. Grimm, Der Bauer und der Teufel)

Die Überschussbeteiligung in der Lebensversicherung ist seit Jahren ein Zankapfel zwischen Versicherern und Verbraucherschützern. Besondere Brisanz erfuhr das Thema, als die Kanzlei KTAG der Allianz vorhielt, entgegen der vermeintlichen 90%/10%-Aufteilung der Überschüsse die Aktionäre einseitig zu bevorzugen.

In einer Strafanzeige gegen Allianz-Manager und flankiert durch eine Pressemitteilung warf KTAG Allianz sogar vorsätzliche Manipulation vor. Allianz reagierte prompt, wies die Vorwürfe zurück und erwirkte eine einstweilige Verfügung. Das Landgericht Stuttgart hat daraufhin die Behauptung „bewusst und vorsätzlich manipulierter Überschüsse“ untersagt.

Der Versicherer prüfte – wie in der Tagespresse zu lesen war – offenbar, ob er Strafanzeige stellen wird, sowie zivilrechtliche Haftungsansprüche gegen die Kanzlei. Strafrechtlich kämen beispielsweise Verleumdung, Beleidigung, üble Nachrede usw. in Frage.

Es erscheint bereits bedenklich, wenn ein Anwalt nicht von einem Verdacht spricht. Denn gerade hier liegt der feine Unterschied zwischen strafbaren (Tatsachenbehauptung) und straflosen (Verdacht) Äußerungen.

Zivilrechtlich könnte sich eine Haftung aus § 826 BGB (sittenwidrige Schädigung) wegen des Vorwurfes grob leichtfertiger oder gewissenloser Äußerungen ergeben, insbesondere wegen der von KTAG veranlassten Pressearbeit. Wissenschaftlich wird eine vorsätzliche Schädigung als „anwaltlich schwerster Fehler“ bezeichnet.

Auch im Spezialfall einer Strafanzeige muss der Anwalt als Anzeigeerstatter nach h.A. regelmäßig selbst Recherchen dazu anstellen, ob die erhobenen Vorwürfe gerechtfertigt sind – ein Unterlassen kann zu Schadensersatz und gegebenenfalls auch Schmerzensgeld führen (vgl. BGH Urteil vom 14.05.1992, Az. II ZUR 299/90). Zumindest eine Strafanzeige „ins Blaue“ hinein begründet einen Schadensersatzwegen unerlaubter Handlung.

Bei derartigen PR-Kampagnen kann auch die berufsrechtliche Pflicht zur gewissenhaften Berufsausübung betroffen sein. Zudem kann die VSHDeckung entfallen, soweit ein Verstoß wegen unerlaubter Handlungen und dergleichen (wissentlicher Pflichtverstoß) erkannt wird.

Ob ein eventuelles Missverständnis auf Seiten des Anzeigeerstatters vorlag und/oder vermeidbar war, bzw. hinreichende fachlich fundierte Recherchen vor der Strafanzeige erfolgten, werden im konkreten Einzelfall die Zivil- und Strafgerichte zu beurteilen haben.

Dies gibt nun Anlass, einige Irrtümer zur Überschussbeteiligung klarzustellen. Zunächst: eine 90/10-Regel als Vorschrift, wonach 90 % der Überschüsse den Versicherungsnehmern und nur maximal 10 % den Aktionären zufließen, gibt es spätestens für ab 1995 abgeschlossene Verträge nicht. Für alle neueren Verträge war nämlich zunächst ausschließlich die sogenannte ZRQuotenV (Verordnung über die Mindestbeitragsrückerstattung in de Lebensversicherung) vom 23. Juli 1996 maßgeblich, aktuell die Mindestzuführungsverordnung vom 4. April

2008.

Bis 2007 mussten die Verträge zwar angemessen am Kapitalanlageergebnis, Risikoergebnis, Kostenergebnis und sonstigen Ergebnis beteiligt werden, doch wird damit zunächst nur eine Beteiligung dem Grunde nach, nicht aber auch der Höhe nach bestimmt. So könnte auch eine Beteiligung in Höhe von 80 % des Kapitalanlageergebnisses und 50 % der übrigen Ergebnisse angemessen sein.

Eine Mindestgrenze für alle diese Überschussarten zusammen ist in dieser Verordnung mit 90 % der Kapitalerträge festgelegt, damit wären dann also auch alle übrigen Überschussquellen umfasst.

2008 wurde dann zusätzlich eine Beteiligung von mindestens 75 % an den Risikoüberschüssen und 50 % an sonstigen Überschüssen wie insbesondere Kostenüberschüssen eingeführt. Selbst diese Mindestgröße kann aber vermindert werden, wenn dies aufgrund z. B. von bestimmten unvorhersehbaren Verlusten oder erhöhtem Solvabilitätsbedarf erforderlich ist.

Unrichtig ist also auch, wenn behauptet wird, dass die Mindestüberschussbeteiligung an den Zinsüberschüssen90 % beträgt, denn die 90 % beziehen sich auf die gesamten Kapitalerträge, doch darauf wird der Garantiezins angerechnet wird. Wenn der Versicherer also z. B. 4,4 % an Kapitalertrag erwirtschaftet, die 90 % Mindestbeteiligung daraus aber mit 3,96 % bereits durch den Garantiezins des Vertrages von 4,0 % übertroffen werden, fällt für diesen Vertrag gar keine Zinsüberschussbeteiligung mehr an. 90 % der Zinsüberschüsse wären dagegen 0,36% gewesen – das steht den Kunden jedoch nicht zu.

Es gilt aufsichtsrechtlich als Missstand, der ein Eingreifen der Aufsichtsbehörde ermöglicht, wenn keine angemessene Überschussbeteiligung erfolgt. Was nun ein Missstand ist, wird mit der genannten Verordnung festgelegt. Mehr kann die Aufsichtsbehörde nicht verlangen – sie hat dazu einfach keine Rechtsgrundlage. Der Gesetzgeber hat nämlich mit der Verordnung abschließend geregelt, was als angemessen zu gelten hat. Wird dann nur dies gewährt, dann kann dies selbstverständlich keinesfalls als unangemessen gewertet werden.

Und – was oft von Laien falsch verstanden wird – den Garantiezins gibt es nicht „zusätzlich“ zu den vertraglich vereinbarten garantierten Leistungen. Er erhöht nicht den Überschuss, sondern ist bereits bei der Prämienkalkulation so eingegangen, dass sich für die Garantieleistungen eine entsprechend geringere Prämie berechnet.

So ergeben sich für die Aktionäre auch bei zurückgehenden Zinsen noch gute Möglichkeiten, am Ertrag zu partizipieren. Dieser lässt sich zudem auch steuern, indem die in den Prämien eingerechneten Kosten oder die kalkulierten Risikoprämien entsprechend hoch angesetzt werden – niemand verlangt von Versicherern, diese gewissermaßen zum „Selbstkostenpreis“ zzgl. irgendwie vorgeschriebener Sicherheitszuschläge zu kalkulieren.

Vielmehr können Kosten und Risikoprämie auch deutlich höher als erforderlich angesetzt werden, ohne dass dies aufsichtsrechtlich beanstandet werden könnte. Im Gegenteil, entspricht gerade dies dem  Versicherungsmathematischen Vorsichtsprinzip– beanstandet werden könnte nur, wenn zu wenig kalkuliert wird. Die Aufsichtsbehörde hat sich niemals als Preiskontrollbehörde verstanden.

Grenzen hinsichtlich der kalkulierten Prämien werden allenfalls durch den Markt vorgegeben – z. B. wenn die Produkte nicht mehr verkäuflich wären. Eine so im Sinne optimaler Unternehmensgewinne durch Marktanalyse bestimmte Prämie (market pricing) ist nicht einfach nur eine versicherungsmathematisch mit den mindestens erforderlichen Kosten und Risikoansätzen (actuarial pricing) berechnete Mindestprämie.

Die Regelungen zur Überschussbeteiligung sind sogar für Kunden noch intransparenter als der Preis – meist achten Kunden ohnehin (wenn überhaupt) nur auf die laufenden Zinsüberschüsse.

Damit ergibt sich aber gerade die Frage, ob nicht im Verzicht auf höhere aber im Markt durchsetzbare Prämien und in einer mehr als nach dem Gesetz nur „angemessenen“ Mindestüberschussbeteiligung der  Versicherungsnehmer eine – nicht mehr begründbare– Benachteiligung der Aktionäre zu sehen ist.

Auch Versicherer sind Wirtschaftsunternehmen, die nach Gewinn streben. Das Management muss sich daher gegenüber den Aktionären ggf. verantworten, wenn auf erzielbaren Gewinn verzichtet wird oder die Versicherungsnehmer mehr als nach dem Gesetz angemessen am Überschuss beteiligt werden.

 

von Dr. Johannes Fiala und Dipl.-Math. Peter A. Schramm

 
mit freundlicher Genehmigung von

www.juraforum.de (veröffentlicht am 24.11.2010)

 

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Über den Autor

Dr. Johannes Fiala Dr. Johannes Fiala
PhD, MBA, MM

Dr. Johannes Fiala ist seit mehr als 25 Jahren als Jurist und Rechts­anwalt mit eigener Kanzlei in München tätig. Er beschäftigt sich unter anderem intensiv mit den Themen Immobilien­wirtschaft, Finanz­recht sowie Steuer- und Versicherungs­recht. Die zahl­reichen Stationen seines beruf­lichen Werde­gangs ermöglichen es ihm, für seine Mandanten ganz­heitlich beratend und im Streit­fall juristisch tätig zu werden.
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